WDR setzt Beitrag über NSU-Ausschuss ab

Zensur Am Mittwoch, den 28.11.12 , sollte auf WDR 5 ( Sendung “ Neugier genügt ” ) eine Reportage über den NSU-Ausschuss ausgestrahlt werden.

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Warum setzte WDR 5 einen Beitrag über den NSU-Ausschuss ab und warum wurde die Reportage bis heute nicht gesendet ?

"Der Beitrag ( “Zehn Morde und ihr parlamentarisches Nachspiel” ) wurde kurz vor der Sendung vom Redaktionsleiter, gegen den ausdrücklichen Willen des verantwortlichen Redakteurs, aus dem Programm genommen. Hintergrund der Reportage: In dem Beitrag ging es inhaltlich um die Aktenzurückhaltung durch den MAD, um die Vernehmung des hessischen Verfassungsschützers Temme, der beim Mord in Kassel vor Ort war, um den baden-württembergischen ex-Verfassungsschützer Stengel, der 2003 einen Bericht, in dem Mundlos und NSU auftauchten, im Amt vernichten sollte und um seinen Chef, den Ex-LfV-Präsidenten von Baden-Würtemberg, Schmalzl. Das Stück war angenommen, von dem verantwortlichen Redakteur betreut, abgenommen und produziert gewesen. Am Dienstag vor der Ausstrahlung stand es als Vorankündigung sogar noch im Netz. Doch am Mittwoch Vormittag veranlasste der Redaktionsleiter die Absetzung."

via Lutz Bucklitsch

Befragt nach den Gründen für die Absetzung des Beitrags antwortete die WDR Redaktion am 17.12.12 :

"Die Begründung: Wir haben festgestellt, dass die Originaltöne und die Ereignisse, die uns die Arbeit des Ausschusses näher bringen sollten, sämtlich aus Mitte September stammten, Ereignisse, die durch Fernsehnachrichten und Berichte aller Medien ganz gut bekannt waren. Wir hätten den Eindruck erweckt, ein altes, liegen gebliebenes Stück zu senden. Allerdings hat sich der Autor bemüht, anhand jener Ereignisse Grundsätzliches in der Zusammenarbeit der Mitglieder des Ausschusses und daran grundlegende Probleme zu schildern. Leider dominierte aber das Alter der Belege den Beitrag. So werden wir den Beitrag später, aktualisiert, nachholen."

Fünf Monate nach Absetzung des Beitrags antwortete WDR 5 am 29.4.13 auf die Frage, ob er mittlerweile wiederholt wurde:

"Der besagte Beitrag ist noch in Arbeit, es hakt aber aus Gründen, die mit dem Thema selber nichts zu tun haben. Inzwischen sind wir aber auf das Thema prominent in unserem Vormittagsprogramm eingegangen. Wir ignorieren es keinesfalls."

Eine weitere Anfrage wurde am 7.5.13 vom WDR folgendermaßen beantwortet:

" Der ursprüngliche Beitrag wurde, wie gesagt, von mir gestoppt, weil die darin enthaltenden O-Töne, auch für Außenstehende gut erkennbar, völlig veraltet waren (drei Monate). Der jetzige Beitrag verzögert sich, weil es Konflikte des Autors mit der Bundestagsverwaltung gab. Wann der Beitrag nun kommt, ist noch offen."

Der Beitrag ist noch in Arbeit. Es hakt. Aus welchen Gründen ? Mit Verlaub, die Erklärungen des WDR (alte O-Töne, Gründe die nichts mit dem Thema zu tun haben) wirken vor dem Hintergrund der Absetzung eines Beitrags, der möglicherweise brisante Fakten zum NSU-Komplex beinhaltet, wenig überzeugend. Die O-Töne stammten übrigens aus der Zeit zwischen Mitte September und Mitte Oktober. Zur Erinnerung: der Beitrag sollte Ende November gesendet werden. Dies entspricht nicht nur in keinster Weise der Charakterisierung "völlig veraltet", sondern impliziert auch eine völlig neue Bewertung journalistischer Standarts im Kontext von Dokumentationen: zu alte O-Töne. Ob der Kölner Journalist Ahmet Senyurt Urheber der Reportage ist, wie ein Kommentator dieses Artikels schreibt, kann derzeit nicht verifiziert werden. Einen Konflikt mit der Verwaltung des Deutschen Bundestages beschreibt in diesem Zusammenhang auch der Investigativjournalist Thomas Moser:

