Mein Unbehagen am "Freitag"

Veränderter Freitag? Ich stelle fest, dass ich den "Freitag" nicht mehr so gerne lese. Liegt das an mir oder an der Zeitung? Was wünsche ich mir von meiner Zeitung?

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Seit etwa einem Jahr kenne und lese ich den „Freitag“, habe für ihn mein „Zeit“-Abo gekündigt. In der „Zeit“ habe ich immer weniger Beiträge gelesen. Um so spannender, anregender fand ich die Lektüre des „Freitags“, natürlich auch, weil mir dessen politische Ausrichtung besser gefiel und gefällt. Im „Freitag“ habe ich anfangs gut und gerne mindestens 3/4 der Beiträge gelesen. Von der Ausbeute kann ich bei meiner „Spiegel“- und wieder gelegentlichen „Zeit“-Lektüre nur träumen.

Die Artikel von Tom Strohschneider und vor allem von Jakob Augstein gefielen mir sehr gut. Leider schreibt Augstein viel zu selten in seinem Blatt und als „S.P.O.N.“-Kolumnist auf „Spiegel“-Online oft viel besser und bisweilen auch „radikaler“ als im eigenen Blatt. Auch die Bildstrecken gefielen und gefallen mir.

Mittlerweile hat sich ein Teil meiner Freude und „Freitag“-Begeisterung wieder gelegt. Ich vermag nicht zu sagen, wann genau das begonnen hat, es ist aber schon länger so, das mich beim Durchblättern und beim Lesen ein teils diffuses, teils zu benenndes Unbehagen befällt. Immer mehr mißfällt mir z.B. der „Alltags“-Teil, der ist mir zu oberflächlich. Was soll ein ganzseitiger Artikel über jemanden wie David Hasselhoff, obendrein dann auch noch ein derart unkritischer?! In einer „Alltag“ genannten Rubrik wünsche ich mir Berichte und Reportagen, die die Lebenswirklichkeiten von ganz normalen Menschen abbilden, Hintergrundbeiträge, Berichte „aus dem Inneren des Landes“ und nicht, schon gar nicht in der gehabten Häufung, über irgendwelche Pop-Heinis.Mir ist klar, dass der „Freitag“ nicht die Mittel hat, ständig aufwändig rechcherierte, kostenintensive Reportagen zu ermöglichen, aber dann hätte ich gerne mehr Essays, kritische Interviews.

Vom Kulturteil des Freitag wünsche ich mir, dass z.B. auch mal über klassische Musik berichtet würde, z.B. über eine Aufnahme wie sie kürzlich Hilary Hahn mit Hauschka vorgelegt hat. Der Teil müsste m.E. breiter angelegt sein. Gerade Blätter wie der „Freitag“ oder auch die „Taz“ böte sich da die Möglichkeit, jenseits des nur Eingeweihten verständlichen Codes über etwas wie Klassik zu berichten und ein angenehmes Gegengewicht zum Feuilleton von Zeitungen wie der „Zeit“, „SZ“ oder „FAZ“ zu entwickeln. Das geschieht viel zu selten.

Ganz generell gesagt, wünsche ich mir von einer sich als „links“ verstehenden Zeitung, dass ich in ihr (Hintergrund-)Informationen finde, die andernorts nicht zu entdecken sind. Wünsche ich mir klare, durchaus heterogene, auch das eigene „Lager“ nicht schonende Kommentierungen, informative Gegenpositionen zu dem was Politiker und Parteien täglich von sich geben. Kurz und gut, ich wünsche mir noch mehr Unterschiede zur anderen Presse und nicht nur eine etwas linkere,dünnere Version von „Zeit“ oder „SZ“. Und manchmal würde ich in meinem „Freitag“ mehr gerne etwas „heiligen Zorn“, von dem Georg Schramm spricht und sagt, dass es angesichts der Zustände im Lande viel mehr davon geben müsste, finden. Von dem könnten wir im Lande eine große Portion brauchen!

Oft sind die Kommentare im „Freitag“ (und auch der „Taz“) so zahm und „staatstragend“ formuliert, wie es mich in der „SZ“ schon oft genug anwidert.

Kurz und gut, ich würde gerne wieder mit mehr Freude meinen „Freitag“ aufschlagen. Vielleicht geht es dem einen oder anderen Leser ja ähnlich, dass sich mit der Zeit ein ähnliches Unbehagen bei der wöchentlichen Lektüre etabliert hat, ohne dass es immer exakt zu fassen wäre. Ich habe hier stichpunktartig nur einige Punkte herausgegriffen, die mir wichtig sind. Sind meine Erwartungen falsch, überzogen, wenn ja, warum?

Ein Wort noch zum Online-Relaunch: Hin und wieder habe ich einen Blog-Beitrag und einige Dutzend Kommentare geschrieben. Aber auch das mache ich kaum noch. An die Neugestaltung habe ich mich noch nicht so recht gewöhnen können. Auch fand ich es früher fand ich es viel einfacher, Beiträge meiner „Lieblingsschreiber“ zu entdecken. Mir erschien die alte Anordnung übersichtlicher.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

H.Hesse

"Wenn es nur eine Wahrheit gäbe, könnte man nicht hundert Bilder über dasselbe Thema malen." Pablo Picasso

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