Before they came to Guernica

Erinnerungskultur Wir haben Gernika vergessen. Und damit das wohl schlimmste Verbrechen in der deutsch-baskischen Geschichte.

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„My children played a skipping game, on market day in Guernica, on market day before they came, before they came to Guernica.“, so singt Katie Melua in ihrer Ballade in Erinnerung an eines der schlimmsten Verbrechen, das das stolze Baskenland in seiner Geschichte erschütterte. Doch wissen Sie, wer an diesem Markttag, es war ein Montag, nach Gernika kam? Kennen Sie das kleine Städtchen, das unweit von Bilbao, eingebettet zwischen den Pyrenäen und dem Atlantik, liegt? Sie sollten es kennen. Doch in Deutschland gibt es nur wenige, zu wenige, denen der einst heilige Ort der Basken geläufig ist. Und bis auf den unbedeutenden Guernicaplatz im Ortsteil Nikolassee erinnert kaum etwas in der Bundesrepublik an das, was am 26. April 1937 dort geschah.

Wir schreiben das Jahr 1937. In Spanien tobt der Bürgerkrieg. Die regierungstreuen Truppen müssen die Spanische Republik gegen die nationalistischen Putschisten unter der Führung von Francisco Franco verteidigen. Doch es sieht schlecht aus für die Demokraten. Die Nationalisten haben in den vergangenen Wochen immer mehr Regionen der iberischen Halbinsel unter ihre Gewalt bringen können. Auch dank der Unterstützung durch die europäischen Faschisten in Italien und Deutschland. Die Freunde der spanischen Demokratie sind hingegen abwesend. Gelähmt von innenpolitischen Krisen und geblendet von Friedenssehnsucht, bleiben Briten und Franzosen in diesem Konflikt neutral. Allein die Sowjetunion, Mexiko und die berühmten freiwilligen Internationalen Brigaden kämpfen auf Seiten der Republik. Ihr Einsatz aber genügt nicht.

Nazi-Deutschland unterstützt die spanischen Nationalisten im Bürgerkrieg nicht nur aus ideologischer Sympathie. Hitler denkt weiter. Der „Führer“ verfolgt schon von Beginn seiner politischen Herrschaft an nur ein Ziel, dem er alles unterordnet: Krieg in Europa. Die Kämpfe in Spanien bieten in dieser Hinsicht eine willkommene Gelegenheit, die Wehrmacht auf die kommenden Aufgaben vorzubereiten. Auch deshalb entsendet Hitler insgesamt gut 15.000 Soldaten nach Spanien und setzt Luftwaffe und Kriegsmarine zur Unterstützung der Franquisten ein.

Während deutsche Gesandte bei den Vorbereitungen zur internationalen Weltausstellung in Paris abermals den Frieden loben, übt die Wehrmacht in Spanien bereits den Krieg. Insbesondere die deutsche Luftwaffen-Staffel Legion Condor macht sich in der Guerra Civil „verdient“. Am 8. Februar 1937 bombardiert sie einen Zug von mehreren zehntausenden Flüchtlingen, bei dem tausende Zivilisten sinnlos und unnötig ums Leben kommen. Die Effizienz und Funktionstüchtigkeit deutscher Bomben ist zur größten Zufriedenheit der Wehrmacht belegt worden. Doch die Nazis belassen es nicht bei diesem – ebenso unbekannten wie grausamen – Massaker bei Malaga.

Schon bald bekommt die Luftwaffe erneut die Möglichkeit Kampferfahrung zu sammeln. Am Morgen des 26. Aprils 1937 vermelden deutsche Aufklärungsflugzeuge eine größere Truppenansammlung am Rande der Stadt Gernika. Die Legion Condor, unter Führung Wolframs von Richthofen, startet zum Angriff auf die angeblichen republikanischen Reservisten. Tatsächlich ist an diesem Tag Markt in Gernika. Vor den Toren der Stadt versammeln sich keine Soldaten, sondern einfache Händler und Käufer. Die vermeintlichen Militärs sind unbeteiligte Zivilisten. Dennoch wirft die Luftwaffe ohne jede Rücksicht an die 20 bis 40 Tonnen Bomben auf Gernika ab. Nicht aus Versehen, sondern aus militärischem Kalkül: „Guernica buchstäblich dem Erdboden gleichgemacht. Bombenlöcher auf Straßen noch zu sehen, einfach toll.“, schreibt von Richthofen in seinem Kriegstagebuch. Die Folgen sind verheerend. Bei dem Angriff werden 80% der Stadt zerstört und hunderte Zivilisten ermordet. Auch die Flüchtenden werden nicht verschont, sondern aus der Luft beschossen. Zweieinhalb Jahre vor dem offiziellen Ausbruch ist die Wehrmacht bereits im Krieg. Ihre ersten Kriegsverbrechen verübt sie in Spanien.

Es dauert lange, zu lange, bis die Bundesrepublik sich mit diesem Verbrechen ihres Vorgängerstaates auseinandersetzt. Erst 1997 entschuldigt sich Bundespräsident von Weizsäcker im Namen Deutschlands offiziell für die Bombardierung und Zerstörung Gernikas. Viel zu spät und viel zu leise. Denn die Erinnerung an die Verbrechen von Gernika sind in der deutschen Erinnerung verblasst. „I search my soul but cannot start, to find forgiveness in my heart.“, so singt Katie Melua in ihrem Lied weiter. Es sind Zeilen, die berühren und Zeilen, die traurig machen. Wenn wir uns Vergebung und Versöhnung wünschen, so ist es unsere Pflicht nie zu vergessen und stets zu erinnern. An das zu erinnern, was vor 76 Jahren dem unschuldigen, verträumten Städtchen Gernika widerfuhr.

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