" Unser Kollege Thomas Moser begleitet den NSU-Untersuchungsausschuss seit Beginn und dürfte zu den ganz wenigen Journalisten gehören, die darüber so regelmäßig wie akribisch berichten. Und dafür hat er in Kontext den Platz, den er braucht, so auch für seinen neuesten Bericht "Dauer-Sabotage" . Schließlich geht es um zehn Morde und die mögliche Verstrickung staatlicher Stellen, und es geht um Aufklärung und ihre Behinderung durch die Behörden. Moser, der auch für den WDR arbeitet, hat immer wieder erlebt, wie Zeugen in nicht öffentlichen Sitzungen vernommen und Fotografierverbote ausgesprochen werden – und wie die Presse kontrolliert wird. Er hat es selbst am 6. März erfahren, als er ein Interview mit dem Leiter des für den NSU-Ausschuss zuständigen Sekretariats, Harald Georgii, geführt hat. Weil ihm die Fragen nicht gefallen haben, verlangte Georgii die Löschung einzelner Passagen beziehungsweise die Vorlage der O-Töne, was Moser ablehnte. Danach zog ihm der Sekretariatsleiter das Mikrofon aus dem Aufnahmegerät. Am 11. März hat der Kontext-Autor Post vom Deutschen Bundestag bekommen, in der ihm die Pressestelle mitteilt, dass sie diese Angelegenheit "nach dem unerfreulichen Verlauf" des Gesprächs "nicht auf sich beruhen lassen kann". Dasselbe gilt für Kontext. Wir werden den Eingriff in die Pressefreiheit mit den Journalistenverbänden klären." Kontext 13.03.2013

Befragt nach den oben beschriebenen Vorgängen antwortete Christian Ströbele, Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKG) des Deutschen Bundestages zur Kontrolle der Geheimdienste:

" Davon, daß Beiträge von Journalisten mit Berichten zum NSU-Komplex nicht gesendet oder solche nicht gedruckt wurden, habe ich hin und wieder gehört. Den konkreten Inhalt der Beiträge kenne ich nicht. Näheres über die Gründe weiß ich auch nicht."

Der Hinweis auf eine Mitarbeiterin des Verfassungsschutzes mit dem Decknamen "Krokus", die ihren Vorgesetzten bereits 2007 über eine mögliche Beteiligung von Neonazis an dem Mordanschlag von Heilbronn berichtete, kursiert bislang lediglich in einigen Internetforen. Die Existenz von "Krokus" ist hingegen gesichert, da der Untersuchungsausschuss des Bundestages am 25.4.2013 um Amtshilfe und Informationen über "Krokus" bat:

" Der 2. Untersuchungsausschuss hat in seiner Sitzung am 25. April 2013 beschlossen: Beweisbeschluss BW-16. Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag (BT-Drs. 17/8453) durch Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel zu allen Aufträgen und Quellenmeldungen der V-Person „KROKUS“ des Landesamtes für Verfassungsschutz Baden-Württemberg im Wege des Ersuchens um Amtshilfe gemäß § 18 Abs. 4 PUAG i.V.m. Art. 44 Abs. 3GG über die Staatskanzlei des Landes Baden-Württemberg bei der zuständigen obersten Landesbehörde. Sebastian Edathy MdB."

