Sternstunden!

Pubertät Was ist eigentlich aus diesem netten Mädchen geworden, das jahrelang mit mir zusammenlebte?

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Es gibt Dinge, die kommen unweigerlich, ob ich will oder nicht. Geburtstage z.B. kommen immer zu früh, also nicht Jahre, sondern Tage. Ich bin nie in Feierlaune und so richtig auf Besuch eingestellt und trotzdem stehen die Menschen vor der Tür, fragen, wie alt man denn nun wird (39F, oder?) und es wird ein schönes Fest. Bei Geburtstagen geht das ganz gut, die sind nach einem Tag wieder vorbei und man gewinnt dabei auch eine gewisse Routine.

Anders ist das mit der Pubertät. Darauf kann man sich natürlich auch vorbereiten, d.h. im wesentlichen mehr oder weniger schlaue Bücher lesen und interessiert zuhören, wenn andere, die es schon trifft, ihre Erfahrungen ausbreiten. Die schlauen Ratgeber lassen mich wissen, dass im Gehirn des Heranwachsenden alles neu verschaltet wird, sie Emotionen nicht mehr so richtig lesen können und vielfach Aggression vermuten, wo gar keine ist und vieles mehr. Der grundlegende und tiefgehende Rat lautet immer gleich: Don't panic! Das geht vorüber.

Ich fühle mich gewappnet. Schließlich kann ich mich noch recht deutlich an meine Pubertät erinnern - die unglücklichsten Jahre meines Lebens (jedenfalls glaube ich das so im Nachhinein). Aber der neuen Situation bin ich doch nicht so wirklich gewachsen.

Das mag natürlich daran liegen, dass sie sich heimtückisch und leise angeschlichen hat und ich gar nicht mehr sagen kann, wann oder womit das alles anfing. Doch neulich als um kurz vor halb sieben die Haustür zugeknallt wurde und ich den täglich wachsenden "textilen Haufen" meines halbwüchsigen Kindes betrachtete, kam mir tatsächlich die Frage in den Sinn, was wohl aus diesem netten Mädchen geworden ist, das jahrelang bei mir wohnte.

Sie ist ausgezogen, jedenfalls die meiste Zeit. An ihre Stelle haben es sich mehrere weibliche Wesen gemütlich gemacht. Ängstlich und aufmüpfig, kritisch und kapriziös, kuschelig und unsicher, lustig und launisch, es gibt sogar eine, die alles auf einmal in sich vereint.

Da kann ein verschlafenes "Guten Morgen" um sechs in der Frühe schon mal als Kampfansage aufgefasst werden. Oder es wird die Frage aufgeworfen, ob eigentlich alle Männer so seien wie Max von nebenan. Und Politik bleibt nach wie vor ein Thema, wobei der Anmerkung, Menschrechte gälten nicht nur in der Urkraine, sondern auch für Mütter mit der Klage "Du bist so mies, Mama!" quittiert wird.

Ich ahne, dass das erst der Anfang ist und frage mich, warum es den Erziehungsurlaub eigentlich in den ersten Lebensjahren gibt. Da waren meine Kinder pflegeleicht. Jetzt wäre Erziehungsurlaub vielleicht eine bessere Entscheidung. Denn gerade als ich mich neu gewonnener Freiheiten freuen wollte, braucht das Kind mehr Mama als in den letzten fünf Jahren.

Nörgel ich schon?
Ja, anstrengend ist das schon aber auch schön, weil unter den vielen verschiedenen weiblichen Wesen auch eine junge Frau eingezogen ist, ein scheues Geschöpf, das ganz manchmal mit mir auf Augenhöhe spricht und mir tatsächlich erzählt, was grade so angesagt und wichtig ist oder mich im alltäglichen Chaos mit einem fürsorglichen "Ach, Mama" tröstet. "Scheiß Pubertätshormone!" seufzen wir einmütig und kichern uns eins...

Sternstunden!!!

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Geschrieben von

Ismene

Kein Mensch ist freiwillig schlecht.Aber es sind schon viele ganz komisch unterwegs.antigone@weibsvolk.org

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