Tatort 2014-04-21

Über Eltern: Eltern werden ist nicht schwer, Eltern sein.... dagegen sehr.

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Zitat Wikipedia über das Stabilitätsgesetz:

„In seinem ersten Paragraphen bestimmt es gesamtwirtschaftliche Ziele, die öffentliche Haushalte in Deutschland bei ihren Entscheidungen beachten sollen.

  • Preisniveaustabilität
  • hoher Beschäftigungsstand
  • außenwirtschaftliches Gleichgewicht
  • bei angemessenem und stetigem Wirtschaftswachstum

Diese Ziele sind bekannt als magisches Viereck der Wirtschaftspolitik, magisch deshalb, weil sich alle vier Ziele gleichzeitig nicht konfliktfrei erreichen lassen.“

Würde man das magische Viereck auf den Tatort übertragen würden die Kriterien folgendermaßen lauten:

  • Schauspielerische Darbietung
  • Regie
  • Story
  • Kameraführung

Der Sonntagabend Tatort beginnt um 20:15 Uhr und endet um 21:45 Ausnahmen gibt es selten. So gab es Doppelfolgen (Leipzig und Köln) aber auch mit Charlotte Lindholm; Anfang des Jahres schließlich musste ein Tatort wegen Bedenken hinsichtlich des Jugendschutzes später am Abend gesendet werden.

Der Standard lautet jedoch: Nach 105 Minuten ist die Story zu Ende und der Täter ist dingfest oder tot.

Dieser Umstand stellt erhebliche Anforderungen an das o.g. magische Viereck. Die Story darf nicht zu anspruchsvoll, weil sie ansonsten den zeitlichen Rahmen sprengen würde. Die Kameraführung sollte zeitgemäß, jedoch nicht zu selbstverliebt sein, damit die Story sich mit Hilfe der Schauspieler entwickeln kann usw.

Ab und an entsteht beim Tatort ein Kleinod. Etwas häufiger als nur ab und an sind die Tatorte grottenschlecht. Meistens bewegen sie sich jedoch im Mittelfeld herum. Dabei haben die Tatorte aus Deutschland schon einen Anspruch an sich, der faszinierend für mich ist. Gezeigt werden nicht die Superhelden (wie sie oft in amerikanischen Serien vorkommen) sondern der Otto-Normal-Kommissar. Nicht der Mensch mit außerirdischen Fähigkeiten, nicht der Alleskönner, nicht der Alleswisser nicht das Superteam, welches nahtlos an die Story um Captain America und Co. anschließen, sondern Stöver, Brockmöller, Batic, Ballauf, Schenk und Co.

Doch nun genug der allgemeinen Betrachtungen des Tatorts aus meiner Brille. Wenden wir uns dem aktuellen Fall zu.

Drehbuch: Eveline Stähelin (?) und Josy Meier (?).

Regie: Michael Schaerer (39).

Mit Michael Schaerer begegnet uns ein alter Bekannter, der mit „Skalpell“ vor einigen Jahren einen überwiegend als für gut befundenen Tatort ablieferte. Stähelin und Meier arbeiteten bereits in dem Fernsehfilm „Nebelgrind“ gemeinsam das Drehbuch aus.

Allen zusammen ist sozusagen die Quadratur des Kreises gelungen, wobei die Kameraführung etwas unauffällig war. Selten habe ich einen so guten Tatort gesehen, der sich den Müttern und Vätern aber eben auch den Kindern aus kaputten Beziehungen so behutsam und doch auch so bedeutungsschwer angenähert hat. Viele verschiedene Facetten waren vorhanden. Da war der Möchtegernübervater, der SEIN Kind bei sich haben wollte, der Alimenten(undansonstenlassmichinruhe)zahler und der Ichhabemeineeigenenviel­wichteren­problemevater. Ihnen gegenüber standen die Frauen, die eben auch ihre Geschichte mit sich herumtrugen oder ihre egoistischen Spiele spielten. Besonders beeindruckend war die Szene als die Mutter zweier Töchter von ihrem sexsüchtigen Vater erzählte und im Hintergrund plötzlich die Kinder da standen und alle Wut und Enttäuschung und ja auch den Hass hörten, der aus dem Mund ihrer Mutter gegen ihren Vater geschleudert wurden.

Auch wenn ziemlich früh die Möglichkeit, dass der Mörder unter den Kindern zu suchen war, war das Spiel aller Erwachsenen doch ziemlich beeindruckend. Beide Kommissare durchlebten ein Auf und Ab an Gefühlen und stellten sich aus femininer/masculiner Sicht zunächst gegeneinander. Schließlich öffneten sie sich dem jeweils Anderen…. Die Kommissarin - offenbar lesbisch - hat sehr früh ihre Mutter verloren und er hat Angst alleine ins Gras beißen zu müssen, weil er seine Freundin zur Abtreibung gedrängt hat. Beide sahen es als Leistung an, es überlebt zu haben. Und da ist wieder der Gedanke an alle diese dunklen Geheimnisse, die wir miteinander herumtragen.

Bei all‘ dem hier beschriebenen Beziehungswahnsinn verbleibt aber die Frage, ob es nicht doch noch irgendwo normale Menschen gibt. Gibt es auch Mütter und Väter, die nicht so selbstsüchtig sind? Gibt es auch Eheleute, die in Liebe alt miteinander werden?

Bestimmt…. Irgendwo…. Ja, bestimmt auch in der Schweiz. Aber aus dramaturgischen Gründen mussten sie draußen bleiben. Genauso, wie die meisten Menschen in diesem Fall sprachlich entschärft wurden, damit auch das nördlich der Alpen lebende Klientel etwas verstehen kann. Nur der Buab hat so schön gekratzt im Hals.

Beeindruckend spielte dann die Tochter den Schlussakkord, die verzweifelt weinend auf die Selbstverliebtheit der Eltern hinwies. Eine ganz starke schauspielerische Leistung einer jungen Dame, von der wir bestimmt noch etwas sehen oder hören werden.

Fazit: Dieser Tatort hat uns mit so manch einem der Standards versöhnt. Prädikat, auch wenn es hier etwas deplatziert ist: Nicht von schlechten Eltern!

Ach ja....

In Memoriam: http://www.watson.ch/Front/articles/827693550-Ein-Ehemann%2C-der-gestorben-ist

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Geschrieben von

Don Isi

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