Rösler und andere Darsteller

Glaubwürdigkeit Ich sehe und höre die Nachrichten und bin doch immer wieder angewidert und wütend: auf die Phrasen der Politiker und die Beisshemmung der Journalisten.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

So so, FDP-Rösler mit 85% erneut zum Vorsitzenden gewählt. Ist das wichtig? Anders gefragt, Sagt uns das was und wenn ja, was?

Er habe eine „kämpferische, eine gute Rede“ gehalten, meinten zwei Hörfunk-Journalisten. Meinten sie das, weil Rösler mal laut geworden ist, weil er stimmlich dem Milchbubi-Image entgegentreten wollte?

An den Inhalten kann es nicht gelegen haben, die waren alter Wein in alten Schläuchen: Hohles, pauschales pseudo-heroisches Freiheitsgequatsche, das mit keinem Wort konkret benannte, welche Art Freiheit gemeint ist und sich ansonsten billiger Floskeln bediente.

Es ist immer wieder neu erschreckend und bezeichnend, mit wie wenig sich die meisten Journalisten der Öffentlich-Rechtlichen zufriedengeben. Sie hinterfragen und analysieren nicht, bleiben - wie die Politiker - an der Oberfläche. Sie wirken damit mit an der Inszenierung von Politik mit.

Ihre Oberfläche poliert auch die SPD. An diesem Wochenende versuchen sich die SPD-Granden wie Steinmeier, Gabriel und Nahles an der Rehabilitierung der Agenda 2010, die soeben zehn Jahre alt geworden ist. Ja ja, ein paar Fehler bzw. Fehlentwicklungen räumen sie ein, aber ohne die Agenda... Tausendmal schon gehört und gelesen, richtiger und schöner wird‘s dadurch nicht. Der Wahlkampf macht es nötig, etwas Distanz zur Agenda zu schaffen, damit die Skeptiker auch die SPD wählen, es muss aber nicht ganz anders tönen, damit die Steinbrück-Tollfinder auch ihr Kreuz bei den Sozis machen. Wo bleibt die Glaubwürdigkeit? Mit den Folgen der Agenda-Politik - Lohndumping, zunehmende Verarmung etc. - setzt man sich nicht auseinander bzw. lastet sie den jetzt Regierenden an. Das bis in die Mittelschichten hinein Abstiegsängste da und begründet sind, weil im Fall länger anhaltender Arbeitslosigkeit der Abstieg sehr real werden kann, das ist den Sozis (und den Grünen!) zu verdanken.

Merkwürdig ist in der Tat, dass diese Politik den Grünen offenbar nicht so wie der SPD angelastet wird. Was sagt das über die Wählerschaft der Grünen aus? Göring-Eckard, eine ehemalige Verteidigerin von Hartz 4 und der Agenda-Politik profiliert sich nunmehr als das soziale Aushängeschild der Partei, erklärt aber ihre angebliche Wandlung nicht wirklich. Das neu entdeckte soziale Gewissen sieht mehr nach einem Rollentausch aus. Die sozialpolitische Vorstellungen von SPD und Grünen fallen derart zahm aus, dass man lieber gleich bei der Konkurrenz von der „Linken“ nachsieht.

Und die? Müssen sich mal wieder mit Gysis Stasi-Verdächtigungen herumschlagen. Es ist ja Wahlkampf, da kocht man so etwas gerne wieder auf. Doch davon abgesehen, „Die Linke“ schafft es einfach nicht, die Vertrauenskrise in die Politiker und in die Politik in Stimmen für sich umzumünzen. Liegt es an den Personen, an den Inhalten, an der Darstellung, am geringeren Vorkommen in den Medien? Ist nicht klar, was „die Linie“ der Partei und ihrer Flügel ist? Man kriegt vornehmlich mit, dass die Einen nicht den Anderen das alleinige Repräsentieren der Partei überlassen wollen. Wagenknecht will nicht..., Gysi will nicht, dass.... Usw. Entweder stellen die Medien ein Zerrbild dar oder es geht bei denen auch nicht anders als bei den anderen Parteien zu. Wie dem auch sei, schade ist es, denn eine deutlich vernehmbare, klar konturierte linke Gegenstimme zu dem Konzert der übrigen Parteien wäre dringend nötig. Viele Forderungen der Linken müssten eigentlich der SPD gefallen, aber bei der kann ja nicht sein, was nicht sein darf. Schon gar nicht, wenn es nach Steinbrück geht. Ach SPD!

Angesichts der nur marginalen Unterschiede zwischen SPD und der Union, der Angepasstheit der Grünen dürfte es erneut zu einer großen Schar von Nichtwählern kommen. Die werden ihrerseits vermutlich aus dem Kreis der potentiellen SPD- oder Grün-Wähler stammen, was Frau Merkel diebisch freuen dürfte. Man hat nicht den Eindruck, als gäben sich die Sozis große Mühe, diese Nichtwähler für sich gewinnen zu wollen. Eine an Inhalten und Profilschärfe, Abgrenzung zur Union ausgerichtete Mobilisierungskampagne ist nicht einmal in Ansätzen zu erkennen. Und ob, den eher unwahrscheinlichen Fall eines Wahlsiegs vorausgesetzt, das jetzt vorgestellte Wahlprogramm jemals umgesetzt würde? Zweifel sind berechtigt, denn man erinnere sich an die Klage von Müntefering, der weiland sagte, dass es „unfair“ sei, die SPD nach der Wahl an ihren Wahlversprechen zu messen.

Jetzt blinkt man wieder zaghaft links und hofft, das Publikum möge das als einen glaubhaften Richtungswechsel ansehen und Münteferings Satz vergessen haben. Nimmt man die jetzt vorgestellten Absichten mal für einen Moment für bare Münze hin, dann liegt die Frage nahe, warum die SPD nicht auf eine Verständigung mit der Linkspartei hinarbeitet, die will schließlich Ähnliches, nur schärfer gefasst. Es sagt dann mehr über SPD und Grüne als über die Gysi-Truppe aus, dass sie keine Koalition mit ihr einzugehen gedenken. Lieber geben sie sich Mühe, wie es einer ausdrückte, die Linke „marginalisieren“ zu wollen.

Es ist frustrierend, dieses Polittheater zu betrachten. Nicht minder frustrierend ist es, die tägliche Berichterstattung darüber und die Kommentierung dessen zu erleben. Auch sie bleibt, darin den Politikerstatements ähnelnd, an der Oberfläche. Die Deppendorfs auf den Bildschirmen, die meisten Leitartikler sind so langweilig und vorhersehbar, so zahm gegenüber den Politikern, dass selten ein Neuigkeits- und Erkenntnisgewinn für uns Konsumenten herausspringt. Warum wird ein Rösler nicht gefragt, was genau er unter „Freiheit“ versteht?! Die meisten Journalisten und Kommentatoren bleiben gedanklich und sprachlich auf dem Niveau derer, über die sie berichten. Irgendwann hört und sieht man nicht mehr hin. Da ist es schon mal lehrreicher und spaßiger, die „Tagesschau“ ohne Ton sehen, unsere Staatsschauspieler kommen dabei viel erkennbarer herüber. Nein,lieber lese ich dann lieber eine neugierig machende Buchbesprechung als die meist langweiligen Leitartikel zur Tagespolitik. Das ist meine Auszeit von der Politik, die ich immer wieder brauche.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

H.Hesse

"Wenn es nur eine Wahrheit gäbe, könnte man nicht hundert Bilder über dasselbe Thema malen." Pablo Picasso

Avatar

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden