Mehr Profil, weniger Streit

Piraten Die Netzpartei bemüht sich um eine Programmatik auch jenseits des Internets. Dabei sollen nun Themenbeauftragte helfen
Frühstücksrunde statt Pressekonferenz - die Piratenpartei stellt ihre Fachleute vor. Foto: Franz Viohl
Frühstücksrunde statt Pressekonferenz - die Piratenpartei stellt ihre Fachleute vor. Foto: Franz Viohl

Der Ort ist mit Bedacht gewählt. Ein paar Schritte abseits der Auguststraße in Berlin-Mitte liegt das Café „Strandbad Mitte“. Hier reihen sich die Galerien aneinander, im dämmrigen Licht der Lokale leuchtet das weiße Apple-Logo, hinter Schaufenstern tüfteln Start-Up-Unternehmer eifrig an der Zukunft. Klischee hin oder her – wenn die „digitale Bohème“ irgendwo zu Hause ist, dann hier. Aber für die Piratenpartei ist das nicht nur ein Segen.

Denn es soll auch mal um etwas anderes gehen als das Internet. An diesem Freitag haben die Piraten zum Pressefrühstück geladen, um ihre Themenbeauftragten vorzustellen. Die zwölf Sprecher sind dafür zuständig, die Positionen der Partei von Gesundheits- bis Sozialpolitik in der Öffentlichkeit zu vermitteln.

„Alle, die hier sitzen, sind Konsenskandidaten“, sagt Piraten-Geschäftsführer Johannes Ponader. Sie seien von der Basis demokratisch gewählt worden, denn „Eingriffe von oben“ lehne man ab. Einer von ihnen ist Bernd Schreiner, verantwortlich für Umweltthemen. „Wir wollen einen nachhaltigen Umgang mit den Ressourcen“, sagt er. Die Problematik werde bei den Piraten „extrem umfangreich“ diskutiert. Was aber unterscheidet die Piraten hier von den Grünen, will eine Journalistin wissen. Schreiner scheint auf die Frage gewartet zu haben: „Wir sagen nicht einfach, dass erneuerbare Energien gut sind, sondern machen einen Unterschied zwischen regenerativen und generativen Energien.“ Letztere stünden frei zur Verfügung, Wind und Sonne zum Beispiel. Mit „regenerativ“ meine man aber nur „nachwachsend“. Das habe zu Fehlern geführt wie beim E10-Treibstoff. „Dafür wurden Wälder abgeholzt.“ Schreiner fordert, genauer hinzusehen: „Nicht alles, was grün ist, ist gut.“

Das Lieblingswort: Beteiligung

Ob diese Abgrenzungsversuche gelingen werden, ist ungewiss. Aber am wichtigsten sei das eigene Profil, sind sich die Piraten einig. „Wir sind keine Partei ohne Inhalte“, sagt Rainhard Schaffert. Als Themenbeauftragter für Gesundheitspolitik will er den Fokus weg von den Krankenkassen „hin zu den Bedürfnissen der Patienten“ bewegen. Wahrscheinlich würde das die SPD genau so sagen. Aber bei den Piraten gibt es stets einen Zusatz: "Das geht nur durch Beteiligung."

Beteiligung - dieses Wort fällt auch an diesem Vormittag immer wieder. Vor allem, wenn Jens Kuhlemann, Demokratie-Beauftragter der Partei, spricht: „Es ist ein Anachronismus der Geschichte, dass es keine bundesweiten Volksentscheide gibt.“ Dieses Modell verfolgen die Piraten in allen Politikfeldern – natürlich auch beim Datenschutz. Für den ist Katharina Nocun zuständig: „Die Bürger sollen Herr ihrer Daten bleiben“, fordert sie. Sonst könnten sie sich nicht frei engagieren. Der parteiinterne Richtungsstreit zwischen Bürgerrechten und Bürgerbeteiligung klingt hier gerade noch an. Das Schlagwort der Stunde ist Partizipation.

Das Netz in der Politik

Noch haben sich die Positionen nicht zu einem Wahlprogramm kristallisiert. Vieles sei „im Aufbau“, die Debatte „sehr ausdifferenziert“. Das haben viele Kommentatoren als eine Schwäche der Piraten ausgelegt. Ob es denn gar keine Wahlkampfstrategie gebe, fragt ein Reporter. „Die Themenkreise sind ein langfristiges Projekt, das nicht an Wahlen ausgerichtet ist“, entgegnet Geschäftsführer Ponader. Eine ziemlich diplomatische Antwort.

Dennoch verstehen sich die Piraten nach wie vor als Internet-Partei, das Netz sei nun einmal der „Gründungsimpuls“. Aber das Netz ist längst eine Metapher auch für die klassischen Politikbereiche geworden. Um nicht zu sagen: eine Weltanschauung. Nur vernetzt könnten die Menschen ihre eigenen Anliegen durchsetzen, sagt Anne Helm, die für Asyl- und Migrationspolitik verantwortlich ist. Zusammen mit dem Beauftragten für Queerpolitik setzt sie sich etwa für die Anerkennung von Homosexualität als Fluchtgrund ein. Ihre Überzeugung: „Flucht hat immer politische Ursachen.“ Doch in Deutschland würden Asylsuchende wie Sträflinge behandelt. Hier müsse sich die Rechtsprechung ändern. Aber bis es soweit ist, hilft vielleicht auch hier das Netz. Die Piraten fordern Internetzugänge in Asylbewerberheimen. Ein Tropfen auf den heißen Stein? Für Anne Helm: klassische Politik.

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