Realsatire im Untersuchungsausschuss

Atommüll Union und FDP finden die Entscheidung für Gorleben-Erkundung "beispielhaft und fortschrittlich", die Opposition spricht von Willkür. Was heißt das für die Endlagersuche?

Ist der Endlagerstandort Gorleben das „Ergebnis politischer, willkürlicher Entscheidung“? Oder war die Entscheidung für die Erkundung des Salzstocks „aus heutiger Sicht geradezu beispielhaft und fortschrittlich“? Im Untersuchungsausschuss des Bundestags könnten die Meinungen verschiedener nicht sein. Am heutigen Donnerstag werden die Abschlussberichte von Koalition und Opposition beschlossen. Aber das Thema Gorleben ist damit noch lange nicht abgehakt.

Die Show im Untersuchungsausschuss ist ein Vorgeschmack, was uns in rund zweieinhalb Jahren erwartet, wenn wieder über die Endlagersuche gestritten wird. Erst vor wenigen Tagen haben sich Union, FPD, SPD und Grüne auf ein neues Endlagersuchgesetz verständigt und das gleich als „Durchbruch“ gefeiert. Doch wie lange kann dieser Frieden dauern, wenn im Gorleben-Ausschuss die Fetzen fliegen? Wenn nicht nur die Bewertung der bisherigen Endlagersuche unterschiedlich ausfällt, sondern es die Fraktionen nicht einmal schaffen, gemeinsam die wichtigsten Fakten festzuhalten?

Opposition spricht von "Methode Gorleben"

Die Politiker haben die gleichen 51 Zeugen befragt, die gleichen 2.800 Aktenordner gewälzt. Und dennoch wurde schon im März klar, dass es keinen gemeinsamen Abschlussbericht geben würde. Aber wer hätte da vermutet, dass die Gegenüberstellung der Bewertungen an Realsatire grenzt?

Union und FDP schreiben, es habe „nie Anlass gegeben, an der Eignungshöffigkeit des Salzstocks für ein Endlager für alle Arten von radioaktiven Abfällen zu zweifeln“. Wehalb aber wurde dann ein Untersuchungsausschuss eingesetzt?

Die Opposition hingegen ist der Meinung: „Es gab kein wissenschaftliches Standortauswahlverfahren, aus dem Gorleben als bester Standort hervorgegangen ist.“ Und für die Tricksereien, politischen Einflussnahmen und Zurechtbiegereien haben sich SPD, Grüne und Linkspartei schon einen Begriff ausgedacht: „Methode Gorleben“.

Gorleben bleibt wohl auch 2015 im Rennen

Ist die nun Geschichte? Der niedersächsische Salzstock bleibt im Rennen, obwohl die Atomindustrie schon 1,6 Milliarden Euro für die Erkundung ausgegeben hat und daher alles daran setzen wird, dass es bei Gorleben bleibt.

Nun diskutiert erstmal eine Enquete-Kommission aus Politikern und Zivilgesellschaft über die Endlagersuche. Ende 2015 sollen Ergebnisse vorliegen, dann soll das Suchgesetz noch einmal überdacht und möglicherweise geändert werden. Ursprünglich war die Kommission von der rot-grünen Landesregierung Niedersachsens in den Parteienkompromiss reinverhandelt worden, um die Möglichkeit offen zu lassen, dass Gorleben noch vor dem Beginn des eigentlichen Suchverfahrens ausscheidet. Das hatten SPD und Grüne nämlich im Wahlkampf zugesagt und wollten ihr Versprechen nicht schon wenige Wochen später offensichtlich brechen.

Dass sich aber in zweieinhalb Jahren am Gesetzentwurf noch etwas Grundlegendes ändert, wird immer unwahrscheinlicher. Bei solch großen Konflikten, wie sie jetzt im Untersuchungsausschuss zu Tage treten, wird sich wohl niemand trauen, das Suchverfahren nochmal in Frage zu stellen.

Zwei Tage für ein Jahrtausend-Problem

Derzeit wird der Kompromiss von Union, FDP, SPD und Grüne erstmal durch das Parlament gepeitscht. Am Montag wurde der Entwurf den Verbänden zugeleitet, damit diese ihn bewerten können. Dafür hatten sie gerade mal zwei Tage Zeit, die Umweltschutzorganisationen boykottierten. Es protestierte selbst die Deutsche Umwelthilfe, die sich grundsätzlich für den Suchkompromiss stark macht.

Die Grünen-Politikerin Sylvia Kotting-Uhl verteidigt die Zwei-Tages-Frist. „Ich musste das auch von einem Tag auf den nächsten bewerten.“ Für Experten mag die kurze Zeit zur Not ausreichen. Die Öffentlichkeit aber bleibt außen vor. Ist das die „absolute Partizipation“, die Kotting-Uhl als Konsequenz aus Gorleben fordert?

Einen Erfolg des Untersuchungsausschusses gibt es immerhin: Es gibt nun gerichtsfeste Zeugenaussagen der damaligen Verantwortlichen, wie die Linken-Politikerin Johanna Voß erläutert. Sollte es in einigen Jahren auf Gorleben hinauslaufen, könnte das „sehr hilfreich sein, um das Schlimmste zu verhindern“.

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