09/11 – Der Fall Salvador Allende Gossens’

allende der 11 September

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Ich habe für eine Sache gekämpft, die ich für gerecht gehalten habe. Und für die Gerechtigkeit muss man standhaft bleiben. Damals habe ich gedacht, wie mein Vater der Gewerkschaftler war, dass man für seine Überzeugung kämpfen muss. Es ist vielleicht ein wenig idealistisch, aber auch heute würde ich für dieses Ideal weiterkämpfen. Die Idee des Sozialismus ist eine gute Idee, was die Menschen daraus jedoch gemacht haben, ist enttäuschend. Kann sein, dass ich naiv bin, aber ich werde weiter kämpfen.“, … ein ehemaliger Mitarbeiter des Präsidentenpalasts, der nur mit Glück 1973 aus Chile fliehen konnte.

Allendes Politik bestand nicht aus „copy & paste“. Er kopierte weder die Sowjetunion, noch Jugoslawien oder Kuba. Salvador Allende versuchte mit seiner Politik der friedlichen Revolution einen eigenen Weg zu gehen. So versuchte er nicht die Wirtschaft in staatliche Großbetriebe umzuwandeln, sondern sie weitgehend autonom zu belassen. Er schuf keine Kultur der bäuerlichen Genossenschaften, sondern versuchte Vorhandenes zu kultivieren. Seine Bildungspolitik schaffte es Bildung einer breiten Masse zugänglich zu machen, wie es in Chile bislang nicht möglich gewesen war. Arbeit, Bildung und Essen für alle!

Die Wirtschaft Chiles 1967 – 1970
Chile hatte vor dem Amtsantritt der „Unidad Popular“, der Regierungspartei von Salvador Allende, mit einer jahrzehntelangen Inflation zu kämpfen. Zwischen 1967 und 1970 stiegen die Verbraucherpreise im Durchschnitt um 27%. Die Wirtschaft wurde durch immer weiter steigende Importquoten zusätzlich belastet. Im Gegensatz dazu stagnierten die Industrieexporte Chiles, was zu einem Außenhandelsdefizit führte. Hierdurch bedingt stieg die Arbeitslosenquote 1970 auf über 6% an und die vorhandene Industriekapazitäten lagen Großteils brach.
Aufgrund von Investitionsstopps und einem unzureichenden Arbeitsprogramm durch die christdemokratische Regierung Chiles wurden die Devisenreserven als auch die Firmengewinne maximiert. Die Arbeiterklasse sah von diesem Geld jedoch nichts, im Gegenteil: Neben wachsenden Arbeitslosenzahlen, gehörten vor allem Warenknappheit und unzureichende medizinische Versorgung zum Alltag.
Nachdem die Unidad Popular eine knappe Mehrheit im Parlament innehatte, beschloss sie bei vielen Gütern eine Preiskontrolle einzuführen. So unterlagen dem Preisdiktat der Regierung vor allem Kultur, Bildung, Nahrung und Medizin.
Allendes Wirtschaftspolitik führte im Jahr 1971 zu einer Senkung der Warenpreise bei gleichzeitiger Erhörung der Löhne. So kam es zu einer Reallohnsteigerung von bis zu 28%, was eine Versechsfachung der Lohnsteigerung bedeutete.
Die Regierung hatte nicht bedacht, dass steigende Löhne und Preiskontrolle auf der einen Seite, einen erhöhten Bedarf an Produkten auf der anderen Seite erzeugt, welcher nur durch Importe abgedeckt werden könnte. Der Abzug des ausländischen Kapitals in den Jahren 1970 bis 1973 führte zu einer Stagnation der Produktionsmittel. Ob der Versuch Allendes die Wirtschaft zu „sozialisieren“ an der Opposition oder eigenen Entscheidungen scheiterte, ist fraglich. Denn sowohl die Kompromisse mit der Opposition, als auch die Fehlkalkulation führten zu einer Wirtschaftskrise 1973.

Der Putsch
Am 9. September ’73 beschlossen die drei ranghöchsten chilenischen Offiziere den Putsch gegen die sozialistische Regierung von „Salvador Allende Gossens“ und der „Unidad Popular“: Oberbefehlshaber der Flotte Admiral Toribio, Oberbefehlshaber der Luftwaffe General Guzmán und der Rädelsführer des Putsches und Oberbefehlshaber des Heeres General Pinochet entschieden, in Chile eine Militärjunta zu installieren.
In der Nacht vom 10. auf den 11. September griffen die Streitkräfte die chilenische Hauptstadt, Santiago de Chile, an. Die faschistische Junta forderte den gewählten Präsidenten Salvador Allende zum Rücktritt auf und erklärte dem Volk den Krieg.
Allende lehnte die Forderungen ab und hielt sich während der gesamten Angriffe im Präsidentenpalast, La Monda, auf. Dort hielt er bis kurz vor seinem Tod eine Radioansrpache an das chilenische Volk. Der Gefangennahme durch Pinochet entzog sich Salvador Allende durch Suizid.
An diesem Tag wurde der Chilenisches Weg, den Sozialismus auf friedliche Weise zu etablieren, blutig niedergeschlagen. Stattdessen wurde ein Klima der Angst geschaffen, in dem nur Militärs und Oligarchen die Macht innehatten.