Fakt ist, der Mord von Heilbronn und die Rolle des Ku Klux Klan lassen viele Fragen offen wie auch Clemens Binninger, Obmann der CDU/CSU-Bundestagsfraktion im NSU–Untersuchungsausschuss des Bundestages, feststellt:

„Heilbronn ist in vieler Weise unerklärlich, es passt nicht in die Serie der anderen neun Morde, an den ausländischen Mitbürgern, es wurden andere Tatwaffen eingesetzt, natürlich auch um den Zusammenhang erst gar nicht erkennen zu lassen. Heilbronn hat nach wie vor viele offene Fragen.“

Mehr Informationen zum Verfassungsschützer Stengel hat Thomas Moser zusammen getragen:

" Vor dem Untersuchungsausschuss in Berlin sagte Günter Stengel, 2003 von einem Informanten Hinweise auf eine Terrorgruppe in Ostdeutschland namens NSU bekommen zu haben. Die Gruppe, so der frühere Beamte des Landesamts für Verfassungsschutz (LfV) Baden-Württemberg, habe Kontakte nach Heilbronn besessen, ein Mitglied habe Mundlos geheißen. Doch dann tat sich beim LfV in Stuttgart Seltsames: Verfassungsschützer Stengel musste seinen Bericht vernichten, Begründung: Eine Gruppe namens NSU sei nicht bekannt."Kontext Wochenzeitung/Thomas Moser

Wie ein ehemaliger Mitarbeiter des LfV Baden Württemberg 2003 einen Bericht, in dem der Name Mundlos und eine rechte Terrorgruppe namens NSU Erwähnung fand, vernichten musste und für die Übersendung dieser Informationen an das Bundesamt für Verfassungsschutz vom LfV gerügt wurde:

" Der Heilbronner Polizistenmord wirft immer neue Fragen auf. Und sie zielen mitten in den baden-württembergischen Verfassungsschutz (LfV). Ein Exgeheimdienstler hat jetzt vor dem Berliner Untersuchungsausschuss ausgesagt, dass er den Sicherheitsapparat bereits 2003 über die NSU-Terrorgruppe informiert habe. Ermittelt wurde – gegen ihn. Und was sagt der frühere LfV-Chef und heutige Regierungspräsident Johannes Schmalzl? Er könne sich an nichts erinnern. Der Zeuge ist als Günter S. angekündigt. So abgekürzt steht der Name auch auf dem Schild vor dem Stuhl im Saal 4900, wo er am Abend des 13. September Platz nimmt. Einen ganzen Tag lang schon läuft die Sitzung, in deren Mittelpunkt der Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter und der Mordversuch an ihrem Kollegen Martin A. in Heilbronn am 25. April 2007 steht. Bis spät in die Nacht werden vier Zeugen angehört: der Leiter der polizeilichen Sonderkommission, der zuständige Staatsanwalt aus Heilbronn, ein früherer LfV-Präsident und der frühere LfV-Mitarbeiter Günter S. Doch der will sich gar nicht verstecken. Er heiße Stengel, sagt er, den Namen dürfe jeder wissen. Der Mann ist 60 Jahre alt, wirkt aufrichtig und passt nicht zum kalten Schlapphut-Image. Was er dann berichtet, lässt Abgeordnete und Zuhörer aufhorchen. Das Trio Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe tauchte im Jahr 1998 unter. Die Mordserie der NSU-Gruppe wurde zwischen dem 9. September 2000 und jenem 25. April 2007 verübt. Im Sommer 2003, berichtet Günter Stengel, wandte sich der evangelische Pfarrer von Flein an das Innenministerium in Stuttgart, weil ein Mann ihn aufgesucht und gebeten hatte, Kontakt zu den Sicherheitsbehörden herzustellen. Er wolle etwas über rechtsradikale Umtriebe mitteilen. Das Innenministerium setzte sich mit dem Verfassungsschutz in Verbindung, und der schickte seinen Mitarbeiter Stengel los. An einem heißen Augusttag 2003 fuhr er nach Flein und traf in den Räumen der evangelischen Gemeinde mit dem Mann zusammen. Der nannte sich zunächst "Stauffenberg", Stengel kennt aber seinen wirklichen Namen. Stauffenberg soll fünf Jahre im Gefängnis gesessen haben, wegen eines Bankraubs, den er aber gar nicht begangen haben will. Jedenfalls kam er im Knast mit Leuten aus der rechtsextremen Szene Ostdeutschlands in Kontakt. Der hielt über die Haftzeit hinaus. Er besuchte sie in Sachsen und Thüringen, sie ihn in Heilbronn. Informant Stauffenberg, so der Zeuge weiter, nannte ihm fünf Personen. Einer hieß Mundlos. Den habe er sich merken können, weil er damals witzelte: das passe ja zu seiner Tätigkeit als Geheimdienstler. Die vier anderen Namen habe er notiert, wisse sie aber nicht mehr. Schließlich habe der Informant noch eine rechtsterroristische Vereinigung namens NSU genannt. Er habe nachgefragt, ob er richtig gehört habe, denn NSU steht für Neckarsulm, das wisse jeder in Baden-Württemberg. Der Informant habe den Namen bekräftigt und erklärt, das sei eine Organisation wie einmal die RAF auf der linken Seite. Das Gespräch dauerte vier Stunden. Verfassungsschützer Stengel fuhr zurück in sein Büro und fertigte einen Bericht. Doch dann forderten seine Vorgesetzten ihn auf, diesen Bericht zu vernichten. Begründung: eine Organisation namens NSU gebe es nicht, das LfV würde nur bekannte Organisationen beobachten. Und Einzelpersonen würden auch nicht beobachtet. Er sollte lediglich einen Vermerk schreiben, dass das Gespräch mit dem Informanten stattgefunden habe, aber ohne konkreten Inhalt. Es dürfe von den Namen nichts übrig bleiben, sei er angewiesen worden. Mundlos und NSU habe er sich aber aus den genannten Gründen merken können.

