Die Kunst des Biertrinkens

Der Koch Die Deutschen trinken weniger Bier. Doch nicht auf die Quantität, sondern auf die Qualität kommt es an
Ausgabe 06/2014
Die Kunst des Biertrinkens

Illu: Otto

Hey, Sie da. Ja, Sie: Trinken Sie mehr Bier! Kommen Sie Ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nach. Dazu gehört, es öfter „plopp“ machen zu lassen. Sonst kann es sein, dass die Bierrepublik Deutschland sich bald im Mittelfeld des Nationenrankings wiederfindet. Und das kurz bevor das deutsche Reinheitsgebot, im Ausland so bekannt wie Franz Beckenbauer und der Volkswagen, seinen 500. Geburtstag feiert. Wollen Sie das? Nein. Also!

Die Deutschen trinken immer weniger Bier. Nur noch 94,6 Millionen Hektoliter Bier konnten die heimischen Brauer im vergangenen Jahr absetzen, hat das Statistische Bundesamt eben bekanntgegeben. Das sind fast zwei Prozent weniger als im Vorjahr. Damit Sie die Zahl auch richtig verstehen: Das ist der niedrigste Stand seit der Wiedervereinigung und seit nunmehr sieben Jahren sinkt der heimische Konsum. Schrillen jetzt die Alarmglocken?

Sie können sie gleich wieder abschalten. Rechnet man die Zahl um, dann trinkt jeder Deutsche am Tag eine 0,33-Liter-Flasche Bier. Ziemlich beachtlich. In den siebziger Jahren war es zwar noch mehr, ungefähr eine Halbliterflasche am Tag, aber ich finde, bei dem Durchschnitt kann man darüber hinwegsehen, dass die Tschechen und Österreicher im Bierverbrauch höher liegen. Rechnet man hinzu, dass hierzulande nicht nur Bier, sondern auch Wein getrunken wird, dann kann man die Deutschen immer noch als dauerhaft angedüdeltes Volk betrachten.

Ich trinke seit etwa einem Jahr regelmäßig Bier. Der Beruf als Food-Journalist bringt es mit sich, dass ich mich auch mit der alkoholischen Seite des Metiers beschäftige. Über Weine kann man viel lesen, über Biere umso weniger. Wenn es um gutes Bier geht, empfehlen mir Menschen immer wieder Supermarkt- und Fernsehbiere und können darüber räsonieren, ob etwa ein Friesisch-Herbes besser ist als die Perle der Natur. Aber ich erkenne kaum einen Unterschied. Pils ist Pils ist Pils, der kleinste gemeinsame Nenner deutschen Biergeschmacks: wie Toastbrot.

Urform des Flatrate-Trinkens

Dabei gibt es 1.300 Brauereien im Land und die machen oft Biere, die vom Geschmack her viel mehr Gesprächsstoff bieten. Ich werde nie im Leben die ganze Vielfalt der deutschen Malzgetränkelandschaft abschreiten können, aber der Weg ist das Ziel.

Das Interessante dabei, wenn man Bier einen Geschmack abgewinnen will und nach interessanten Doppelböcken, Rauchbieren, Märzen oder Altbieren Ausschau hält: Mein Konsumverhalten hat sich stark verändert. Dass ich Bier gegen den Durst trinke, passiert mir nur noch selten. Stattdessen öffne ich mit Freunden verschiedene Flaschen und wir teilen uns neugierig den Inhalt. Ich komme aus Bayern. Da wird immer noch Anerkennung gezollt, wenn jemand einen guten Zug hat und einHalbliterglas ohne Absetzen halbwegs leert. Das kommt mir inzwischen wie die Urform des Flatrate-Trinkens vor. Und nebenbei: Kennen Sie den Unterschied zwischen Bockbier und Märzen? Es gibt wahrscheinlich mehr Deutsche, die sagen können, was Chianti von Bordeaux unterscheidet.

Quantität ist nicht entscheidend. Die Konzentration auf die Masse in der Statistik kommt nur daher, weil Bier noch vor Jahrzehnten als Grundnahrungsmittel diente. Sollte der Bierverbrauch weiter sinken, dann hoffentlich auch, weil mehr Leute Geschmack entwickeln, Bier ein Aroma abgewinnen wollen und können, es sich vom Alltagstrunk zum Genussgetränk verändert, der alkoholischen Wirkung eingedenk.

Wie man auf den Geschmack kommt? Zum Beispiel so: Nehmen sie sich ein Rotweinglas und gießen Sie ihr Fernsehbier wie einen guten Chianti ein. Lassen Sie es etwas atmen. Und dann kosten Sie. Ja, Sie!


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Geschrieben von

Jörn Kabisch

Stellvertretender Chefredakteur des Freitag von 2008 - 2012 und Kolumnist bis 2022, seitdem Wirt im Gasthaus zum Schwan in Castell

Jörn Kabisch

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