Blickwinkelverengung: eine Medienkritik

Immer nur "Tatort" Gibt es nur den "Tatort"? Und wo bleibt der Hörfunk? Kurze polemische Bemerkungen zum Stand der Medienkritik.

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Es ist Mode geworden, jede neue „Tatort“-Folge vor- und nachzubesprechen. Selbst sich als links verstehende Blätter wie die „TAZ“ oder der „Freitag“ widmen sich regelmäßig dem sonntäglichen „Tatort“. Vor allem der „Freitag“ tut sich damit hervor, in dem Matthias Dell sehr ausführlich und mit allerlei filmischen Fachtermini und Anglizismen durchsetzte Analysen vornimmt. Die sollen wohl den Eindruck erwecken, hier werde ein edles Produkt ebenso edel besprochen. Da wird etwas zum Kult erkoren, das in aller Regel bestenfalls langweiliges, sich in seinem Ablauf und in den Dialogen wiederholendes langweiliges Mittelmaß ist. Wenn sich mal besonders gute Schauspieler in eine Folge verlieren oder die üblichen Hauptdarsteller mal in anderen, besseren, sprich: anspruchsvolleren Produktionen zu sehen sind, dann ahnt man, was in ihnen steckt, aber im „Tatort“ nicht abgerufen wird und was Fernsehen auch sein kann - wenn es denn darf und will. Die Krönung der medialen Aufmerksamkeit war dann der kürzlich ausgestrahlte erste Tatort mit dem unsäglichen Nicht-Schauspieler Til Schweiger, dem man, um das Ganze komplett zu schrotten, Veronica Ferres an die Seite hätte stellen sollen.

Ärgerlich an dieser Medienkritik bzw. Fernsehbeobachtung ist nicht so sehr, was sie sagt, sondern, was sie ausblendet. Gerade weil das Fernsehprogramm in seiner übergroßen Mehrheit seicht bis schrottig ist, wäre es Aufgabe einer guten Fernsehkritik, auf die wenigen interessanten und guten Beiträge hinzuweisen und sie einer kritischen Würdigung zu unterziehen. Diese Inseln im Meer des Seichten gibt es, oft versteckt: entweder im Allerlei des Tagesprogramms, sehr spät oder in den Spartenkanälen. Das ist bedauerlich und immer wieder zu kritisieren, aber immerhin, gibt es diese Ausnahmen an guten Spielfilmen, Dokumentationen etc. Es sind zu wenige und sie sind meist schlecht platziert, aber es gibt sie und sie hätten Aufmerksamkeit verdient, was ihnen dann künftig möglicherweise mehr Zuschauer schenken würde.

Mit der Fixierung auf den „Tatort“ und der allwöchentlichen Quotennennung spielt diese Fernsehkritik, wenn auch sicher ungewollt, das Spiel der ARD- und ZDF-Hierarchen mit, die sich mit aller Gewalt gegen ein gutes Fernsehen sträuben.

Ein noch tristeres Dasein in der medialen Beobachtung spielt der Hörfunk. Nur wenige Blätter - zum Beispiel die FAZ - drucken täglich Auszüge aus dem öffentlich-rechtlichen Hörfunkprogramm. Und dort finden sich täglich interessante Sendungen: Features, Hörspiele, Dokumentationen, Lesungen. Zwar ist auch der Hörfunk teilweise ein seichtes Meer geworden, der Journalismus im Tagesprogramm auch der anspruchsvolleren Programme vielfach auf Häppchenlänge reduziert worden, aber in den Abendprogrammen findet sich sehr viel, was in scharfem Kontrast zum zeitgleich laufenden Fernsehprogramm steht. Aber darauf weist kaum ein Blatt hin, geschweige, das mal etwas besprochen wird. Ich nenne das ein Versagen der Medienkritik! Mich macht es wütend.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

H.Hesse

"Wenn es nur eine Wahrheit gäbe, könnte man nicht hundert Bilder über dasselbe Thema malen." Pablo Picasso

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