Suche Journalisten, biete Gratis-Luxusreise

Ethik Viele Journalisten lassen sich gerne von Konzernen zu Pressereisen einladen und schreiben Jubelartikel. Die Leser erfahren davon meist nichts. Muss der Staat eingreifen?
Ausgabe 51/2013
Suche Journalisten, biete Gratis-Luxusreise

Foto: AFP/ Getty Images

Sind Journalisten käuflich? Der Stahl-Konzern ThyssenKrupp hat sie jahrelang zu Luxusreisen eingeladen: Flüge in der ersten Klasse, Übernachtungen im Fünf-Sterne-Hotel, mehrtägige Safaris. Manch eine Reise soll 15.000 Euro pro Person gekostet haben, alles allein gezahlt von ThyssenKrupp.

Als die Welt darüber berichtete, führte das zu einem kleinen Skandal. Nun, etwa ein Jahr später, gab es eine kleine Premiere: Erstmals veranstalteten der Deutsche Presserat und der Deutsche Rat für Public Relations eine gemeinsame Diskussion – zu Praxis und Problemen von Pressereisen. Nur: Geändert hat sich seit der ThyssenKrupp-Affäre fast nichts. Noch immer ist es gang und gäbe – vor allem im Wirtschafts-, Auto- und Reisejournalismus –, dass sich Journalisten von Unternehmen und Verbänden einladen lassen und anschließend wohlwollend berichten.

Betrogene Leser

Die Leser erfahren davon oft nichts, die Artikel sind nur selten gekennzeichnet – obwohl dies vorgeschrieben ist im Pressekodex, einer freiwilligen Selbstverpflichtung, zu der sich nahezu alle Verlage in Deutschland bekennen. Aber wo kein Kläger, da kein Richter. Journalisten und die PR-Fachleute der Unternehmen profitieren von der Praxis, und die um eine unabhängige Berichterstattung betrogenen Leser erkennen die gesponserten Artikel in der Regel nicht.

Aber können sich die Transparenz überhaupt alle Medien leisten? Die PR-Vertreter bei der Podiumsdiskussion sprechen von einer „Zwei-Klassen-Gesellschaft“. Große Verlage könnten die Reisen selbst zahlen, die Regional- und Fachzeitungen jedoch müssten ihre Texte immer mit einem „Beipackzettel“ versehen. Was für die PR-Leute kein Thema ist: Womöglich können die kleinen Medien durch die Kennzeichnung an Glaubwürdigkeit gewinnen und unterm Strich am Ende profitieren.

Insgesamt ist jedenfalls davon auszugehen, dass sich die Berichterstattung verbessert, wenn eine Zeitung auf bezahlte Pressereisen verzichtet. Oft sind das reine Werbeveranstaltungen, und die Journalisten erfahren nichts, was sie nicht auch sonst durch ein ausführliches Gespräch mit den Pressesprechern herausbekämen. Zumal eine Reise die Zeit für weitere Recherche raubt.

Verbot oder Transparenz?

Sollten von Unternehmen bezahlte Pressereisen womöglich staatlich verboten werden? Im Reisejournalismus würden dann einige Berichte wegfallen, aber das wäre für die Meinungsvielfalt verkraftbar. Schwieriger zu beantworten ist hingegen die Frage, wie sich solch ein Verbot mit der Unabhängigkeit der Presse vereinbaren ließe. Und für welche Medien das gelten soll. Auch für die Publikation, die von ThyssenKrupp selbst herausgegeben wird? Und was ist, wenn ThyssenKrupp eine große Anzeige schaltet und es sich eine kleine, arme Zeitung dadurch leisten kann, die Reise selbst zu bezahlen? Unabhängiger Journalismus lässt sich eben schwer staatlich verordnen.

Eleganter wäre wohl die Verpflichtung zu mehr Transparenz durch die zahlenden Konzerne selbst. Es gäbe dann einen Vertrag mit den Journalisten: Wir nehmen euch auf unsere Reise mit, wenn ihr das hinterher transparent macht. Der Haken: Besonders wahrscheinlich ist das nicht, schließlich haben die Unternehmen kein Interesse an Transparenz.

Was der Staat tun kann

Der Staat kann aber doch was tun: eine möglichst unabhängige Stelle finanzieren, deren Mitarbeiter nach Jubelartikeln suchen, die wahrscheinlich auf Pressereisen zurückgehen, aber nicht entsprechend gekennzeichnet sind. Eine Beschwerde beim Presserat bringt der Zeitung dann eine Rüge, wenn sie tatsächlich gegen den Kodex verstoßen hat.

Die Angst vor einer Rüge wird die meisten Zeitungen zu einer Transparenz-Offensive bewegen. Dann trauen sich die Journalisten nicht mehr, unkritische Lobesartikel zu verfassen, denn mit dem Hinweis auf das Sponsoring wirken diese einfach nur peinlich.

Auch ließe sich ein öffentlicher Fonds für Recherchereisen einrichten, er böte den Medien eine Alternative zu den Kostenlos-Reisen der Konzerne. Die Finanzierung ist kein Problem: Der Fonds lässt sich leicht aus höheren Steuern für die Unternehmen zahlen, die jetzt genug Geld für teure Pressereisen haben.

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