Ursachen des Putsches
Die Gründe für den Putsch lassen sich vor allem auf drei Grundpfeiler zurückführen.

So kam es aufgrund der gelebten Demokratie, die Allende stets hochhielt, nie zu einem Versuch die konservativen Parteien zu verbieten. Genau diese organisierten bereits 1972 zusammen mit den Kapitalisten Chiles einen Streik, an dem vor allem Freiberufler und Unternehmer teilnahmen. Es verwundert nicht, dass die Arbeiter und Angestellten der Unidad Popular die Treue hielten.
Der zweite Grund der zum Putsch führte, war die Pattsituation im Kongress. Dieser blockierte ab 1971 wichtige Finanzprogramme der Regierung Allendes, wodurch sich die chilenische Wirtschaft nicht erholen konnte. Den einzigen Ausweg, den die Regierung sah, war frisches Geld zu drucken was die Inflation befeuerte. Die Oligarchen sorgten gleichzeitig dafür, dass Nahrungsmittel und andere essentielle Güter fast nur noch auf dem Schwarzmarkt zu bekommen waren. Die Maßnahmen die Allende dagegen treffen wollte, wurden aufgrund der fehlenden Mehrheit vom Kongress abgeschmettert.
Die dritte Säule, die zum Sturz Allendes führte, war die USA. So schrieb der damalige U.S. Außenminister Henry Kissinger 1979: „Die Wahl Allendes berührte unsere nationalen Interessen in Südamerika. Das Entstehen eines zweiten kommunistischen Staates in der westlichen Hemisphäre konnten wir nicht ohne weiteres hinnehmen.“
Es ist nicht verwunderlich, dass die USA von Beginn an die Regierung der Unidad Popular durch verschiedenste Maßnahmen torpedierte. Neben einem wirtschaftlichen Boykott und dem Abzug aller US Devisen, wurde Chile der Zugang zu westlichen Entwicklungsgeldern verwehrt.
Daneben unterstütze die CIA Wahlkampfkampagnen der Gegner Allendes. Zum Vergleich: Bei den Präsidentschaftswahlen 1970 flossen 1,5 Millionen Dollar von der CIA an konservative Parteien, gleichzeitig jedoch nur 150.000$ vom KGB an die Unidad Popular. Des Weiteren besteht bis heute der Verdacht, dass die CIA aktiv am Putsch teilgenommen hat.
Die Folgen des Putsches waren dramatisch: Tausende Menschen wurden umgebracht oder in Internierungslager gesperrt. Nur wenige Anhänger der Sozialisten konnten sich ins Ausland retten.

Reaktion in Deutschland
Überall in Deutschland kam es zu heftigen Protesten und Demonstrationen. Die Empörung über den Putsch, sowie den damit verbundenen amerikanischen Imperialismus und die Verfolgung der Anhänger der Unidad Popular waren überall auf der Welt groß. Bemerkungen des damaligen Generalsekretärs der CDU, „im Stadion von Santiago habe sich keiner der Häftlinge bei ihm beschwert und das Leben sei dort bei sonnigem Wetter recht angenehm“, trugen auch in Deutschland zu einem angespannten Klima bei. Sozialisten auf der ganzen Welt sahen sich in ihrer These bestätigt, dass der Sozialismus nicht durch Reformen, sondern nur durch eine bewaffnete Revolution entstehen kann.

09/11
Die Geschichte Chiles und der Putsch Pinochets dürfen nicht in Vergessenheit geraten. Der 11. September sollte als Mahnung und Lehre auch heute noch wachgehalten werden: Denn weder Faschismus, noch Konterrevolution oder Basisdemokratie sind Begriffe die an Aktualität verloren haben, im Gegenteil.

*Salvador Allende
Salvador Allende Gossens wurde im Jahr 1908 in Valparaiso, im Süden Chiles, geboren. Sein politisches Engagement hatte er laut eigener Aussage von seinem Großvater, der „ein enthusiastischer Anhänger der damals noch jungen radikalen Partei war, die er im Senat vertrat“. Auch das Umfeld Salvador Allendes übte Einfluss auf ihn aus, so übernahm er seine ersten marxistischen Ideen von einem Nachbarn, der „während der Arbeit die Flugschriften der Marxisten zitierte“. 1926, im Alter von 18 Jahren, begann Allende ein Medizinstudium in Santiago, der Hauptstadt Chiles. Er begann an Studentenprotesten und Demonstrationen teilzunehmen und kam dabei zweimal vor Gericht. Im Jahr 1932 war Allende Mitbegründer der „von Anfang an sich zu einem radikalen Marxismus bekennenden, links der Kommunisten stehenden Sozialistischen Partei Chiles“. 1970 trat Salvador Allende zum vierten Mal als Präsidentschaftskandidat an und gewann schließlich die Wahl.

*Unidad Popular
Die Unidad Popular entstand 1967 durch den Zusammenschluss der Kommunistischen Partei, der Sozialistischen Partei und weniger kleiner linksorientierter Parteien. Die UP verschrieb sich dem Marxismus und wollte den Sozialismus auf friedlichem Wege in Chile einführen. Dies führte immer wieder zu Spannungen mit Anhängern der Kubanischen Revolution. Diese Folgten der leninistischen Devise, dass nur ein bewaffneter, revolutionärer Aufstand zur Überwindung des Kapitalismus führen würde.

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