Zukunft / Freitag / Bezahltes Internet 2. Teil

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Liebe Alle!
Vielen Dank für diese Debatte!

Als erstes möchte ich gerne ein Missverständnis aufklären: Anna, die ein feines Gehör für Zwischentöne hat, hat mir auf ihre zurückhaltende Art meine misslungene Formulierung unter die Nase gerieben. Und zwar diese:

"Wir bieten hier eine Infrastruktur für Kommunikation zwischen Menschen. Lesern, Bloggern, Redakteuren. Das kostet Geld. Das wollen wir wiederhaben."

Sie hat Recht. Das war flappsig gemeint, ist aber fehlgegangen. Und übrigens auch inhaltlich falsch. Es geht gar nicht ums wiederhaben. Es geht darum, dieses Unternehmen dauerhaft lebensfähig zu machen. Dafür muss das Netz einen Beitrag leisten. Und diesem Zweck dient die Debatte.

Also. Ich habe eine Anzahl von Punkten aus der Fülle Ihrer Antworten destilliert, Aspekte, Ideen, Fragen, Themen ... Ohne Anspruch auf Vollständigkeit.
Ich schreibe jeweils dazu, auf wen sich das meiner Meinung nach bezieht. Bitte mir nicht verübeln, wenn ich bei der Kürzung etwas missverstanden habe!

Ich schlage vor, dass ich das hier präsentiere.

Und dann kann, wer mag, sich dazu noch einmal äußeren und wir dampfen das immer weiter ein bis wir irgendwann einen
harten Kern von Ergebnis haben.

1. Warum kommt das Thema jetzt?
(Friedland)

Das beantworte ich gerne.
Sie müssen es sich so vorstellen: Wir haben im Februar die neue Zeitung herausgebracht. Bis zum Frühsommer haben wir damit Erfahrungen gesammelt, den Workflow perfektioniert, das Team eingearbeitet ... Dann haben wir ein Resumee gezogen und das Blatt leicht verändert. So wie es jetzt ist, gefällt es mir sehr gut - und ich glaube auch nicht, dass wir es mit unseren Mitteln sehr viel besser machen könnten.

Dann haben wir uns stärker dem Online-Auftritt zugewendet. Auch da gab es eine Menge zu lernen und verbessern. Vor allem die Technik ist und bleibt ja unser großes Problem. Da sind bei uns sehr viele Fehler gemacht worden, die wir nun im Rahmen unserer Möglichkeiten Schritt für Schritt verbessern. Zu den Gedanken über Online gehört natürlich auch der der Refinanzierung. Also, um es kurz zu machen. Das ist die eine Seite der Antwort. Die andere ist: Ich glaube nach den ersten Monaten nicht mehr, dass wir mit Online relevante Werbeerlöse haben werden. Es gibt zumindest keinen Grund das zu glauben. Das ist kein Geheimnis: Denn außer den Marktführern setzen alle Informationsauftritte im Netz zu. Zweiter Teil der Antwort also: Werbung bringt nicht genug, andere Quellen müssen aufgetan werden.

2. Wie sind die wirtschaftlichen Daten des Freitag, Print und Online?
(chrisamar, misterL)
Der Freitag befindet sich in der Investitionsphase. Das ist ein anderes Wort dafür, dass er Verluste macht. Das muss irgendwann enden. Sonst kann der Freitag nicht überleben. Die Printauflage entwickelt sich nach oben. Aber nur langsam. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass eine so kleine Zeitung mit wenig Marketing-Etat kaum an die Kioske zu bringen ist: Das Grosso-System drückt die Kleinen raus. Im Bahnhofsbuchhandel, der nach einem anderen System funktioniert, geht es besser. Was den Print-Freitag angeht, muss er am Ende vor allem als Abo-Zeitung funktionieren.

Die Online-Entwicklung sieht so aus: Wir haben inzwischen annähernd 700 000 PIs, 150 000 Unique Users, 4000 Community-Mitglieder, 30 Prozent User Generated Content ... Für mich sind das erfreuliche Zahlen. Vor allem was die Community angeht. Aber Geld nimmt man damit nicht ein.

Nebengeschäfte im Netz bringen für uns ebenfalls nichts. Die Fragen und Befürchtungen, die hier vor allem Anfangs aufkamen - zB Adressverkauf - sind jenseits unserer Realität. (Und nur mal so zum Spaß: Ich glaube, wir haben im vergangenen Monat etwa 3 Euro von Amazon bekommen, weil jemand über unsere Seite ein Buch da bestellt hat ...) Lousy Pennies, hat Burda gesagt. Buchstäblich. Das gleiche gilt für alle anderen Fragen, die v.a. chrisamar aufgeworfen hat: Wir bezahlen den Guardian, nicht umgekehrt. Und für die Bücher gibt es auch nichts ...

Die SZ konnte mit der Buch- und DVD-Edition deshalb so viel verdienen, weil sie erstens die ersten waren, die so etwas gemacht haben und zweitens eine sehr große Reichweite haben.

3. Was ist der Kern dieses Produktes? Was wird geboten, das etwas wert ist? Wohin wollen wir den online-Freitag entwickeln?
(jFenn et alt.)
Der Freitag ist im Kern ein journalistisches Produkt mit einer bestimmten weltanschaulichen Ausrichtung ("irgendwie links"). Wir wollen Gegenöffentlichkeit schaffen und organisieren. Wir wollen Journalismus weiterentwickeln und gemeinsam mit klugen Lesern ein kluges Produkt machen, das sich wirtschaftlich trägt. Die Leser sollen dabei mitwirken, weil es ihnen Spaß macht und weil sie das Gefühl haben, etwas Sinnvolles zu tun. Sinnvoll im Sinne einer gesellschaftlichen Aufgabe. Das ist die Idee. Darum herum lagern sich andere Aspekte, die unter dem Oberbegriff Kommunikation gefasst werden können. Social Network Funktionen gehören unbedingt dazu. Ist das etwas "wert"? Ich finde ja.



4. In welchem Zustand ist der Freitag? Wie finden wir das Produkt? Welche Kritik haben wir?
Da will ich die Kritikpunkte, die cms aufgelistet hat, einfach direkt übernehmen:
- Ladezeiten
- intuitive bedienbares, möglichst einfaches Layout
- Leser wollen in der Community mit ihren Beiträgen nicht untergehen, wie es leider bei vielen Blogbeiträgen passiert (bzw. so erscheint, weil die Zugriffszahlen nicht öffentlich sind)
- Leser wollen nicht immer von den selben kommentiert werden, was nur dann funktioniert, wenn die wirklich aktive Community wächst (Teufelskreis)
- Leser wollen mit Autoren diskutierten; das klappt je nach Autor gut bis gar nicht

Alles richtig. Alles ein Problem. Alles Dinge, an denen wir / ich arbeite(n). Das ist sozusagen mein täglicher Job. Ich verstehe auch, dass jede Idee, Geld im Netz zu nehmen, mit dem Status dieser Fragen zusammenhängt.

5. Verhältnis von Netz und Print
Weniger Netz (jFenn)
Mehr Print (sachichma)
Unser Umsatz kommt von Print. Wie oben ausgeführt, werden wir dort versuchen, weiter auszubauen. Das Netz ist für uns aus inhaltlichen Gründen wichtig: Die Community, die Idee der selbsverantwortlichen Leser / Mitgestalter braucht das Netz. Aber das Netz kostet sehr viel Geld. Es muss auch selber einen Deckungsbeitrag erwirtschaften. Darum geht es hier. Also: Sowohl als auch. Ein Entweder-Oder ist keine Option.

Und jetzt kommen wir zu den Einzelheiten:

6. Je mehr Einfluss für die Nutzer, desto höher die Bereitschaft zu zahlen.
(streifzug, misterL)
Das entspricht genau meinem Denken. Das ist ein hartes und faires Angebot. Es ist für uns eine Herausforderung, ein Produkt und einen workflow zu entwickeln, der einen Einstieg in ein solches Modell ermöglicht. Darüber müssen wir unbedingt weiter reden!

7. Was halten wir von einem Genossenschaftsmodell
(sputnik-südstern, klara, et alt)
Sehr viel.
Wie Sie vielleicht wissen, habe ich mit der Gesellschafterversammlung des Spiegel zu tun und erlebe da ein großes Unternehmen, dessen eine Hälfte den Mitarbeitern gehört. Das funktioniert ausgesprochen gut. Ich habe gar nichts dagegen, eine Hälfte des Freitag, oder mehr, an eine Genossenschaft zu verkaufen. Ich teile nur den Zweifel vieler Kommentatoren hier, ob sich eine genügend große Genossenschaft für den Freitag fände. Wir sind nicht die taz und die Zeit für solche Aktionen ist vielleicht auch ein bisschen vorüber ... Außerdem, und auch das wurde hier angemerkt, bringt man mit dem Genossenschaftsmodel Geld für Investitionen auf. Uns geht es hier aber um den laufenden Betrieb. Das ist keine Absage an ein solches Modell. Im Gegenteil: Ich finde, man sollte darüber unbedingt nachdenken.

8. Verein oder Stiftung
(misterL)
Erst müsste das Unternehmen schwarze Zahlen schreiben, bevor man daran denken kann.

9. Freiwillige Beiträge
(MH, JA, klara, Magda, et alt.)
Das halte ich unbedingt für einen guten Weg. Die Umsetzung ist sehr entscheidend.
Orientiert man sich an shareware-Programmen, die den Nutzer alle paar Tage auffordern, einen Betrag zu überweisen und dafür einen Freischaltugnscode zu kaufen - der dann die Aufforderung abstellt. Wenn der Nutzer ablehnt, kann er aber dennoch weiter das Programm gebrauchen. Wie invasiv darf so etwas sein, ein Layer über der Seite, der weggecklickt werden muss; eine Aufforderung am Rand? Arbeitet man mit Wiki-Spendenzielen (MH)?

10. Zahlungsmodalitäten
(donda)
Sehr wichtige Frage: Welche Modalitäten würde die Community akzeptieren?
PayPal? Einzug? Kreditkarte? PrePaid?

JA

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Jakob Augstein

Journalist und Gärtner in Berlin

Jakob Augstein

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