Natürlich zahl' ich

Rundfunkbeitrag Facebook-Gruppen und Online-Petitionen versuchen mir ständig zu erklären, dass der Rundfunkbeitrag ein Skandal ist. Ich aber teile diese Ansicht nicht

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Eigentlich ist doch gar nichts passiert. Statistisch haben 96 % der Bürgerinnen und Bürger ein Fernsehgerät im Haushalt und zahlen damit schon seit Jahren – theoretisch zumindest – genau wie heute 17,98 Euro im Monat für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Nur für maximal 4 % sollte der neue Rundfunkbeitrag also etwas geändert haben. Außer für die Hör- und Sehbehinderten natürlich, denen urplötzlich die große Anteilnahme der sonst eher ignoranten Gesellschaft gilt. Die müssen jetzt 5,99 Euro im Monat zahlen. Dumm nur für die Kritiker der Gebühr, dass die betroffenen Menschen den Rundfunkbeitrag selber gerne zahlen, weil nur das öffentlich-rechtliche Fernsehen bereit ist barrierearmes Programm zu produzieren. Ach ja und auch einige Unternehmen haben Nachteile für sich ausgemacht. Aber deren Klagen vernimmt man eigentlich im Alltag kaum.

Wo liegt also das Problem? Warum werde ich mit Einladungen, Petitionen und Kommentaren bombardiert, die mir erklären, welch großes Unrecht mir durch die öffentlich-rechtlichen Sender zustößt? Jetzt müsse der Bürger endlich aufstehen und für seine Freiheit kämpfen! Wenn keiner zahlt dann können selbst „die“ nichts machen! – heißt es dort. „Freiheit“, das Wort hört man fast immer im Zusammenhang mit der kritisierten „Zwangsfinanzierung“ von „Medienkonzernen“. Man muss doch die Freiheit haben, selbst zu entscheiden, ob man ARD und ZDF haben möchte oder nicht! So ist die Logik. Und die ist ja auch nicht ganz neu. Es ist der Freiheitsbegriff des neuen Liberalismus: Jede Bürgerin und jeder Bürger soll die Freiheit haben nur das zu zahlen, was sie und er braucht. Ob Krankenversicherung, Nahverkehr, Studium, Eisenbahn oder eben Fernsehen – brauchst du's, zahlst du's, brauchst du's nicht, zahlst du's nicht. Insofern würde es mich auch nicht wundern, wenn von den letzten drei treuen Prozenten der FDP Kritik am neuen Beitrag käme. Aber dass ausgerechnet Menschen, die sich selbst als links einordnen, plötzlich gegen eine öffentliche Grundversorgung mit Medien wettern und Privatsender und Werbefinanzierung loben, erscheint mir doch reichlich paradox.

Was an Argumenten ausgepackt wird ist grandios. Da sind scheinbar der Fantasie keine Grenzen gesetzt. Die oben erwähnten „armen“ Gehörlosen und Sehbehinderten werden gerne herangezogen. Aber auch Menschen mit sehr geringem Einkommen, für die der Rundfunkbeitrag eine große Belastung ist. Die gibt es. Und die Beitragsempfänger wissen das. Deswegen gibt es auch die Möglichkeit einen Härtefall anzumelden. Doch ich werde den Eindruck nicht los, dass es hier eigentlich gar nicht so sehr um die anderen, armen und schutzbedürftigen Menschen geht, sondern vor allem um das eigene Portemonnaie. Es geht darum, dass alles was irgendwie an Steuern erinnert noch schlechtere Sympathiewerte genießt als Philipp Rösler. Wir betrügen gerne den Staat. Die Großen haben ihre Schweizer Konten und Briefkastenfirmen, die Kleinen konnten bisher die Handwerker schwarz und die GEZ nicht bezahlen. Dass Letzteres nicht mehr gehen soll, empört.

Wir müssen letztlich wissen was wir wollen. Wenn wir der Meinung sind, dass der Staat auch im Bereich der medialen Information und Unterhaltung wirken sollte, dann können wir einen Beitrag nicht grundsätzlich ablehnen. Dann müssen wir schauen, welche Härtefälle auch selbst vom Härtefallantrag nicht erfasst werden und das Modell überarbeiten, statt es abzuschaffen. Und dann müssen wir uns fragen, wie wir „unser“ öffentlich-rechtliches Fernsehen verbessern können, damit seine Akzeptanz größer wird. Hier gibt es viele Meinungen. Einige finden, dass die öffentlich-rechtlichen Sender schon längst ihren Anspruch nach bildendem, anspruchsvollem Fernsehen aus dem Blick verloren haben, andere finden im Gegenteil, dass sie sich mehr am Programm der Privaten orientieren sollten. Im Grunde müssen ARD und ZDF vor allem transparenter, demokratischer und innovativer werden. Wenn ein beim Publikum sehr beliebtes Tatort-Duo, wie jüngst im Saarland, von einem beleidigten Redakteur abgesetzt wird, dann ist man undemokratisch. Wenn undurchsichtig ist, wie Entscheidungen und das Programm zustande kommen, dann ist man intransparent. Und wenn man nur im Nachtprogramm und bei den kleinen Digitalsendern etwas riskiert, dann kann man nicht innovativ sein.

Das öffentlich-rechtliche Fernsehen kann viel mehr und muss viel besser werden. Die zahlenden Zuschauer sollten das einfordern. Bedingung dafür ist aber auch, dass man die Berechtigung der Sender und auch die ihrer öffentlichen Finanzierung nicht grundsätzlich in Frage stellt. Wir sollten unsere Energie nicht damit verschwenden, zu versuchen dem bösen Staat 'nen Zwanziger im Monat vorzuenthalten. Wir sollten uns überlegen, was wir unter einem guten öffentlich-rechtlichen Fernsehen verstehen, sowohl im Programm, als auch in der Struktur. Und wir können den Rundfunkbeitrag als willkommenen Anlass dafür sehen, sie einzufordern. Die Verbände und Vereinigungen von Gehörlosen haben das erkannt. Statt aggressiv zu polemisieren, haben sie dem Beitrag ihre Zustimmung erteilt und im Gegenzug mehr barrierefreies Fernsehen gefordert – und wohl auch bekommen. Auch wir sollten vor allem fordern, dass das von uns bezahlte Fernsehen nun auch mehr zu unserem Fernsehen wird.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
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