Mobile Ferienküche

Der Koch Warum steht unser Gourmet auch in der Fremde am Herd? Weil es seine Art ist, sich die verschiedenen kulinarischen Eigenheiten ausländischer Küche anzueignen
Ausgabe 31/2013
Mobile Ferienküche

Illustration: Otto

Die Koffer stehen im Flur, morgen geht es los. Nur noch eins muss ich packen. Die Küche. In den Ferien darf die eigentlich nicht fehlen. Und sind die Kochutensilien erst mal in der Tasche, bin ich abfahrbereit.

Es gibt Menschen, die begleitet auf Reisen ein bestimmtes Parfum, ein kleiner Talisman, ein Schmuckstück, das sie an die Heimat erinnert, ihre eigentliche Verortung. Ja, wahrscheinlich stimmt das auch für mich, wenn ich eines meiner Messer in ein Handtuch eingerollt zwischen die Hosen im Koffer stecke. Aber ehrlich: Wo im Ausland fühlt man sich eigentlich noch so richtig fremd? Die Läden sind gleich, im Sommer werden auf der ganzen Welt Flip-Flops getragen, und wenn man will, bekommt man in jedem Hotel wenigstens ein „Continental Breakfast“. Um den Kontakt mit zu Hause nicht zu verlieren, steht schon irgendwo ein Computer, um die Mails oder Facebook abzurufen. „Und du glaubst nicht, wie leicht es ist, eine Webcam zu installieren.“ Diesen Satz habe ich in den letzten Wochen auffällig oft gehört.

Trotzdem werden da Milchschäumer eingepackt, um auch im Apartment auf Naxos einen schönen Latte zubereiten zu können. Der gewohnte Bohnenkaffee kommt mit, ein Glas guter Marmelade oder eine Dose Leberwurst. Ich kann an solchen Gewohnheiten gar nichts finden. Dürfen Deutsche nicht auch den Klischees entsprechen, die sie über andere Völker pflegen? Zum Beispiel, dass Südländer den Kofferraum voll Lebensmitteln aus der Heimat nach Deutschland zurückfahren. Was ist dagegen der halbe Laib Allgäuer Bergkäse, den ich schon auf Wunsch nach Sumatra eingeflogen habe?

Wo ist die Pfeffermühle?

Eine Interpretation deutschen Graubrotes kann man inzwischen in den Hotels auf der ganzen Welt finden. Aber auch in Deutschland beugt man sich fremden Essenssitten. In Rothenburg ob der Tauber, der alten Mittelalterstadt und einem Hotspot für Besucher aus Japan, habe ich morgens einmal vor einem großen Hotelbuffet mit Reis, Reisbrei, scharf-sauer eingelegtem Gemüse und rohem Fisch gestanden. Ich war neugierig, bediente mich reichlich und habe mich selten auf der Welt irgendwo fremder gefühlt als bei diesem Frühstück inmitten alter Fachwerkmauern. Die Japaner dagegen ließen sich Rührei und Rostbratwürstel schmecken.

Ins Hotel gehen und ein paar Wochen nicht kochen müssen: Ist das nicht der eigentliche Luxus einer Reise? Nein. Ich besuche im Urlaub zwar auch so einige Restaurants, aber es gibt für mich nichts Schöneres als sich die Kulinarik sofort einzuverleiben. Mit einem Gang durch den Supermarkt, am liebsten den größten vor Ort – das kann länger dauern als ein Museumsbesuch: Und das anschließende Finale am Herd. Da kann man Fremde entdecken, abbauen und schätzen lernen. Oder sich auch nur davon erholen, wenn man zu oft gastronomischem Nepp aufgesessen ist. Küchen in Ferienwohnungen sind eine eigene Herausforderung. Meiner Erfahrung nach ist die Chance größer, einen sensorbetriebenen Infrarottoaster vorzufinden als eine anständige Pfeffermühle.

Außerdem: Geschirrhandtücher gibt es nie genug. Mir sind fremde Sparschäler und die Brettchen immer zu klein, Korkenzieher sind meist Flaschenhalsbrecher, und der Pürierstab ist in jedem Urlaub wieder eine Entdeckung. Wie gesagt: ohne eines meiner Küchenmesser kann ich ohnehin nicht verreisen. Für den kleinen Luxus kommt die Espressokanne mit. Gewürze, Pesto, Öl oder Müsli stehen allerdings nicht auf der Checkliste. Ich will ja nicht kochen wie zu Hause. Ich besitze aber eine Reisepfeffermühle. Bleibt die Frage, wohin ich verreise.

Die Antwort kommt. Versprochen.

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Geschrieben von

Jörn Kabisch

Stellvertretender Chefredakteur des Freitag von 2008 - 2012 und Kolumnist bis 2022, seitdem Wirt im Gasthaus zum Schwan in Castell

Jörn Kabisch

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