Magere Bilanz

Lobbyismus Die Bundesregierung erhält ein schlechtes Zeugnis vom Verein LobbyControl. Der größte Erfolg in Sachen Transparenz ist ausgerechnet Peer Steinbrück zu verdanken
Ausgabe 26/2013

Parteien sind machtgeil und wollen immer an die Regierung? Stimmt. Opposition ist einfach nur Mist? Stimmt nicht. Der Einfluss ist dann zwar nicht so deutlich sichtbar, aber er ist da. Manchmal sogar ist die faktische Mitbestimmung der Opposition solchen politischen Eigendynamiken geschuldet, dass die ganze Situation etwas absurd wirkt. Zum Beispiel in Sachen Transparenz und Begrenzung von Lobbyismus.

Der Verein LobbyControl hat in dieser Woche seinen „Lobbyreport 2013“ vorgestellt. Es ist eine Bilanz der zu Ende gehenden Legislaturperiode, und sie handelt von vielen kleineren Skandalen und vor allem vom Nichtstun der Politik. Man könnte dies abtun als das immer gleiche Genörgel einer NGO, die sich nach Aufmerksamkeit sehnt. Man kann die Bilanz aber auch ernst nehmen und nach Erfolgsfaktoren im Kampf gegen den ungezügelten Lobbyismus suchen.

1,25 Millionen Euro für Reden

Auf den 40 Seiten werden fünf Themen unter die Lupe genommen: die Drehtür zwischen Politik und Wirtschaft, die Parteienfinanzierung durch Interessenvertreter, die Korruption von Politikern, das fehlende Lobbyisten-Register und die fragwürdigen Nebeneinkünfte von Abgeordneten. In den ersten vier Bereichen fällt das Urteil vernichtend aus, nur bei den Nebeneinkünftigen springt die LobbyControl-Bewertungs-Ampel von Rot auf Gelb. Und wer ist dafür verantwortlich? Peer Steinbrück!

Der SPD-Kanzlerkandidat hat neben seinem Bundestagsmandat durch bezahlte Vorträge gut hinzuverdient, laut dem Lobbyreport waren es in dieser Legislatur 1,25 Millionen Euro. Von wem das Geld kommt, ist undurchsichtig, denn Steinbrücks Auftritte wurden über eine Redneragentur vermittelt. Als Union und FDP das Aufregerpotenzial erkannten, überboten sie sich mit Angriffen auf den politischen Gegner – und mit Forderungen nach mehr Transparenz. Da schien es auch niemanden zu stören, dass hauptsächlich Koalitionspolitiker gut bezahlten Nebentätigkeiten nachgehen.

Der öffentliche Druck zählt

Irgendwann konnten die Politiker aller Farben nicht mehr hinter ihre eigenen Forderungen zurück und beschlossen die Pflicht zu einer detaillierteren Veröffentlichung der Nebeneinkünfte. Vereine wie LobbyControl haben dafür lange gekämpft, nun sind sie erfolgreich, weil Union und FDP damit der SPD vermeintlich eins auswischen können. Was folgt daraus für die Zukunft? Brauchen wir mehr Sozialdemokraten wie Steinbrück, mehr Großspenden an die Linkspartei, mehr Seitenwechsel von Grünen-Politikern, damit sich etwas tut?

Nein, es wäre zu kurz gegriffen, den Erfolg alleine den taktierenden Parteien zuzuschreiben. Sie wurden letztlich gezwungen – durch den öffentlichen Druck. Die Bürgerinnen und Bürger, sie allein bilden die Klasse, die Veränderungen durchsetzen kann. Die Parteien und Politiker haben kein Interesse an ihrer eigenen Kontrolle.

Bezahlte Nebentätigkeiten verbieten

Für den öffentlichen Druck muss dubioser Lobbyismus aber erstmal sichtbar werden. Deswegen sind Forderungen etwa nach einem Lobbyistenregister oder nach der Offenlegung der Nebeneinkünfte auf Euro und Cent auch sinnvoll. Sie scheitern an den regierenden Parteien, gehen aber auch nicht weit genug. Transparenz muss letztlich zu Veränderung des Lobbyismus führen, und Vereine wie LobbyControl müssen dabei eine Vorreiterrolle übernehmen. Daher ist es auch grob fahrlässig, wenn im Lobbyreport bloß ein einziger Satz zu den wirklich wichtigen Konsequenzen aus der Debatte über Nebeneinkünfte zu lesen ist: „Wir fordern ein Verbot von Lobbytätigkeiten neben dem Mandat.“

Nötig wäre das Verbot von allen bezahlten Nebentätigkeiten. Abgeordnete erhalten genug Geld, und wenn sie gerne ihre Kanzlei weiterführen oder in Aufsichtsräten sitzen wollen, können sie das gerne tun – ohne Geld dafür zu bekommen. Abhängigkeiten sind so ausgeschlossen, ein Berufsverbot ist es trotzdem nicht.

Es gibt weitere Gründe, weshalb die Nebeneinkünfte zumindest ein bisschen transparenter gemacht, andere Forderungen von LobbyControl aber nicht erfüllt wurden. Fragwürdige Unternehmensspenden an Parteien treffen nicht den einzelnen Politiker, der Skandal lässt sich nicht personalisieren. Und bei den Seitenwechslern dreht sich die Drehtür meist nur in eine Richtung: von Politik zur Wirtschaft. Und dann ist es eigentlich auch schon zu spät: Für Ex-Politiker interessiert sich niemand, und alles bleibt so, wie es ist.

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