Merkels Homo-Ehen-Poker

Bürgerrechte Wieder sorgt die Debatte über die Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Paaren für Aufregung in Politik und Gesellschaft

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Angela Merkel mimt erneut den Seehofer und kippt ihre Entscheidung zur “Homo-Ehe”. Horst Seehofer dagegen rät plötzlich zu besonnenem Handeln und die FDP bleibt zur Abwechslung einmal ihrer Linie treu. Endergebnis der Debatte muss die absolute Gleichstellung aller Bürger sein, egal ob schwul, lesbisch, hetero; und das in allen Belangen

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Es wurde schon lange Zeit, dass sich wieder mit dem verdrängtem Thema “Homo-Ehe” befasst wird. Nach dem Atomausstieg, dem Mindestlohn und der Wehrpflicht macht sich die CDU unter Merkel über die Gleichstellung von schwulen und lesbischen Paaren her. Damit reißt sie sich erneut ein Thema von Grünen, SPD und DIE LINKE unter den Nagel. Angela Merkel lies verlauten, der Forderungen nach steuerlicher Gleichstellung der deutschen Schwulen und Lesben entgegenzukommen, ruderte dann aber hektisch zurück. Es herrscht Unentschlossenheit innerhalb der CDU und zwischen ihr und der Schwesterpartei CSU. Und es herrscht Unsicherheit bei SPD, Grünen und LINKE. Die Reaktion auf Merkels Kehrtwende liegen zwischen Hohn und Anerkennung und wahrscheinlich dominiert die Angst um die Wählerstimmen. Sigmar Gabriel und Jürgen Trittin sind sich aber einig: Eine echte Emanzipation von Schwulen und Lesben muss folgen, keine populistische Behelfslösung. Steuerliche Gleichstellung allein genügt nicht, auch im Adoptionsrecht muss Gleichberechtigung herrschen. Barabra Höll (LINKE) wetterte gegen die Union, die müsse bei der Homo-Ehe ihre Steinzeit-Politik aufgeben.

Restlaufzeiten von Frau Reiche kappen

Erst 1994, also 45 Jahren nach der Gründung der Bundesrepublik wurde der Paragraph 175 abgeschafft, der gleichgeschlechtlichen Sex mit schweren Strafen ahndete. Darauf folgte aber nicht die erhoffte Emanzipation oder Gleichstellung von Schwulen und Lesben, sonder nur Freiheit und Gleichheit in “Häppchen”. Diskriminierung bleibt bis heute in der Öffentlichkeit und sogar in der Politik an der Tagesordnung. Bis vor Kurzem wurden Schwule in der Bundeswehr zwangsversetzt und ihnen wurden Offiziersränge vorenthalten. Die eingetragene Lebenspartnerschaft von homosexuellen Paaren hat lange nicht den selben gesetzlichen Stellenwert wie die Ehe. Genauso wenig haben Schwule und Lesben die gleichen Adoptionsrechte und Beamtenrechte. Von Homophobie im täglichen Leben ganz zu schweigen.

Noch im vergangenen Jahr entschieden sich Angela Merkel und ihre Partei klar gegen die Gleichstellung: Mit 60 Prozent der Stimmen sprach sich der CDU-Parteitag gegen eine steuerlich Gleichstellung der Homo-Ehe aus. Die soll jetzt aber doch unter Merkels Regierung umgesetzt werden. Dieser Schwenk der Berliner Fraktionsspitze verärgert nicht nur Teile der Landtagsfraktionen, sondern auch der Bundestagsfraktion – und dürfte wohl auch dem ein oder anderen Stammwähler sauer aufstoßen. Kathrin Reiche, die Staatssekretärin im Bundesumweltministerium sagte in der Bildzeitung, sie würde sich freuen, würde mit der gleichen Leidenschaft, die eine kleine Gruppe gleichgeschlechtlich orientierter Aktivisten an den Tag legt, in der Union dafür gestritten, wie Familien ihren täglichen Drahtseilakt besser bewältigen können. Der LSU Bundesverband, der Lesben- und Schwulenverband der Union kontert auf Twitter:”Frau Reiche ist keine ‘wichtige Konservative’. Daher: Homophobie abschalten! Restlaufzeiten von Frau Reiche kappen!”

Umdenken der CSU ist überfällig

Die FDP ist seit Langem anderer Meinung als die Mehrheit ihres Koalitionspartners CDU. Lange kritisiert die FDP die konservative Haltung der konservativen Parteien CDU/CSU; Nicht zuletzt Außenminister Guido Westerwelle. Nach Merkels Gesinnungswandel stellt sich nun Horst Seehofer quer und mahnt zu besonnenem Handeln: Eine Entscheidung dürfe hier nicht überstürzt getroffen werden. Seehofers politischer Zickzack-Kurs muss nun auch den letzten bayerischen Wähler verwirrt haben. Spielte er in den vergangenen Monaten oft das Fähnchen im politischen Wind, bleibt er diesmal hart auf der programmatischen Linie der CSU. Wahrscheinlich aus Furcht vor Profil- und Wählerverlust. Gleichstellung von homosexuellen Paaren könnte für den bayerischen Wähler dann eben doch zu viel des Guten sein. Das ärgert vor allem die Bayern-FDP. Die mussten eben erst eine Niederlage in der Schlacht um die Studiengebühren hinnehmen und befindet sich nun schon wieder in einem Koalitionskonflikt. Die bayerische FDP-Generalsekretärin Miriam Gruß beschreibt ein Umdenken der CSU als überfällig. Auch der Bundesvorsitzende der Jungen Liberalen, Lasse Becker, wünscht sich Bewegung der CSU in der Thematik und endlich einen Auszug aus dem “gesellschaftspolitischen Mittelalter”.

Aber ganz egal wie sich CDU und CSU einigen, oder wie Grüne, SPD, FDP und LINKE auf die Kehrtwende von Angela Merkel reagieren werden, die Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Paaren dürfte eigentlich schon längst keine Diskussionsfrage mehr sein. Das deutsche Grundgesetz wird oft von den Gegnern der Homo-Ehe zitiert, da es den Schutz der Familie und der Ehe in den Vordergrund stellt. Gerne wird aber Artikel 3. des Grundgesetzes übersehen, nach dem alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind. Gleiches Recht für alle und Freiheit von Diskriminierung, auch wegen des Geschlechts. Das sollte demnach auch für Familienbildung und Ehe gelten. Der Schutz der Familie wird davon nicht beeinflusst, höchstens ihre Definition. Denn es steht weder im Grundgesetz welche Geschlechter Ehepartner haben müssen, noch in welcher Zusammensetzung sie eine Familie bilden. Angela Merkel ist nicht in der Lage tatsächlich Stellung zu beziehen. Sie wird die Entscheidung letztlich doch wieder dem Bundesverfassungsgericht überlassen – kein Verhalten das dem Bundeskanzleramt würdig ist.

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