In den vergangenen Monaten machte sich die deutsche Telekom in den sozialen Medien einen wenig schmeichelhaften Namen. Das Etikett Drosselkom haben ihr Pläne eingebracht, bei denen es darum geht, die Netzneutralität auszuhebeln.
Statt wie bisher jede Webseite gleich zu behandeln, ihr die gleiche Bandbreite zur Verfügung zu stellen, soll, wenn anwenderseitig ein bestimmtes Datenvolumen (75 Gigabyte pro Monat im billigsten Tarif) verbraucht ist, die Leistung auf eine bestimmte Geschwindigkeit gedrosselt werden. Das kann in einem Vierpersonenhaushalt und im Zeitalter des Cloud-Computing ziemlich schnell gehen.
Webangebote der Telekom sind davon ausgeschlossen. Auch andere Anbieter können sich freikaufen, indem sie einen Vertrag mit dem Provider abschließen, um zu einem von der Drosselung ausgenommenen sogenannten „Managed Service“ zu werden. Es ist mehr als unklar, inwiefern junge Start-ups oder Blogs sich solche Exklusivverträge werden leisten können. Angebote fernab des zahlenden Mainstreams könnten damit langsam aus dem Fokus des Kunden verschwinden.
Auf diesem Wege möchte die Telekom bei Anbietern und Verbrauchern durch die Erschaffung eines Zweiklassennetzes abkassieren: Wer zahlt, darf den Blinker weiterhin links setzen, der Rest steht im Stau. Als Begründung für diesen Schritt müssen steigende Kosten herhalten. Ein Ammenmärchen.
So konnte die Telekom die ursprünglich geplante Drosselungsrate aufpreislos mehr als verfünffachen. Dies geschah scheinbar als Reaktion auf den Druck der sogenannten „Netzgemeinde“, die mit einigen werbeträchtigen Aktionen und einer Petition Sturm gegen die Pläne lief. Ob dieser vermeintliche Erfolg tatsächlich einer ist, darf getrost bezweifelt werden. Denn es schmerzt die Bonner kaum, bewirkt gute Presse – man gibt schließlich nach –und bekommt trotzdem, was man wollte: die Abschaffung der Netzneutralität und damit neue Monetarisierungsmöglichkeiten.
Ein essenzielles Moment des Internets wäre damit Geschichte, warnen Experten wie der britische Internet-Erfinder Tim Berners-Lee. Die Abschaffung der Netzneutralität hemme Innovation, Chancengleichheit und freie Rede. Auf Kosten der Nutzer würde man die Offenheit des Netzes gegen Kontrolle und Regulierung eintauschen.
Währenddessen bringt sich Wirtschaftsminister Philipp Rösler auffällig schnell nach der lancierten Aktion der Telekom medial in Stellung, um der echten Netzneutralität den Garaus zu machen. Zwar klingen die Pläne vordergründig nach dem Versuch, Gleichbehandlung zu etablieren, entpuppen sich jedoch bei genauerer Betrachtung als soziale Marktwirtschaft à la FDP: Seid gleich – oder ein bisschen gleicher. Sicher gestellt werden soll lediglich, dass „Managed Services“ das klassische Internet nicht verdrängen – was auch immer das heißen mag. Den Plänen zur Abschaffung der Netzneutralität will man jedoch nicht grundsätzlich im Wege stehen. Die gesetzliche Verankerung von Ausnahmeregelungen dürfte ihr Ende einläuten.
Mit ihrer Netzpolitik setzt die Bundesregierung auf Kontinuität. Man handelt im Sinne der Wirtschaft, maximiert den Eigennutzen und nimmt seine Verantwortung als Volksvertreter war. In dieser Reihenfolge.
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