Der homophobe Russe steht vor der Tür

Homosexualität Die Chronologie der homonationalistischen Propaganda gegen Putin's Russland

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Wenn man die Hysterie zwischen westlichen Homo-Lobbies und Russland verstehen will, darf man die westlichen Provokationen vor dem albernen Anti-Homopropaganda-Gesetz nicht ausser Acht lassen!

Schon lange vor dem dummen Anti-Homopropaganda-Gesetz haben westliche LGBT-Gruppen für Gay Prides in Russland gekämpft. In Russland und selbst in EU-Ländern, wenn der russische Präsident zu Gast war.
Grundlos hysterisch, wie man schnell bemerkt, wenn man die Geschichte etwas objektiver betrachtet.

Man hätte schnell recherchieren können, dass Russland die russische Version des §175 noch vor der BRD abgeschafft hat. Seit 1993 gibt es kein Gesetz mehr, welches Homosexuelle kriminalisiert!
Und hätte die DDR nicht schon 1989 den §175 abgeschafft, hätte die Kohl-Regierung dieses Thema nicht freiwillig angerührt. Aber Mauerfall sei Dank, wurde auch in der BRD - ein Jahr nachdem die Russen ihren §175 abgeschafft hatten - das homophobe Gesetz ersatzlos gestrichen!

Hätte Rot-Grün nach 1998 die Homo-Ehe (eingetragene Lebenspartnerschaft) bereits einführen können, ohne dadurch Proteste wie aktuell in Frankreich auszulösen, wenn sie erst noch den §175 hätten abschaffen müssen? Ich unterstelle den rot-grünen Politprofis, dass die Abschaffung des §175 der einzige Rot-Grüne Erfolg geblieben wäre. Und ich glaube, die Politiker von SPD und Grüne würden mir da heimlich zustimmen. Warum sonst haben sie nicht direkt die vollkommene Gleichstellung gewagt. Rot-Grün wollte ein deutliches Zeichen für Homosexuelle setzen, aber nicht die Konservativen im Land provozieren!

In Spanien hat man die Konservativen herausgefordert und die vollkommene Gleichstellung von einem Tag auf den Anderen eingeführt. Darauf folgten konservative, christliche Demos in den queeren Vierteln von Madrid! Das hat man uns (zum Glück!?) erspart. Vorerst!

t.A.T.u. und der Eurovision Song Contest

Ende der 90er Jahre erfand der russische Musikproduzent Iwan Schapowalow das "lesbische" Pop-Duo t.A.T.u. und brachte damit sogar den Westen zum staunen.

Auch wenn er sich im Jahr 2003 für den großen Durchbruch die musikalische Hilfe vom britischen Musikproduzenten Trevor Horn (u.A. Frankie Goes To Hollywood) holte, so war das "Lesben-Image" die Idee des russischen Produzenten. Das beweist der ursprüngliche Name der Gruppe:

"Taty"

Taty war ein Kürzel für "Та любит Ту" (Ta ljubit Tu) und bedeutet soviel wie "Die Eine liebt die Andere". Der Name musste für den internationalen Markt geändert werden, weil sich bereits eine australische Band diesen Namen gesichert hatte.

Als das vermeintlich "homophobe" Russland t.A.T.u zum Eurovision Song Contest schickte, drohte die EBU (European Broadcast Union) mit Zensur, falls die beiden Frauen sich - wie angekündigt - auf der Bühne küssen sollten! Sie küssten sich nicht. Aber spielten mit der Angst der ESC-Macher, indem sie sich auf der Bühne hin und wieder angenähert hatten und dann doch nicht küssten! Eine schöne Provokation!

Damals hat die queere Szene vor dem Fernseher gesessen und gehofft, dass diese russischen Mädels sich auf der Bühne küssen würden und dem homophoben Zensurwunsch der EBU den erhobenen Stinkefinger zeigen. Aber sie hielten sich brav zurück und erreichten dennoch die gewünschte Aufmerksamkeit. Das es am Ende gar keinen Kuss gab, spielte am Ende gar keine Rolle mehr, weil der "Kuss" das über alles schwebende Thema des damaligen ESC war!

Auch in den USA wurde die Gruppe zensiert. Sie trugen in einer TV-Show T-Shirts mit dem Aufrduck "ХУЙ ВОЙНЕ!" (CHUJ WOJNE!), was auf Russisch sinngemäß "Fick den Krieg!" bedeutet. Und obwohl die große Mehrheit der Amerikaner dies nicht verstehen konnten, wurde der Band beim nächsten Talkshow-Auftritt untersagt, diese T-Shirts noch einmal zu tragen! Woraufhin sie T-Shirts mit der Aufschrift "CENSORED" trugen.

