Gesund geschrumpft

Fernsehen Im Fernsehen wird gespart. Die US-Serie "Desperate Housewives" verzichtet demnächst sogar auf eine Hauptfigur. In Deutschland gibt es da auch noch Einsparpotenzial

"Auserzählt", so lautet normalerweise die Begründung, wenn das Publikum das Interesse an einer Serienfigur verloren hat, diese vom Bildschirm verschwinden muss. Marc Cherry, Erfinder der US-Serie Desperate Housewives, hat nun unumwunden zugegeben, dass es andere Gründe dafür gibt, dass die boshaften Damen aus der amerikanischen Vorstadt demnächst nicht mehr zu fünft, sondern nur noch zu viert sind. Der Sender ABC habe ihn gezwungen, bei der Besetzung zu sparen. Deshalb stirbt die Blondine Edie Britt, gespielt von Nicolette Sheridan, einen klassischen Serientod: Sie hat einen Autounfall. Schließlich verlangte Sheridan zuletzt zwischen 100.000 und 200.000 Dollar Gage pro Folge. Da kann man bei einer Staffel schon einiges sparen. Eigentlich keine schlechte Idee, auch im deutschen Fernsehen gäbe es noch Potenzial. Die ARD hat bereits auf Oliver Pocher verzichtet, aber da geht noch mehr. Ein paar Vorschläge

Heinz Wolf im Heute Journal: Seitdem die Haupt-Nachrichtensendung des ZDF mit aller Macht auf lässig-amerikanisch getrimmt wird, wirkt Heinz Wolf auf seinem Ansagerstühlchen wie ein Überbleibsel aus einer anderen Zeit. Irgendwie funktioniert die lockere Vornamen-Duzerei mit ihm einfach nicht. Immer wenn Marietta Slomka an Heinz (!) für den Nachrichtenblock übergibt, weiß man: Jetzt wird es sehr, sehr trocken. Dabei bemüht er sich redlich mit dem neuen Stil mitzuhalten, spricht in den laufenden Abspann noch mal ganz locker "Einen schönen Abend" hinein. Das Schlimme daran ist, dass man Heinz Wolf dieses Bemühen um Lockerheit so furchtbar deutlich anmerkt. Besser einsparen.

Die Menschen in der Affen-Serie Unser Charly: Eigentlich reicht der Schimpanse Charly doch völlig aus, die Probleme in der Serie muss er sowieso immer allein lösen. Und die menschlichen Schauspieler in der Serie einzusparen, hätten den großen Vorteil, dass man auf grenzdebile Dialoge wie "Wo ist denn unser Charly?" "Ach, da ist er ja" künftig verzichten könnte.

Reinhold Beckmann: Während ZDF-Kollege Johannes B. Kerner sich ganz offen an seine Gäste ranschleimt, kultiviert Beckmann ab und an noch den Habitus einen kritischen Journalisten, was aber eher Mimikry ist. Richtig ernst macht Beckmann höchstens, wenn die öffentliche Meinung ihr Urteil schon gefällt hat – wie bei seinem hoch gelobten, super-kritischen Interview mit Jan "Ich-habe-niemanden-betrogen"-Ullrich. Allen anderen tritt Beckmann lieber nicht zu nahe, weshalb der Erkenntnisgewinn dieser Gespräche in der Regel eher bescheiden ist.

Tatorte aus dem Saarland: Das größte Problem der ARD - so richtig hat der Föderalismus noch nie funktioniert. Nirgends kann man das deutlicher sehen als bei der völlig unterschiedlichen Qualität der einzelnen Tatort-Folgen. Großes Einsparpotenzial bieten die Tatorte aus Saarbrücken. Weil man offenbar keinen heimischen Schauspieler mit Chefermittler-Qualitäten finden konnte, lässt man mit Maximilian Brückner als Kommissar Franz Kappl einen zugezogenen Münchner in Saarbrücken ermitteln. Schlimmer ist aber noch sein Gegenüber, Gregor Weber alias Kommissar Stephan Deininger. Weber ist bekannt geworden als der Sohn in der Familienserie Heinz Becker. Dabei hätte er bleiben sollen, den Kommissar nimmt ihm wirklich niemand ab. Besser wegkürzen.

Klaus Beimer aus der Lindenstraße: Eine Krise kann bekanntlich immer auch Chance sein - und dem Schauspieler Moritz Sachs würde man wünschen, dass seine Lindenstraße-Rolle Einsparplänen der GEZ-Gebührenverwalter zum Opfer fällt. Sachs spielt seit 1985, seit seinem siebten Lebensjahr, Klausi Beimer. Ursprünglich war die Rolle einmal auf ein Jahr angelegt, aber Klausi Beimer beziehungsweise Moritz Sachs pubertierte vor den Augen der Fernseh-Nation, ging als Jugendlicher durch eine rechtsradikale Phase, aus der ihn seine erste Freundin rettete. Dann studierte er, heiratete und ist mittlerweile wieder geschieden. Sachs ist damit das deutsche Pendant zur Hauptfigur der Truman-Show, nur schafft er es aus eigener Kraft offenbar nicht den Lindenstraßen-Kosmos hinter sich zu lassen. Sparzwänge könnten hier durchaus befreiend wirken.




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