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Fußballgeschichte DFB und FFF feiern mit einem Freundschaftsspiel 50 Jahre deutsch-französischer Freundschaft. Ein Rückblick auf große Momente dieser fußballerischen Beziehung

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1958: Frankreich 6, Deutschland 3
1958: Frankreich 6, Deutschland 3

Foto: AFP / Getty

Einundzwanzig Mal sind die deutsche Nationalelf und die französische Auswahlmannschaft bisher aufeinandergetroffen. Am 6. Februar 2013 kommt ein weiteres Mal hinzu. Dann treten die zwei Teams hochsymbolisch, zum 50. Jubiläum des Freundschaftsvertrags zwischen beiden Ländern, gemeinsam gegen den Ball. Es ist ein schöner Anlass, der beide Mannschaften zusammenführt und angesichts der großen Namen darf man wohl auch auf ein schönes Spiel hoffen. Und es ist ein schöner Anlass um zurückzublicken, auf die letzten Jahrzehnte deutsch-französischer Fußballgeschichte.

Drei Mal, 1958, 1982 und 1986, trafen die „Équipe Tricolore“ und die Bundesauswahl in Turnierspielen aufeinander. Doch keine Partie wurde so legendär wie das WM-Halbfinale vom 8. Juli 1982. Der Wettbewerb fand damals im frisch demokratisierten Spanien statt und die Partie sollte später als die „Nacht von Sevilla“ in die Geschichtsbücher eingehen. Auf französischer Seite dribbelten so klangvolle Namen wie Michel Platini, Alain Giresse oder Jean Tigana, bei den Deutschen stellten sich unter anderem Manfred Kaltz, Paul Breitner oder auch Felix Magath den Blauen in den Weg.

Das Spiel hielt was die Namen versprachen. Nach einer Viertelstunde brachte Pierre Littbarski die Nationalmannschaft in Führung und nur zehn Minuten später glich Michel Platini höchstpersönlich aus. Es blieb ein Spiel auf des Messers Schneide. In der 57. Minute kam es dann zur prägendsten Situation des Spiels. Der Franzose Patrick Battiston rannte allein auf das deutsche Tor zu. Torhüter Harald Schumacher musste erkennen, dass er keine Chance mehr hatte, den Ball abzuwehren. Und so versetzte er dem Gegner kurzentschlossen einen heftigen Ellenbogenschlag ans Kinn. Der Franzose brach bewusstlos zusammen. Die Diagnose für Battiston: angebrochener Halswirbel, Gehirnerschütterung und zwei ausgeschlagene Zähne. Die Reaktion von Schumacher: „Dann zahl' ich ihm seine Jacketkronen.“ Der Schiedsrichter sah kein Foul. Ein Skandal. Nicht nur fußballerisch. Doch zunächst ging das Spiel weiter.

In der Verlängerung wurde es gänzlich verrückt. Zunächst gingen die Franzosen mit 3:1 in Führung, dann konnten Karl-Heinz Rummenigge und Klaus Fischer doch noch für die deutsche Mannschaft ausgleichen. Im Elfmeterschießen setzte sich Deutschland schließlich durch. Doch ganz Frankreich sprach nur noch von dem „hässlichen Deutschen“ und der „Schumacher SS“. Bundeskanzler Helmut Schmidt und Präsident François Mitterand sahen sich schließlich gar genötigt mit einer gemeinsamen Presseerklärung die Wogen zu glätten und Schlimmeres zu verhindern. Schumacher bat um Entschuldigung, Battiston nahm sie an.

Die fußballerischen deutsch-französischen Beziehungen wurden aber nicht nachhaltig geschädigt. Genau genommen fingen sie erst jetzt so richtig an. In den späten 1980er Jahren wechselten zahlreiche deutsche WM-Stars von 1982 ins Nachbarland. Angreifer Pierre Littbarski, in Sevilla Torschütze zum 1:0, wechselte 1986 zum RC Paris, Manndecker Karlheinz Förster (1986) und Stürmer Klaus Allofs (1987) gingen zu Olympique Marseille und Kapitän Manni Kaltz versuchte 1989 sein Glück bei Girondins Bordeaux und später beim FC Mulhouse. So wirbelten zahlreiche deutsche Nationalspieler zu dieser Zeit in den französischen Stadien. Klaus Allofs und Karlheinz Förster wurden Meister und letzterer nahm später sogar die französische Staatsbürgerschaft an. Es war die große Zeit der deutschen Fußballer in Frankreich. Jürgen Klinsmann und Rudi Völler, die beiden Weltmeister von 1990, beendeten diese Ära mit ihren Gastauftritten beim AS Monaco und Olympique Marseille in den Jahren 1992 bis 1994.

Zu dieser Zeit waren Franzosen in der Bundesliga hingegen eine äußerst seltene Spezies und Topspieler verirrten sich schon gar nicht auf die östliche Rheinseite. Erst um die Jahrtausendwende revanchierten sich die Franzosen. Einer der ersten französischen Bundesligaspieler war der „springende Baske“ Bixente Lizarazu, der 1997 zu Bayern München wechselte. Dort verschaffte sich der Linksverteidiger mit einer legendären Backpfeife gegen Lothar Matthäus auch gleich Respekt. Insgesamt wusste er aber vor allem sportlich zu überzeugen und wurde einer der besten und erfolgreichsten Bayern-Spieler aller Zeiten.

Nach Lizarazu fanden dann auch weitere französische Spieler den Weg in die Bundesliga. Im Jahr 1999 wechselte der Weltmeister Youri Djorkaeff zum 1. FC Kaiserslautern und 2000 kam Willy Sagnol zum FC Bayern. Der Franzose entwickelte sich bei den Münchnern zu einem Weltklassespieler und wurde Nationalspieler. Doch insgesamt hatten es die Franzosen in Deutschland schwer die Auswahltrainer der Blauen von sich zu überzeugen: Johan Micoud, Valérien Ismaël oder Matthieu Delpierre begeisterten die deutschen Fans mit feinem Fußball, doch in den Planungen der Nationaltrainer spielten sie kaum oder sogar überhaupt keine Rolle. Obwohl sportlich einiges für sie gesprochen hätte.

Ist das auch der Grund warum französische Spieler inzwischen die Bundesliga zu meiden scheinen? Bis auf Franck Ribéry ist kein französischer Spieler von Format mehr in der deutschen Eliteklasse zu finden. In der Ligue 1 sucht man deutsche Spieler sogar ganz vergeblich. Das hat sicher auch pragmatische Gründe. Die französische Liga ist vor einigen Spielzeiten international abgehängt worden (der PSG könnte das vielleicht in Zukunft ändern). Und für die Franzosen wiederum scheint die englische Premier League mehr Anziehungskraft auszustrahlen. Vielleicht auch, weil dort vor 10 Jahren die großen Vorbilder der Fußballgeneration von heute – Fabien Barthez, Marcel Desailly, Patrick Vieira und Thierry Henry – glänzten. Man würde sich aber in jedem Fall eine Fortsetzung der deutsch-französischen Fußballgeschichte wünschen, denn von Klaus Allofs bis Franck Ribéry waren französische Bundesligaspieler und Deutsche in der Ligue 1 bisher immer eine Bereicherung. Für den Sport und für die deutsch-französische Freundschaft.

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