"Wer sagte Ihnen, das muss wieder vernichtet werden?", will Clemens Binninger, Obmann der CDU im Ausschuss, wissen. Stengel: "Darf ich nicht sagen. Dafür habe ich keine Aussagegenehmigung." Binninger: "Waren es Funktionsinhaber im LfV?" Stengel: "Ja." Der Ausschuss will jetzt die LfV-Verantwortlichen vorladen.

Die Sache mit dem Informanten Stauffenberg schien erledigt. Doch im Jahr 2005, so Stengel weiter, habe er einen Anruf von einem Verfassungsschutzkollegen des Bundesamts bekommen. Der habe nach Stauffenberg und dessen Informationen gefragt. Er, Stengel, habe sie daraufhin nach Köln geschickt. "Das war ein großer Fehler", weiß er heute: "Ich wusste nicht, dass das BfV das nicht wissen durfte." Er bekam im LfV eine offizielle Rüge. Das bedeutete Beförderungsstopp, den Anfang vom Ende seiner Karriere. Zwei Jahre später wurde er, 55 Jahre alt, wegen "Dienstunfähigkeit" in den Ruhestand versetzt. Dann kam der 4. November 2011 mit dem Tod von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, der Aufdeckung der NSU-Gruppe und des Zusammenhangs der zehn Morde von Nürnberg bis Heilbronn. Stengel erinnerte sich an die Aussagen seines LfV-Informanten von 2003, in denen eben Mundlos und der Begriff NSU auftauchten. Er wandte sich nun an das BKA und wollte das mitteilen. Stattdessen bekam er Besuch vom Landeskriminalamt. Dass er das BKA kontaktierte, wertete sein ehemaliger Dienstherr, das LfV, als potenziellen Geheimnisverrat. Gegen ihn wurde nun ermittelt. "Ich habe gedacht, jetzt müssen alle Demokraten zusammen das aufklären, aber ..." Er beendet den Satz nicht.

