Spaniens großer Schritt in Richtung Diktatur

Krise der EU Vor etwas mehr als einem Jahr berichteten wir

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über das drohende Film- und Vermummungsverbot bei Demonstrationen in Spanien. Schon damals fühlten sich viele spanische Bürger an Francos Zeiten erinnert, doch nun wird es deutlich dramatischer. Spaniens konservative Regierung will mit dem “Gesetz zur öffentlichen Ordnung” Aufrufe zu Demonstrationen verbieten.

Wer in Zukunft ohne Genehmigung zu Demonstrationen aufruft, hat laut diesem Gesetz einen “Anschlag auf die öffentliche Ordnung” verübt. Dann drohen s0gar Geldstrafen, wie von 1.000-600.000 Euro variieren können. Hohe Geldstrafen werden vor allem dann verhängt, wenn Demonstrationen vor dem Parlament, dem Senat oder einem der Regionalparlamente stattfinden sollen. Aber auch bei angemeldeten und erlaubten Demonstrationen können den Organisatoren Geldstrafen von bis zu 600.000 Euro drohen. Dies ist dann der Fall, wenn ein Protestmarsch eskaliert, und es zu Straßenschlachten zwischen den Demonstranten sowie den Sicherheitskräften kommt. Problematisch wird es, wenn die Polizei selbst der Agressor agiert und diese Eskalation auslöst – dann soll der Demo-Organisator haften?

Hohe Bußgelder gibt es ebenfalls, wenn man die Polizei bei der “Arbeit” filmt oder fotografiert und dieses Material mit entsprechendem Begleittext in Umlauf bringt. Generell lautet das neue Credo offenbar: “Kooperierst du nicht mit der Polizei, zahlst Du.”

Die Glorifizierung der Bestrafung

„Nicht mehr, sondern besser bestrafen“, so kommentiert das spanische Innenministerium das “Gesetz zur öffentlichen Ordnung”. Dies ist eine sehr interessante Ansicht einer partizipativen Demokratie. Ein demokratisches Land lebt davon, dass die Bürger ihre Stimme erheben können, wenn ihnen gewisse politische Handhabungen nicht passen. Die Bürger sollten ihren Unmut artikulieren, Journalisten sollten darüber berichten und letztlich sollte dann im Parlament über die Themen diskutiert werden. Mit dem neuen Gesetz wird dieser Prozess der Meinungsäußerung und Kritik vollständig ausgehebelt. Wer sich für sein gutes Recht auf freie Meinungsäußerung berufen will, kann dieses Recht auf spanischen Straßen dann nicht mehr ausleben. Der Staat verpasst seinen Bürgern einen Maulkorb und glorifiziert die Bestrafung obendrein. Es wird von “besser bestrafen” geredet, diese platte Rhetorik lässt schnell erahnen, was die Regierung wirklich im Schild führt. Die Regierung will ein unmündiges, ängstliches Volk, das gehörig und still in seinen Häusern verharrt.

Armut mit Geldstrafen beseitigen

Damit nicht genug. Das Gesetz zur öffentlichen Ordnung hat es in sich. Wer in Zukunft auf der Straße schläft, Parkbänke für etwas anderes benutzt als zum Sitzen oder sich mit Straßenmusik etwas Kleingeld in der Krise verdienen möchte, wird künftig mit Bußgelder von bis zu 750 Euro rechnen müssen. Das weitaus schlimmere ist, dass sich hier das Opfer nicht wehren kann. Bei einer Beschwerde, kann diese als Beleidigung oder Bedrohung des Polizisten gewertet werden. Eine Geldstrafe von 30.000 Euro droht.

Rainer Wanlder, Autor bei der taz, beschreibt den Zustand Spaniens in einem Kommentar sehr treffend: “Alles wird plattgemacht: der Sozialstaat, die erkämpften Rechte auf dem Arbeitsmarkt, Bildung, Gesundheit. Doch solange die makroökonomischen Zahlen stimmen, ist Brüssel zufrieden, allen voran Kanzlerin Angela Merkel und ihr Finanzminister Wolfgang Schäuble. Spanien sei aus dem Gröbsten heraus, heißt es in den letzten Tagen immer öfter. Es gehe aufwärts mit Europa und dem Euro.”
Demokratie war gestern

Während das Kapital der Reichen verteidigt wird, verarmen immer mehr Menschen, die vor wenigen Jahren noch dem Mittelstand angehörten. Die krassen Kürzungen im Arbeits- und Bildungssektor verhindern eine Erholung der Wirtschaft. Spanien zählt mittlerweile über sechs Millionen Arbeitslose, zehntausend Wohnungen werden pro Monat zwangsgeräumt. Nun wird der spanischen Bevölkerung das Gesetz mit dem zynischen Beinamen “zur öffentlichen Ordnung” auferlegt, sodass gegen diese verfassungswiedrigen Gesetze nicht einmal mehr aufgeleht werden kann. Ja, sogar Obdachlose werden kriminalisiert, wenn sie im Winter auf einer Parkbank frieren.

Es wird deutlich. Von Humanismus und Demokratie ist in Spanien nicht mehr viel übrig belieben. Wir müssen für Spanien auf die Straßen gehen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Demonstrationsverbote auch in anderen Krisenländern durchgesetzt werden – wir müssen handeln. Jetzt. Auf die EU ist kein verlass – wie man auch am Fall Ungarn erkennen kann.

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