Volker Beck in Moskau

Spätestens 2006 wurde plötzlich die Forderung nach einem Gay Pride in Moskau laut. Volker Beck reiste nach Moskau um dort zu demonstrieren. In einem Land, in dem Demonstrationen nicht erlaubt sind. Dafür bekam er auf die Fresse. Unschön. Aber in Deutschland haben Menschen schon ihr Augenlicht verloren, obwohl sie sich friedlich an angemeldeten Demos zum Erhalt eines Bahnhofs eingesetzt haben.

Hinzufügen sollte man auch, dass er von russischen Nazis angegriffen wurde und die Polizei lediglich verpasst hat, ihn davor zu schützen. Das wäre übrigens die Opposition in Russland, die in einem Russland ohne Putin an die Macht kommen könnten. Es gibt nämlich offiziell keine relevante homo-freundliche Partei in Russland. Ebenso nicht, wie in der Ukraine. Aber das ist einem unpolitischen Geist scheinbar egal. Hauptsache der böse Putin ist weg.

Seitdem hat sich leider das Bild vom "homophoben Russland" in die Gehirne vieler Homosexueller gebrannt. Was weniger falsch wäre, wenn man sich über die homophobere Politik bestimmter EU-Anwärter/-Partner mindestens genauso echauffiert hätte! Aber da gab es nie eine vergleichbare Hysterie. Leider.

Russland gewinnt den Eurovision Song Contest

2008 gewann Russland den ESC, woraufhin Moskau im Jahr 2009 Gastgeber des Eurovision Song Contests wurde.

Abseits des bunten Spektakels begannen erneut westliche Provokationen gegenüber Russland. Man festigte das Bild vom homophoben Russland. Nicht weil es Gesetze gab, welche Homosexuelle ungleich behandelten. Nein, die Proteste forderten "Gay Prides" in Russland. Also genau das Gegenteil von Gleichbehandlung, denn jeder weiß, dass weder Heteros noch Homos demonstrieren dürfen. Das mag ungerecht sein, aber nicht homophob. Im Gegenteil. Es wäre eine Ungleichbehandlung der gesamten Bevölkerung hätten sich die egozentrischen Forderungen der westlichen Homosexuellen durchgesetzt!

Seit diesem Eurovision Song Contest ist Russland für Homosexuelle eine No-Go-Area geworden. Also nicht weil Russland sich verändert hatte. Es hatte sich nur das Bild über Russland verändert!

Warum sollte jedes Land die selben Wege gehen müssen?

Der Christopher-Street-Day war die Reaktion auf Polizei-Razzien in der Christopher Street (New York). Die queere Szene wollte sich nicht länger vom Staat grundlos verprügeln lassen! Über die Jahre folgten viele (pro-)westliche Länder diesem Beispiel. Zu Recht! Weil damals die Ungleichbehandlung noch viel extremer war!

Aber ist der CSD - welcher heute leider oft nur noch oberflächlich und unpolitisch "[Stadt] Pride" genannt wird - ein Menschenrecht? Nein! Schon gar nicht in Ländern, in denen niemand demonstrieren darf. Diese Ungleichbehandlung hätte vermutlich mehr Schaden als Verbesserungen für Homosexuelle verursacht!


Unsere Medien behaupten auch gerne, dass die homophobe Gewalt durch das neue Gesetz provoziert wurde. Diese These halte ich für großen Blödsinn. Die Videos auf denen rechtsradikale Russen mit der Folter Homosexueller angeben, richtet sich gegen uns Homosexuelle im Westen! Sie machen das nicht, damit sie Putin gefallen! Im Gegenteil. Sie machen das, weil diese Nationalisten wissen, dass sie damit den Westen provozieren können! Einer der Macher dieser Videos wurde erst kürzlich in Kuba festgenommen! So einen internationalen Einsatz gegen Rechtsradikale kann man sich in Deutschland nur wünschen, wenn man sich die Pannen im NSU-Fall vor Augen führt!

summa summarum

Wer schon vor dem Anti-Homopropaganda-Gesetz in Russland gegen Putins vermeintliche Homophobie geschimpft hat, hat meines Erachtens nach, kräftig dazu beigetragen, dass in Russland die Uhren ein wenig zurückgedreht wurden. Mich ärgert das russische Gesetz sehr. Noch mehr ärgere ich mich über die Rolle der homosexuellen Lobbies, welche schon seit längerem mehr Kritik ans Ausland äussern, als an der eigenen Regierung. So konnte es im letzten Jahr geschehen, dass während des Wahlkampfs Homosexuelle (darunter auch Merkel-Fans!!!) vor der russischen Botschaft standen, während die Kanzlerin uns das Adoptionsrecht verweigert hat und Panzer an homophobe Diktaturen verkaufte. Eine SCHANDE!

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Harm

queer dissenting artist - twittert unter @HarmNeitzel

Harm

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