Über die Liebe

Deutscher Buchpreis Monika Zeiner hat mit „Die Ordnung der Sterne über Como“ ein sehr beachtliches Debüt vorgelegt
Ausgabe 40/2013

Vielleicht ist es mit der komplizierten Liebe in Wahrheit ja ganz einfach. Vielleicht ist es mit der komplizierten Liebe am Ende sogar einfacher als mit der unkomplizierten: Man liebt einen Menschen, der abwesend bleibt. Öfter über Wochen, manchmal über Monate, selten auch mal ein paar Jahre lang. Und trifft so wahrscheinlich das Wesen der Liebe, ihren Glutkern, genauer als jene, denen konkret und alltäglich zu lieben vergönnt ist.

Monika Zeiner hat über so eine komplizierte Liebe einen langen Roman geschrieben. Allein das ist schon erstaunlich, denn die 1971 in Würzburg geborene Autorin betritt als Debütantin die literarische Bühne. Sie kommt quasi aus dem Nichts. Dann 600 Seiten vorzulegen, das verdient Respekt, vor einer Frau zumal, denn Dicke-Bücher-Schreiben ist eigentlich eine Angelegenheit von Männern. Nun hat es Die Ordnung der Sterne über Como, im kleinen Blumenbar Verlag erschienen, auf die Shortlist des Deutschen Buchpreises geschafft. Das ist nun die zweite Überraschung, und man muss fragen: Was kann diese Autorin, was andere nicht können?

Diese Frage wiederum ist kompliziert, denn zu bescheiben, was jemand kann, wenn er es kann, ist nicht so einfach. Zumal das Setting von Zeiners Roman von jeder Nacherzählung Lügen gestraft wird. Das ist für einen Roman schon mal gut, wenn die Fabel eines Textes den Text nicht beschreibt. Dann hat man es mit Literatur zu tun. Sie findet bekanntlich zwischen den Zeilen statt, ebenso wie die Liebe, die in keiner Biografie auftaucht, wie es einmal im Roman heißt.

Tom Holler lebt als ziemlich unerfolgreicher Musiker im Prenzlauer Berg der neunziger Jahre. Jener Zeit vor den Touristen und dem Berlinboom, die in dieser Stadt noch mächtig nach den verschlafenen Hinter-der-Mauer-Achtzigern geschmeckt hat, im Ost- und Westteil übrigens gleichermaßen. Jener Tom ist mit Marc Baldur befreundet, der wiederum mit Betty Morgenthal zusammen ist, und alle drei leben in einer WG. So wie man das damals gemacht hat. Aber eigentlich liebt Tom Betty auch und Betty liebt nicht Marc, sondern Tom. Mit Marc ist sie nur zusammen. Und in jener Nacht, als Tom und Betty sich in Como näherkommen, stirbt Marc bei einem Autounfall. Tom und Betty fliehen jeweils in andere Leben, genauer gesagt: Sie fliehen in Ehen, also in konkrete, äußerliche Lieben. Erst nach Jahren, und hier beginnt Zeiners Roman, treffen sie wieder aufeinander. Und der Leser schaut auf die vergangenen rund 15 Jahre zurück.

Ein eigenschaftsloses Trio

Also so richtig spannend klingt das nicht, eine typische Dreiecksgeschichte halt. Aber das Leben ist ja auch nicht wirklich spannend, es sei denn, man arbeitet als Kriegsreporter im Nahen Osten oder so. Und was macht Monika Zeiner mit diesem Setting? Sie kommt ihren Figuren schon von den ersten Seiten an ziemlich nahe und schafft es, mit einer konzentrierten, klugen, angenehm zwischen leichten und tiefen Tönen changierenden Prosa, dass man sich für das doch eher langweilige, ich sage nicht belanglose, aber doch eigenschaftslose Trio interessiert. Dass man weiterlesen will, mit ihnen leidet, und, ja, das ist nun schon sehr viel, dass man mit ihnen liebt. Ohne viel äußeres Drum und Dran schreibt Monika Zeiner dem Leser ins Herz. Das hat so zielgenau schon lange keine deutsche Debütantin mehr geschafft. Oder zumindest erinnert man sich nicht daran. Es sind halt doch die einfachen Geschichten, die erzählt werden müssen, denkt man, wenn man Monika Zeiner liest.

Warum dieses Lob dennoch ein wenig verhalten klingt? Das wiederum ist recht leicht zu sagen. Der Roman ist einfach 200 Seiten zu lang. Vor allem die Berliner WG-Jahre und das Rumtrödeln der drei, vor und nach dem Studium, ihre Zeit der Affären, Clubbesuche und andere nächtliche Unternehmungen, das ist doch sehr langweilig. Hätte sie ihren Roman auf die Geschichte ihrer drei Protagonisten beschränkt und all das andere überflüssige Personal herausgenommen, dieses Debüt hätte wirklich ein großes Buch werden können. Das nächste Mal.

Die Ordnung der Sterne über Como Monika Zeiner Blumenbar 2013, 607 S., 19,90 €

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