Es ist inzwischen spät geworden im Abgeordnetenhaus, doch die Ausschusssitzung ist noch lange nicht zu Ende. Um 22 Uhr 30 nimmt der Stuttgarter Regierungspräsident Johannes Schmalzl vor den Abgeordneten Platz. Er ist als Zeuge geladen, weil er von 2005 bis 2007 Präsident des Landesverfassungsschutzes war, der Chef von Günter Stengel. Ob er sich an Gespräche mit Herrn Stengel erinnere, wird er gefragt. Ja, antwortet Schmalzl, er habe ihm die Ruhestandsurkunde persönlich überreicht. Ob er wusste, dass dem LfV durch seinen Mitarbeiter Stengel im Jahre 2003 unter anderem die Namen Mundlos und NSU bekannt geworden seien. Nein, er habe nichts Derartiges erfahren. Er könne es auch nicht glauben. "Herr Stengel war doch im Jahre 2005 bei Ihnen", wird dem Ex-LfV-Chef von einem Ausschussmitglied vorgehalten, "weil er eine scharfe Verwarnung bekam, nachdem er diese Informationen ans BfV weitergegeben hatte." Er könne sich an ein solches Gespräch nicht erinnern, entgegnet Schmalzl unbewegt. Informant Stauffenberg ist inzwischen von der Polizei neu vernommen worden. Doch zum Thema Rechtsextremismus soll er da nichts ausgesagt haben. Auch über Mundlos und NSU nichts. Das erklärt Axel Mögelin. Er ist der Leiter der Sonderkommission Parkplatz beim LKA Baden-Württemberg, das den Mord in Heilbronn aufklären soll, und der erste Zeuge, der an diesem Tag vom Ausschuss befragt wird. Stengel kommt später. Es steht Aussage gegen Aussage, Informant gegen Verfassungsschützer. "Wem glauben Sie mehr", will ein Obmann wissen, "der Quelle oder einem ehemaligen LfV-Mitarbeiter?" "Ich halte mich an die Fakten", antwortet Axel Mögelin. Außerdem gebe es im Amt ja auch keine entsprechenden Informationen. Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe hat angewiesen, der Spur nicht weiter nachzugehen." Kontext Wochenzeitung/Thomas Moser 30.4.2013 "

Eine "institutionalisierte Zusammenarbeit" zwischen Rechtsextremisten aus Sachsen sowie Thüringen und Baden-Württemberg sei ihr nicht bekannt, sagte Bettina Neumann am Donnerstag, 18. April 2013, zum Auftakt der Zeugenvernehmungen vor dem Untersuchungsausschuss unter Vorsitz vom Sebastian Edathy (SPD), der Fehlgriffe und Pannen bei den Ermittlungen zu der dem "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU) angelasteten Mordserie durchleuchten soll. Neumann war von 1993 bis 2011 beim Stuttgarter Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) als Referatsleiterin für die Auswertung von Informationen zum Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus zuständig. Die 51-Jährige erklärte zudem, keine Erkenntnisse zu einst vorliegenden Hinweisen zu haben, dass mehr als zwei südwestdeutsche Polizisten, die zu Beginn des vergangenen Jahrzehnts kurzzeitig beim Ku-Klux-Klan aktiv waren, im Umfeld des deutschen Ablegers des US-Geheimbunds angesiedelt gewesen sein könnten. (...)

Neumann sagte, bei den drei auf der "Garagenliste" vermerkten Ludwigsburger Personen, die ihr in ihrer Zeit beim LfV unbekannt gewesen seien, habe es sich um "unauffällige" Anhänger der rechtsextremen Szene gehandelt. Dass sich etwa Jan W. und Thomas S., zentrale Figuren der ostdeutschen rechtsextremen Szene, häufig im Südwesten aufhielten, habe sie "erst jetzt erfahren". Zu den von einem ehemaligen Mitarbeiter des Stuttgarter Geheimdiensts vor dem Untersuchungsausschuss gemachten Angaben, 2003 habe ein Pfarrer in einem Gespräch die Begriffe "NSU" und "Mundlos" fallen lassen, meinte die Zeugin, diese Information sei bei ihr damals "nicht angekommen", da sei sie "hundertprozentig sicher".

Für Dr. Eva Högl ist es "unbegreiflich", dass Polizisten Mitglied beim Ku-Klux-Klan waren, das sei ein "ungeheuerlicher Vorgang". Allerdings könne man nach den polizeilichen Ermittlungen eine Verbindung zwischen dem Geheimbund und der Erschießung Kiesewetters ausschließen, so die SPD-Sprecherin. Die betreffenden zwei Polizisten taten 2007 wie die ermordete Beamtin in Heilbronn im Dienst, was in den Medien entsprechende Spekulationen ausgelöst hatte. Wieland konfrontierte Neumann mit Hinweisen, die teils von einer "Quelle" stammen würden, wonach es in Stuttgart einst bis zu 20 Polizisten mit einem rechtsextremen Weltbild gegeben haben soll und wonach sich mehr als zwei Beamte für den Ku-Klux-Klan interessiert hätten. Die Zeugin sagte, nach ihrer Kenntnis sei die Aktivität der beiden bei dem Geheimbund aktiven Polizisten der einzige Fall von rechtsextremen Kontakten aus den Reihen der Polizei – aber vielleicht habe sie bei der Vorbereitung auf ihre Befragung im Ausschuss "die falschen Akten gelesen"." Deutscher Bundestag 18.04.2013

" Im Neonazi-Untersuchungsausschuss des Bundestages hagelte es massive Kritik: «Baden-Württemberg ist noch mit der weißeste Fleck auf der Landkarte der Untersuchungen» war in Berlin zu hören. Und: «Die Behörden in Baden-Württemberg hatten die Gefahr durch den Rechtsextremismus gründlich unterschätzt.» Von solchen Vorwürfen haben die Sicherheitsbehörden im Südwesten die Nase voll. Vor den zehn Morden, die dem «Nationalsozialistischen Untergrund» (NSU) vorgeworfen werden, hätten viele Stellen die konkrete Gewaltbereitschaft Rechtsextremer unterschätzt, heißt es in Sicherheitskreisen in Stuttgart. Auch um weitere Schmähungen zu verhindern, hat Baden-Württembergs Innenminister Reinhold Gall (SPD) auf Empfehlung des Landeskriminalamts (LKA) die Ermittlungsgruppe «Umfeld» gegründet. Sie will sich auf Grundlage von Akten aus dem Ermittlungsverfahren gegen die einzige Überlebende des NSU, Beate Zschäpe, ein Bild über wichtige Personen aus dem rechtsextremen Spektrum machen. Zudem will sie klären, wie eng die Verbindungen des mutmaßlich mörderischen Trios nach Baden-Württemberg waren.(...) Warum die aus Thüringen stammende Polizistin Michele Kiesewetter 2007 in Heilbronn sterben musste - dafür gibt es kein Motiv: Die Bluttat fällt aus dem Raster, vergleicht man sie mit den Morden an den neun anderen mutmaßlichen Opfern der Terrorzelle, türkisch- und griechischstämmige Kleinunternehmer. Die Frage nach dem «Warum?» kann möglicherweise nur Zschäpe beantworten. Doch sie will weiter schweigen. Mit Akribie wollen die Baden-Württemberger die 120 Akten des Bundeskriminalamts durchgehen. «Wir wollen uns keine Vorwürfe machen lassen, nicht alles versucht zu haben», sagt LKA-Chef Dieter Schneider. Er spricht von einigen «Ankerpunkten», die sich für die Ermittlungsgruppe ergäben. Darunter seien rund 100 Kontaktpersonen mit Bezügen zu Baden-Württemberg. «Man darf nicht vergessen, dass die Hinweise auf die Kontakte aus den 90er Jahren stammen. Wir müssen also die Personen erst noch identifizieren, um sie vernehmen zu können und nach ihrer Rolle zu befragen», sagt Schneider.Oberste Priorität