Wann ist der Mann ein Mann?

"Männlichkeit" Über Männlichkeitskontruktionen wurde am Freitag in der Friedrich Ebert Stfg debattiert. Dabei gab es interessante Thesen aber auch Kritik an einem beengten Männerbegriff

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Wann ist der Mann ein Mann?

Bild: Flyer FES

Ein bunt gemischtes Publikum aus Jungen und Alten jeglichen Geschlechts fand sich am Freitag zur Tagung über Männlichkeitskonstruktionen in der Friedrich Ebert Stiftung in Berlin ein. Konkrete Themen der Diskussionsrunden sollten dabei unter anderem die Krise des weißen Mannes sein. Aber auch die Frage, was Männlichkeit heute ist und wer die „neuen Männer“ sein sollen.

Diskutieren sollten dies eine Reihe namhafter Wissenschaftler aus dem Gebiet der Geschlechterwissenschaften mit dem Schwerpunkt Männlichkeitsstudien. Etwa Michael Meuser, Professor an der TU Dortmund im Panel zum Thema „Wann ist der Mann ein Mann?“. Bei seinen Ausführungen war dabei zentral, dass das „Normalarbeitsverhältnis“ als institutionelle Grundlage tradierter Männlichkeitskonstruktion immer stärker aufbricht.

Nicht die erste Krise

Damit einher geht jedoch auch, dass die „Krise des weißen Mannes“ gar keine neue Überlegung ist. Im Gegenteil fanden diese Krisendiskurse immer statt, wenn „gravierende Änderungen die Funktion des weißen Mannes in Frage gestellt haben“. Wenn also der Mann als Familienernährer durch Arbeitslosigkeit seine Funktion verlor und drohte, seine Identität einzubüßen. So wurde diese Debatte beispielsweise in den USA schon in den 1930er Jahren während der Großen Depression geführt.

Doch egal zu welcher Zeit dieser Krisendiskurs geführt wurde, ob in den 30ern oder heute wie zuletzt durch die Zeit, seine Funktion war immer die gleiche: Der Versuch, die gefährdete bisherige Ordnung wieder herzustellen.

Neue Männlichkeitsbilder müssten daher, um tradierte Rollen zu überwinden, Abschied von der überhöhten Bedeutung der Erwerbsarbeit nehmen. Jedoch erkennt Meuser gerade auch bei „neuen Männlichkeiten“ und deren Vaterrolle eine „große Diskrepanz zwischen Vaterschaftsdiskurs und Vaterschaftspraxis“. Wie sich die Gesellschaft den „neuen Vater“ vorstellt und wie sich die meisten Väter heute verhalten sind also noch zwei verschiedene Dinge.

Zwischen Hype und Realität

Das stellte auch Carsten Wippermann, Professor an der Katholischen Stiftungsfachhochschule München, in der Runde zum Thema „Wer sind die neuen Männer?“ fest. Demnach besteht bei Vätern auch ein großer Unterschied zwischen der Selbstwahrnehmung und der wirklichen Mitarbeit im familialen Leben, weshalb dem Bild des „modernen Vaters“ nach einer Studie real nur 5,7% der Väter entsprechen. Dementsprechend erklärt Wippermann den „neuen Mann“ auch zu einer „Nischenrealität“, gemessen am „medialen Hype“ um ihn.

Gründe warum dies immer noch so ist, gibt es für Wippermann aber auch genug. So stehen einer wirklichen Rollenveränderung bei Vätern beispielsweise die derzeitigen gesellschaftlichen Strukturen vollkommen entgegen: Sei es Ehegattensplitting, Minijobs, oder die oft noch schlechten Teilzeitmöglichkeiten, alles steht der Rolle des „neuen Vaters“ noch ziemlich im Weg. Das neue Bild durchzusetzen ist daher bisher komplett individuelle Aufgabe von Familien, mit der sie auch das persönliche Risiko tragen, wenn es zu Problemen kommt – weshalb viele vor einem solchen Schritt noch zurückschrecken. Kein Wunder übrigens, dass keiner der Diskutanten in diesem Zusammenhang auch nur ein gutes Haar an Kristina Schröder ließ.

Nicht nur Väter

Die Kritik aus dem Publikum bezog sich hingegen weitestgehend darauf, dass in den meisten Runden aus dem Diskussionsthema „Männer“ „Väter“ gemacht wurden. Dass dies wahrscheinlich nicht einmal die Mehrzahl aller Männer abbildet und dann noch hauptsächlich heterosexuelle, gefiel nicht allen Teilnehmern. Auch würde gerade dadurch immer wieder eine dichotome Geschlechteraufteilung vorgenommen, die einer Absicherung zweigeschlechtlicher normativer Vorgaben diene, so ein weiterer Vorwurf.

Dies wollten auch die Diskussionsteilnehmer nicht abstreiten, wiesen aber darauf hin, dass es sich dabei, selbst wenn es nicht einmal die Mehrheit der Gesellschaft widerspiegelt, trotzdem noch immer um die aktuell „hegemonialen Settings“ handele. Diese dürfe man daher nicht aus dem Blick lassen. Ob damit die Kritiker aus dem Publikum zufrieden gestellt wurden, ist aber fraglich.

Und so lieferte die Tagung einige interessante Ansätze, betrachtete hauptsächlich aber leider nur einen zu kleinen Bereich möglicher Männlichkeitskonstruktionen, der viele spannende Entwicklungen, besonders auch jüngerer Männer, die wohl meist noch keine Väter sind, aus den Augen ließ.

Dieser Artikel erschien zuerst bei schreibstoff.com.

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hierundjetzt

Studiert in Berlin Soziologie, Politikwissenschaft und Philosophie.

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