Der berechtigte Rassismus

Eine Warnung Die Politik wiederholt in der aktuellen Zuwanderungsdebatte die Fehler der 90er Jahre.

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Es sind Déjà-vu-Erlebnisse, welche die mediale Berichterstattung rund um die Aufnahme von Flüchtlingen und die Zuwanderung von Roma begleiten. In Berlin-Hellersdorf betont ein Mann, er sei nicht rechts, um kurz danach wegen des Zeigens eines Hitlergrußes abgeführt zu werden, während in Duisburg-Rheinhausen offen zur Brandstiftung und zum Mord aufgerufen wird. Bilder wie diese lassen jene Erinnerungen an die brennenden Häuser in Rostock-Lichtenhagen, an die Anschläge in Mölln und Solingen wieder aufkommen. Und erneut sind dies nur die herausragenden Spitzen einer Debatte, die von Alltagsrassismen, Vorurteilen und Ablehnung dominiert wird.

Erneut, so erscheint es, ist es auch wieder die etablierte Politik, sind es die etablierten Parteien, die dieser Debatte in ihren Ausformungen folgen. Natürlich werden Exzesse, wie die oben genannten, verurteilt. Das Fundament dieser Auswüchse, der Moloch in dem sie entstehen, jedoch wird genährt durch eine unvorsichtige Rhetorik und ein Mangel an Abgrenzung zur radikalen Rechten. Auch dies, so kann man zweifellos feststellen, ist eine Parallele zu den pogromartigen Ausschreitungen der 90er Jahre, die von einem Großteil der sogenannten bürgerlichen Mitte durchaus goutiert wurden.

Im Mittelpunkt dieser Rhetorik steht der Begriff der „berechtigten Sorgen und Ängste“, den vor allem der Duisburger Oberbürgermeister Sören Link gern im Munde führt. Das Problem an dieser Wendung ist, dass sie rassistische Äußerungen legitimiert, weil offensichtlich eine berechtigte Grundlage dafür bestünde. Dass eine solche rhetorische Legitimation äußerst reale Konsequenzen haben kann sieht man daran, dass Flüchtlingsheime oder Häuser, in denen zugezogene Roma wohnen, aus Angst vor Übergriffen inzwischen von engagierten Menschen geschützt werden.

Der Begriff der Berechtigung liegt dabei einer politischen und sprachlichen Fehleinschätzung zu Grunde. Gemeint sind voraussichtlich „verständliche“ oder „nachvollziehbare“ Sorgen und Ängste. Die Angst vor dem Fremden, die Einfachheit des Vorurteils – dies alles sind Erfahrungen, welche wir historisch in den verschiedensten Epochen und Gesellschaften finden können. Ein Verhalten oder eine Meinung nachvollziehen oder verstehen zu können beschreibt jedoch etwas diametral anderes, als sie als berechtigt anzusehen. Auch Dinge, die keinerlei Berechtigung haben kann man als nachvollziehbar ansehen. Es bedarf dann der Aufklärung und dem Versuch einer neuen Urteilsbildung.

Ähnlich verhält es sich auch in der aktuellen Debatte. Ein Stammtisch ist nun einmal kein soziologisches Seminar und man kann auch nicht von einer breiten Bevölkerung erwarten, dass sie wissenschaftliche Studien oder auch nur ein breites Pressespektrum rezipiert. Aus diesem Grund wäre es Aufgabe der Politik, allerdings auch der Lokalpresse, moderierend und erklärend aufzutreten. Dabei darf es jedoch keinesfalls dazu kommen, dass ein „Wir und Die“ entsteht. Meinungen, die auf dem Fundament von Vorurteilen und Ressentiments gegründet werden, dürfen nicht durch staatliche Stellen eine Berechtigung erfahren. Ein Wort des Verständnisses hingegen ist angebracht und einleitend sinnvoll. Andererseits findet eine Abwendung vom Dialog und ein Zuwendung zu der ausschließenden Politik der radikalen Rechten statt.

Es erscheint jedoch so, dass auch die etablierten Parteien der bürgerlichen Mitte, damit vor allem die SPD und die CDU, sich der Sprache des bürgerlichen Rassismus bedienen und somit eine Legitimation herbeiführen. Ein Verurteilung der radikalen Rechten, bei gleichzeitiger Warnung vor der Linken, dient nur dazu die Alltagsrassismen zu festigen und die Stimmenwanderung zu Parteien der radikalen Rechten zu unterbinden. Einem friedlichen und verständnisvollem Zusammenleben läuft dies zuwider. Gerade die Organisation des friedlichen Zusammenlebens ist jedoch auch die Aufgabe eines Staates. Wenn er dies nicht gewährleisten kann, delegitimiert er sich sukzessive selbst. Gerade das sollte man aus Rostock-Lichtenhagen gelernt haben.

Ein weiterer Artikel zu dem Thema erschien auf dem Blog DannLinks unter dem Titel "Duisburger Verhältnisse".

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