haben Kontakte von Rechtsextremen aus Sachsen und Thüringen zur damaligen rechten Szene in Ludwigsburg. «Dort kam es zu gegenseitigen Besuchen zwischen 1993 und 2000 im kleinen, nichtöffentlichen Bereich», sagte Schneider. Ein Chemnitzer, der Verwandte in Heilbronn gehabt haben soll, vermittelte nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa mutmaßlich Kontakte des Trios nach Ludwigsburg. Der NSU hatte zudem Verbindungen zur rechtsextremen Szene im Rems-Murr-Kreis und in Schwäbisch Hall.Hinweise mit Bezug auf die Ludwigsburger Szene konnten in den Akten des Landesamtes für Verfassungsschutz bis heute nicht gefunden werden. «Es ist überraschend, wie wenig die zuständigen Verfassungsschützer und der Staatsschutz über die rechte Szene in Baden-Württemberg wussten», sagt der Obmann der Union im NSU-Ausschuss des Bundestags, Clemens Binninger. «Sie hatten an wichtigen Orten keine Zugänge in die Szene und dadurch keine Erkenntnisse. Sie haben es aber auch hingenommen, dort keine Zugänge zu haben.» Der frühere Verfassungsschutzpräsident Baden-Württembergs, Helmut Rannacher, hat in dem Ausschuss jüngst schwere Versäumnisse eingeräumt. Rannacher hatte das Amt von 1995 bis 2005 geführt.Ende 2011 soll Zschäpe mit einem Handy eine Stuttgarter Mobilnummer angerufen haben. Mit wem und warum sie telefonierte, ist unklar. Im Juni 2003 wurde NSU-Mitglied Uwe Böhnhardt in Stuttgart fotografiert. Dies passt zu den Erkenntnissen des BKA, wonach Böhnhardt und der Dritte im Bunde, Uwe Mundlos, im Juni 2003 unter Alias-Namen auf einem Campingplatz am Cannstatter Wasen einen Platz gemietet hatten. Die Ermittler gehen außerdem davon aus, dass Anschlagziele in Stuttgart ausgekundschaftet wurden, weil im Brandschutt der Wohnung des Trios in Zwickau Stadtpläne der baden-württembergischen Landeshauptstadt entdeckt worden waren.Dank eigener Recherchen identifizierte das «Umfeld»-Team erstmals seit Bekanntwerden von Kontakten zweier Polizisten zum Ku-Klux-Klan (KKK) neue Aktivitäten des rassistischen Geheimbundes. Erkenntnisse über den deutschen Ableger des Klans stammen aus der Befragung eines Mannes mit dem Pseudonym Didi White, der sich als Deutschland- und Europachef des Bundes bezeichnet, wie ein LKA-Sprecher mitteilte. Seine Angaben, wonach der Klan aus deutlich weniger als zehn Personen besteht, konnten bislang aber nicht verifiziert werden. Die KKK-Mitgliedschaft der beiden Polizisten vor rund zehn Jahren war im Sommer aufgeflogen. Einer von ihnen war Kiesewetters Gruppenführer." Greenpeace Magazin 9.5.2013

Zeitgeschichte: Staatlich finanzierter Rechtsterrorismus: " Der Verdacht blüht, in Bonn wie in Rom oder in Brüssel: Verbarg sich hinter "Gladio" - die Chiffre prägte sich rasch ein - ein Geheimbund, der nicht nur gegen den äußeren, sondern auch gegen den inneren Feind eingesetzt werden sollte? Eine "Ku-Klux-Klan-Organisation" gegen die Demokratie, wie der SPD-Abgeordnete Hermann Scheer argwöhnt? Waren Parlamente und Regierungen gezielt ausgeschaltet worden? Und wer steckt eigentlich dahinter, wer ist die Spinne im Netz?"Der Spiegel 19.11.1990

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