„Willst Du nicht lieber ein Frauenthema machen?“

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

In der deutschen Medienlandschaft tut sich was: Mit ihrer Initiative „Pro Quote“ fordern bekannte und weniger bekannte Journalistinnen aus allen Sparten und Medien seit Kurzem die Verlage auf, eine verbindliche Frauenquote für ihre Redaktionen einzuführen. In ihrem Offenen Brief, der Ende Februar an Chefredakteure, Intendanten und Verleger ging, heißt es:

„Tätsächlich sind nur zwei Prozent aller Chefredakteure der rund 360 deutschen Tages- und Wochenzeitungen Frauen, von den 12 Intendanten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sind lediglich drei weiblich. Und auch in den Redaktionen der Nachrichtenmagazine stehen fast ausschließlich Männer an der Spitze.

Es ist Zeit, etwas zu ändern.

Wir fordern, dass mindestens 30 Prozent der Führungspositionen in den Redaktionen im Laufe der nächsten fünf Jahre mit Frauen besetzt werden – und zwar auf allen Hierarchiestufen.“

Schon jetzt sind auf der Homepage der Initiative viele spannende Reaktionen nachzulesen. Eine der bisher spannendsten stammt von der freien Journalistin Carolin Wiedemann, die sich durch die Initiative motiviert fühlte, ihre bisherigen Erfahrungen mit Sexismus und Frauenfeindlichkeit in deutschen Redaktionen aufzuschreiben. Ihr Beitrag „Wie der Brief das Schweigen bricht“ ist nicht nur aufschlussreich und einigermaßen erschütternd, er macht vor allem klar, warum so viele Journalistinnen ihren Ärger mit Macho-Chefs, blöden Anmachen und der Reduktion auf „Frauenthemen“ herunterschlucken. Das Schweigen, so Wiedemann, resultiert aus Machtlosigkeit und vor allem aus Angst:

„Warum habe ich nicht gesprochen oder darüber geschrieben, als ich die Fassung wieder gewonnen hatte? Weil ich Angst hatte. Angst davor rauszufallen, nicht mehr mitspielen zu dürfen. Keine mehr von den wenigen oder wenig variationsreichen Rollen mehr ergattern zu können, die den Frauen in den meisten etablierten Redaktionen bleiben. Und auch aus der Angst davor, nicht ernst genommen zu werden, belächelt zu werden, eine hysterische Zicke zu sein, die es einfach nicht drauf hat und andere dafür verantwortlich macht.“

Es bleibt zu hoffen, dass die Initiative nicht nur ihren Teil dazu beiträgt, den Anteil von Journalistinnen in den Redaktionen zu erhöhen und für bestehende Geschlechter-Hierarchien im Journalismus zu sensibilisieren, sondern auch dazu, dass mehr Kolleginnen ihr Schweigen brechen. Dass Frauen – nicht nur im Journalismus – über ihre Erfahrungen mit Sexismus schreiben und sprechen, ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass sich etwas ändert.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Hanning Voigts

journalist – „das unglück muss überall zurückgeschlagen werden“

Avatar

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden