Das nützliche nordkoreanische Schreckgespenst

Nordkorea Der aktuelle Konflikt in Korea ist für die USA ein passender Anlass, ihre strategische Neuorientierung auf Asien umzusetzen und ihre Position im Pazifik zu sichern

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

In dem Zusammenhang mit dem derzeitigen Konflikt um Nordkorea sei auf etwas hingewiesen, das andeutet, was für ein Schauspiel mit mehreren Akteuren derzeit abgeliefert wird: "Die nordkoreanischen Spitzenvertreter sind auf Verteidigung und Abschreckung konzentriert. Die Geheimdienstgemeinschaft ist der Auffassung, dass Pjöngjang seine atomaren Möglichkeiten als ein Mittel zur Erhöhung des internationalen Ansehens und für die Gewaltdiplomatie betrachtet. Wir kennen nicht den Inhalt der atomaren Doktrin Nordkoreas, bewerten jedoch die Wahrscheinlichkeit des Einsatzes von Kernwaffen gegen die Kräfte der USA und deren Verbündeten als niedrig.“ Das hat James Clapper, Direktor der obersten US-Geheimdienstbehörde, laut RIA Novosti am 12. März 2013 vor einem US-Senatsausschuss gesagt. Die Atomprogramme des Iran und Nordkoreas seien unzureichend entwickelt und in erster Linie auf die Erhöhung des Ansehens dieser Länder und die Verstärkung des regionalen Einflusses gerichtet, wird Clapper zitiert. Hier ist sein offizielles Statement als pdf-Datei lesbar.

Das passt zu der Einschätzung von Lutz Herden in einem früheren Beitrag, dass Nordkorea mit seinem Drohschauspiel versucht, eine bessere Verhandlunsposition zu bekommen. Andererseits kommt die Entwicklung der US-Regierung entgegen, denn so bekommt ihr Konzept des "Pazifischen Jahrhunderts" einen richtigen Schub, bei dem auch manches an Waffen nach Asien gebracht wird, was sonst schwer erklärbar wäre. Die Präsenz in der asiatisch-pazifischen Region werde ausgebaut, kündigte US-Präsident Barack Obama Anfang 2012 an. China bleibt im Visier ... Für mich steht die Frage, wem die nordkoreanischen Drohgebärden am meisten nutzen. Mit Blick auf die Geschichte des Konfliktes ist mir nicht ganz klar, wer da wen wann provoziert, um andere, weiterreichende Interessen durchzusetzen.

Die oben erwähnte US-Geheimdienstanalyse zeigt, dass es Gründe gibt, dass gelassener auf die nordkoreanischen Provokationen reagiert werden könnte. Dass das aber nicht geschieht, hat aus meiner Sicht eben damit zu tun, dass die Drohungen aus Pjöngjang als willkommener Anlass genutzt werden zu beweisen, wie richtig die neue strategische Ausrichtung der US-Regierung auf Asien ist, bei der anderes bzw. mehr im Visier ist als nur Nordkorea.

Eine Bestätigung dafür habe ich im Magazin Counterpunch in einem Beitrag des Bloggers Peter Lee („China Matters“) gefunden: Den USA sei klar, dass Nordkorea angesichts der negativen Beispiele des Irak (keine Atomwaffen) und Libyen, das sich den Abrüstungsforderungen beugte und doch mit einem von den USA geförderten Regimewechsel überzogen wurde, nicht auf sein Atomwaffen-Arsenal verzichten werde. Die USA könnten aber Nordkorea als Nuklearmacht u.a. deshalb nicht akzeptieren, weil das die nuklearen Ambitionen Südkoreas und Japans befördere. Das wiederum mache diese Länder unabhängiger von der „Schutzmacht“ USA und würde die strategische Orientierung der Obama-Administration auf Asien in Frage stellen. Deshalb müssten die USA auf die nordkoreanischen Provokationen mit mächtigem „Gebrüll und Posen“ reagieren.

Nordkorea versuche verzweifelt, die Isolation und die chinesische Umklammerung aufzubrechen sowie sich den USA anzunähern, wie es Burma gelang. Die USA seien sich dessen bewusst, wie Wikileaks-Dokumente zeigten. Selbst während des „Schauspiels“ um Nordkoreas Atomwaffen halte sie diplomatische Kontakte u.a. über die nordkoreanische UN-Vertretung. Allerdings sei das nordkoreanische Schreckgespenst nützlich, um die strategische Asien-Orientierung zu begründen. Japan und Südkorea würden außerdem versuchen, eine Annäherung zwischen den USA und Nordkorea zu verhindern.

Die USA bemühen sich, so Lee, Japan und Südkorea als zentrale Elemente bei der Eindämmung Chinas zu stützen. Nordkorea sehe wegen der strategischen Orientierung der USA auf China deshalb nur durch nukleare Drohungen, die aber nicht umgesetzt werden sollen, die Möglichkeit, seine regionale Rolle zu betonen. Lee meint: Erstens versuche Nordkorea den USA zu zeigen, dass China nicht in der Lage ist, Nordkorea zu beeinflussen. Deshalb müsse die US-Regierung direkt mit Pjöngjang verhandeln, um das Problem zu lösen. Zweitens begrüße Nordkorea wahrscheinlich die nuklearen Ambitionen in Südkorea und Japan, ausgelöst durch seine eigene Atomrüstung. Die Krise zwinge in der Folge die US-Regierung, sich Pjöngjang zu nähern, um weitere Atomwaffenmächte in Ostasien zu verhindern. Drittens nutze Nordkorea die Spannungen, um zu rechtfertigen, dass die Bestände an waffenfähigem spaltbarem Material erweitert sowie Sprengköpfe und Raketen weiter entwickelt werden, bevor die USA endlich zu Abrüstungsverhandlungen bereit sind.

Der theoretische Ausweg für die USA aus diesem Dilemma sei es, der VR China entgegenzukommen, damit diese Nordkorea aufgibt und einen Regimewechsel zulässt. Das geschehe aber nicht aufgrund der antichinesischen Haltung der Obama-Administration, der Fixierung auf das „Pazifische Jahrhundert“ und der nicht vorhandenen Bereitschaft, Japan und Süd-Korea zu verraten.

Die USA nutzen das nordkoreanische Verhalten, um mit dem militärischen Aufmarsch die eigene Unverzichtbarkeit für Ostasien zu bestätigen und zu sichern, stellt Lee fest. Das Nordkorea-Problem werde so nicht gelöst, aber die chinesische Feindschaft verschärft.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Hans Springstein

Argumente und Fakten als Beitrag zur Aufklärung (Bild: Eine weißeTaube in Nantes)

Hans Springstein

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden