Die "Weiße Wahl"

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

http://img134.imageshack.us/img134/331/wahlzettel.jpg"Weiß wählen" wird in der letzten Zeit vor allem in Frankreich und bei unseren Nachbarn aus Österreich kontrovers diskutiert. Dabei handelt es sich um einen relativ stillen Protest: Statt einer Partei sein Kreuz zu geben, macht der Wähler seinen Stimmzettel durch das Auslassen einer Wahl nichtig.

Aber welchen Effekt hat dies? Zunächst einmal keinen großen. An der Stimmverteilung und damit an den Mehrheitsverhältnissen im Parlament ändert sich wenig; alles bleibt beim Alten. Man könnte sogar argumentieren, dass man gerade die kleinen, radikalen Parteien durch ein solches Wahlverhalten stärkt. Auch die Aussagekraft der ungültigen Stimmen selbst ist zweifelhaft, das sich kaum nachvollziehen lässt, ob es sich um eine echte ungültige oder eine weiße Stimme handelt.

Auf der anderen Seite steht der Protest gegenüber den etablierten Parteien. Diesem soll die Flut an ungültigen Stimmen ein "Gesicht" verleihen. Eines, das mehr ist als eine schwindende Wahlbeteiligung, die vermeintlich ebenso Stärkung für die äußeren politischen Positionen ist. Im Gegensatz zu dieser handelt es sich bei der "weißen Wahl" aber um eine aktive Verweigerung.

Wie effektiv das "Weiß wählen" wirklich sein kann, würde sich vermutlich erst zeigen, wenn genügend Bürger davon Gebrauch machen. Ob dies allerdings passiert, ist zumindest fragwürdig, und somit auch der Effekt der "weißen Wahl".

Sinn würde sie erst machen, wenn sie breite, gesellschaftliche Akzeptanz - und damit die entsprechenden Zahlen - oder offizielle Unterstützung - z.B. in Form einer echten Wahlalternative "Weiß", die sich explizit auf dem Stimmzettel wieder findet - erfahren würde.

Bis - falls je - dem so ist, bleibt sie eine Idee, deren Verfolgung unter Umständen wenig Sinn macht - gerade im wenig wagemutigen Deutschland. Den hiesigen Politikern wird so auf unbestimmte Zeit verborgen bleiben, wie viele Wähler sich am Tag des Urnengangs verzweifelt fragen: "Welches Schweinderl hätte ich denn gerne?"

Wie wenig Volk und Volksvertreter vergleichsweise gemein haben, sieht man an der aktuellen Posse um das Gesetz für Internetsperren. Dem Volk also ein Instrument zu geben, mit dem es seine Politiker wieder einfangen kann, wäre sicherlich von Nöten. Das "Weiß wählen" in seiner jetzigen Form ist dies aber (noch) nicht. In einem Zeitalter aber, in dem fast alles evaluiert wird, wäre ein solches Mittel mehr als überfällig.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Jan Jasper Kosok

Online-Chef

Jan Jasper Kosok studierte Wirtschaftswissenschaften in Berlin, verdingte sich im Nachtleben und gründete 2007 mit Teresa Bücker das Blog Knicken // Plakative Platzierungen, welches sich mit Musik und Popkultur beschäftigte. 2009 kam er zum Freitag, um beim Aufbau des Webauftrittes zu helfen. Seit 2011 ist er verantwortlicher Redakteur für Online und Community und hat seitdem mehrere Relaunches begleitet. Er beschäftigt sich mit den sozialen Auswirkungen von zu hohem Internetkonsum und fürchtet sich davor, nicht verhindern zu können, ein alter weißer Mann zu werden.

Jan Jasper Kosok

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden