Nach den Enthüllungen

Innenpolitik Weil auch die Opposition den Konflikt mit den USA scheut, mutet die Diskussion in Deutschland merkwürdig an. Nötig wäre eine Debatte über den Sinn von Geheimdiensten
Ausgabe 28/2013
Die Empörung über die USA ist groß, aber Merkel bleibt diplomatisch
Die Empörung über die USA ist groß, aber Merkel bleibt diplomatisch

Foto: Stefan Kugler/ Bundesregierung via AFP/ Getty Images

Irgendwie muss man dem US-amerikanischen Auslandsgeheimdienst NSA auch dankbar sein. Nicht unbedingt dafür, dass er die Diskussion über Datenschutz in Deutschland neu entfacht hat. Das ist zwar gut, aber der Preis war ungleich höher. Dankbar sollte man ihm sein für die Abhör-Aktionen gegen die diplomatischen Vertretungen und Botschaften verschiedener europäischer Länder und der EU. Das ist zwar nicht in Ordnung, hat aber zumindest die höchsten Politiker aufgescheucht. Nun sind Merkel und Co. selbst betroffen und nicht bloß die Bürger.

Die Empörung über die USA ist groß, aber man bleibt diplomatisch. Weil die Opposition im Wesentlichen genauso handeln würde, muten die innenpolitischen Angriffe etwas merkwürdig an. Sie drehen sich nicht um nötige Konsequenzen, sondern um die Frage: Was wusste die Bundesregierung von dem Ausspähen deutscher Bürger? Den Anfang hat SPD-Chef Sigmar Gabriel gemacht, der in der FAZ schrieb: „Die Reaktion der Kanzlerin lässt eher den Verdacht zu, dass ihr diese Ausspähung der Deutschen durch britische und amerikanische Geheimdienste zumindest dem Grunde nach durchaus bekannt ist.“

Nichts Konkretes zu erfahren

Aber was muss Angela Merkel eigentlich wissen, damit ihr die Spionage „dem Grunde nach“ bekannt ist? Und wie müsste eine Reaktion aussehen, die so einen Verdacht komplett ausschließt? Gabriel hat eine so vorsichtige Formulierung gewählt, dass man, selbst wenn sich die Behauptung klären ließe, kaum Konkretes über die Verstrickungen deutscher Geheimdienste erführe.

Merkel ließ natürlich sofort dementieren, Regierungssprecher Steffen Seibert sprach aber nicht von NSA-Praktiken allgemein, sondern vom Wissen um „flächendeckende Ausspähungen“. Und jetzt? Bleibt ein recht unkonkreter Verdacht.

Geheimdienst vs. Demokratie

Ohnehin bleibt den Bürgern vor allem ein mulmiges Gefühl. Die Dimensionen der Spionage lassen sich kaum noch fassen, zudem ist unklar, was genau mit den Daten passiert. Ein Klima der Angst wäre aber von allen möglichen Folgen des NSA-Skandals die schlechteste.

Dringend notwendig wäre eine Debatte über die Sinnhaftigkeit von Geheimdiensten allgemein und speziell in Deutschland. Bundesnachrichtendienst, Militärischer Abschirmdienst und der sogenannte Verfassungsschutz handeln im Verborgenen und werden sich daher nie vernünftig kontrollieren lassen. Sie spionieren jene politischen Strömungen aus, die den herrschenden Parteien nicht genehm sind. Insofern schützen Geheimdienste nicht die Demokratie, sie gefährden diese.

Vermeintlicher Kurswechsel der Union

Der NSA-Skandal hat in Deutschland zwar keine Diskussion über Geheimdienste entfacht, aber immerhin eine Debatte über Datenschutz und Überwachung befeuert. Das Gesetz zur sogenannten Bestandsdatenauskunft, das Anfang des Monats in Kraft getreten ist, hätte ohne die Enthüllungen wohl deutlich weniger Aufmerksamkeit bekommen.

Und dass die „Vorratsdatenspeicherung“ im Wahlprogramm der Union durch „Mindestspeicherfristen“ ersetzt worden ist (was das Gleiche meint), wäre womöglich nicht einmal aufgefallen. Immerhin wäre den Medien damit die Blamage erspart geblieben, dass sie erst einen vermeintlichen Kurswechsel ausmachten und zur Niederlage für den CSU-Innenminister Hans-Peter Friedrich erklärten – dann aber feststellen mussten, dass genau dieser die Umbenennung vorgeschlagen hatte. Erspart geblieben wäre so aber auch die Erkenntnis, wie von der Politik bewusst die Sprache zurechtgebogen wird.

Und die Piraten? Sind in den Massenmedien kaum präsent. Es liegt aber sicherlich nicht an ihnen selbst, sie schreiben fleißig wie immer ihre Pressemitteilungen. Nur haben sie mittlerweile den Glanz des Neuen verloren und dümpeln unter der Fünf-Prozent-Hürde vor sich hin. Die Medien folgen eben ihrer ganz eigenen Logik.

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