Kochen Sie auch für sich alleine?

Koch oder Gärtner Einsam, verschlossen oder gar asozial? Wenn er kreiert braucht unser Koch niemanden bei sich, er steht am liebsten allein in der Küche. Nur sein Kater darf ihm zuschauen

Keine Frage. Ich koche ausschließlich für mich alleine. Am schönsten ist das, wenn abends Gäste kommen. Im besten Fall ist dann der ganze Tag verplant, und wenn ich mittags vom Einkaufen nach Hause komme, dann wird es einsam um mich. Nur Hungerlaute können mich aus der inneren Emigration hervorholen, das Gebrüll meines Katers vor seinem leeren Napf mit Sicherheit.

Er ist überhaupt das einzige Wesen, das mir in der Küche noch Gesellschaft leistet. Von seinem Platz auf dem Küchenstuhl beobachtet er über Stunden konzentriert und leise, was an Herd und Spüle vor sich geht. Für ihn scheint das wie Fernsehen zu sein. Er hat leider nur ein Gespür dafür, wenn die ganze Klapperei, das Brodeln und Zischen dem Höhepunkt zustreben. Wenn also die Nudeln noch dreißig Sekunden brauchen, ich bis dahin nach neuem Rezept noch eine Vinaigrette machen will – mit Tahin und einem kleinen Spritzer Granatapfelsirup. Dann setzt er zum Culinarius interruptus an.

Was habe ich mir schon alles anhören müssen, von Freunden, Mitbewohnern, Geliebten: Wie unkommunikativ ich sei, total absorbiert, ach was, wie asozial. Sie haben mit allem Recht. Aber hey, was soll’s, wenn es hinterher lecker Essen gibt. Ich brauche kein Küchenbier, keine Küchenmusik und auch keine ange­nehme Unterhaltung. Wenn ich koche, führe ich die mit mir. Alles andere reißt mich aus der Konzentration. Und wer, bitte schön, hat gesagt, dass Menschen miteinander kochen sollen?

Wie soll das auch gehen, miteinander kochen? Schon ein Blick in eine Restaurantküche zeigt, dass das eine ganz schlechte Idee ist. Profis kochen nicht gemeinsam, sondern nebeneinander, alle Tätigkeiten sind genau verteilt, und wenn es am Ende dem Chefkoch nicht schmeckt, dann setzt es – leider noch viel zu oft – Gebrüll.

Es ist wie meditieren

Für die Arbeitsteilung gibt es gute Gründe. Sich ein Schneidbrett zu teilen, um gemeinsam Karotten zu schneiden, hebt das Verletzungsrisiko enorm. Und je mehr Menschen an einem Eintopf zugange sind, um so mehr Gewürze werden am Ende drin sein, weil der eine nichts ohne Tabasco macht, die andere nichts ohne Muskatnuss und der Dritte verzweifelt vor dem Spirituosenschrank steht: „Das kann doch nicht sein. Der Sherry ist alle.“ Mir ist behagliche Einsamkeit oft lieber als Geistesverwandtschaft auf gut Glück. Dieser Satz stammt von der amerikanischen Essayistin M.F.K. Fisher. Sie hat damit 1949 begründet, warum sie lieber allein am Herd steht. Besser kann man es nicht formulieren.

Es ist nicht so, dass ich Menschen nicht in meine Küche lasse. Es muss nur klar sein, wer der Chefkoch ist – sie oder ich? Hierarchie hebt den Geschmack.

Am liebsten aber bin ich in der Küche immer noch mit mir allein. Es gibt viele Menschen, die diese Situation mit Meditation vergleichen. Da ist was dran. Der Kopf schaltet ab, dafür fangen Augen, Nase und Ohren an zu denken, vor allem die Hände – und die innere Stimme zieht sich zurück. Sogar wenn ich nach einem einfachen Rezept arbeite, muss ich unzählige Male auf die Anleitung sehen: Ach ja, zwei Teelöffel Sojasauce müssen in die Marinade für das Hühnchen. Wahrscheinlich habe ich das aber schon wieder vergessen, wenn ich die Flasche mit der Sojasauce in der Hand habe. Sprachliche Informationen werden, wenn ich am Herd stehe, in die Warteschleife geschoben. Aber wenn Pinienkerne beim Rösten in der Pfanne schon zu braun riechen, reagiere ich blitzschnell.

Mein einziger Fehler ist nur, dass ich zu oft auch alleine esse. Wenn ein Menü in meinen Augen besonders gut gelungen ist, sehen mich meine Gäste schon recht satt. Ich habe hinter mir, was die anderen noch vor sich haben. Das könnte besser laufen.

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Geschrieben von

Jörn Kabisch

Stellvertretender Chefredakteur des Freitag von 2008 - 2012 und Kolumnist bis 2022, seitdem Wirt im Gasthaus zum Schwan in Castell

Jörn Kabisch

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