Ein bisschen Folter gefällig?

Alltagskommentar Bei einer Kunstinstallation in Berlin können Freiwillige Waterboarding mal selbst ausprobieren. Die Idee dahinter ist aber weniger aufklärerisch als vielmehr: vermessen

Die Kunstinstallation der Woche hat einen relativ simplen Aufbau. Ein Tapeziertisch, an dem drei Gurte befestigt sind. Mit denen können sich Freiwillige in einem kahlen Raum im Studio am Checkpoint Charlie festschnallen lassen und mal ausprobieren, wie sich das so anfühlt: Waterboarding, jene Foltermethode, bei der man das Gefühl hat zu ertrinken und die die CIA gern bei Verhören einsetzt. Wer sich in dem Berliner Ausstellungsraum bereit erklärt, wird von Männern mit schwarzen Sturmmasken gefesselt und bekommt ein Handtuch über den Kopf, über das dann Wasser gegossen wird. Länger als ein paar Sekunden hielt bisher keiner das Gefühl zu ertrinken aus, das sich so einstellt. Neben dem Tisch warten zwei Sanitäter, sicher ist sicher.

Eine unsägliche Foltermethode zum Ausprobieren – ist das der neueste Kick, mit der man sich in Berlin die Hauptstadt-Langeweile vertreibt oder eine Aktion mit aufklärerisch-humanitärem Ansatz? Die Mitmach-Installation des iranischstämmigen Künstlers Iman Rezai mag auf den ersten Blick wie ein Amnesty-International-Vorzeigeprojekt klingen. Schaut man genauer hin, ist die Idee dahinter jedoch vor allem eins: vermessen. Jeder, der sich in Berlin-Mitte im Namen der Kunst, der Selbsterfahrung oder der universalen Menschenrechte auf den Tisch fesseln lässt, weiß ja, dass er sich darauf verlassen kann, dass sofort abgebrochen wird, wenn er das Zeichen dazu gibt.

Genau an dem Punkt beginnt aber die Folter beim Waterboarding – wenn weitergemacht wird, obwohl das Opfer Todesangst hat und meint zu ertrinken. Das bedeutet nicht, dass man in Ausstellungsräumen nun noch realistischer quälen sollte, sondern dass man sich die Anmaßung eines solchen Versuchsaufbaus bewusst machen muss. Zu glauben, man könnte durch eine Kunstinstallation nachempfinden, wie sich ein Guantanamo-Häftling fühlt, ist so ähnlich wie in einem KZ-Saal die Tür für fünf Minuten zu schließen, um zu fühlen, was die Menschen damals empfanden. Es gibt Erfahrungen, die sich der Einfühlung entziehen.

Die Begrenztheit des Als-ob-Folterns kann zumindest jeder leicht in seinem Wohnzimmer ausprobieren. In Guantanamo wurden die Häftlinge auch gequält, indem sie tagelang mit Metallicas "Enter Sandmann" oder der Musik der Sesamstraße beschallt wurden. Dass das Folter sein kann, muss man den Betroffenen glauben. Sich stundenlang diese Songs daheim anzuhören, bringt einen der Erfahrung nicht näher. Man weiß ja, dass man jeden Moment die Aus-Taste drücken kann.

Nur für kurze Zeit!

12 Monate lesen, nur 9 bezahlen

Geschrieben von

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden