Soll man weiter Lasagne essen?

Der Koch In Restaurants hatte sie eigentlich noch nie etwas zu suchen. Ein genialer Klassiker der italienischen Küche ist sie trotzdem. Man muss sich nur Zeit nehmen
Soll man weiter Lasagne essen?

Illustration: Otto

Wann habe ich eigentlich das letzte Mal Lasagne gegessen? Ich weiß nicht mehr. Aber weil sie wieder in aller Munde ist, habe ich mich dem Zeitgeist gebeugt und eine gekocht. Wäre doch schade, wenn über das Pferdefleisch dieses schöne Gericht ganz aus der Mode käme.

Lasagne ist einer der großen Klassiker der italienischen Küche: Wenn man mich nach etwas fragen würde, was richtig gut ist und vom Stiefel kommt, dann würde ich ohne Nachdenken sagen: Saltimbocca, Vitello Tonnato und Lasagne. Das sind die Gerichte, die ich nur einmal essen musste, um mir ihren Namen für alle Ewigkeiten zu merken. Es ist das Gleiche wie mit: "Gong Bao di ching", ein Hähnchengericht das ich in China gegessen habe. Diese vier Worte werde ich auch nie vergessen. Ich sollte mal meine Mutter fragen, wann ich das erste Mal "Lasagne" sagte? Ich kann mich nicht mehr erinnern.

Ziegel mit Soße

Eigentlich ist Lasagne schon längst ein "Has been". Beim Nudel- und Pizza-Italiener um die Ecke findet sie zwar noch immer auf vielen Speisekarten, aber meist ganz hinten zusammen mit Canneloni al forno. Die Botschaft ist eindeutig: Bestell das bloß nicht! Wer es doch macht, bekommt die Rechnung auf dem Fuße: Ein unter weißer Bechamel-Soße versteckten Ziegel, an den Seiten sickert rote Sauce heraus, und der Schmelzkäse darauf ist dunkelbraun bis schwarz verbrannt. Es ist mir schon passiert, dass ich mir an dem Äußeren die Zunge verbrannt habe, eine Gabel aus den Tiefen des Ungetüms aber gleich Kühlung brachte. Eindeutig Tiefkühlware.

In Italien dagegen sehe ich selten Restaurants, die den Nudelauflauf anbieten. Dieses Gericht sperrt sich gegen die normale Menüabfolge. Denn als Nudelgericht gehört es zu den Primi Piatti, muss also eigentlich vor dem Fleischgang serviert werden. Zugleich ist die klassische Lasagne eine so herzhafte und fleischlastige Angelegenheit und absolut keine Vorspeise.

Ein Marathon, der sich lohnt

Ich glaube, italienische Gastronomen ziehen den richtigen Schluss: Lasagne ist Hausmannskost, sie schmeckt am besten, wenn sie in einer großen Auflaufform dampfend auf den Tisch gestellt wird, wo schon eine große Schüssel mit einem einfachen, frischem Salat steht und mindestens sechs Mäuler in der Erwartung sitzen, gehörig über den Hunger zu essen.

Das ist auch dringend notwendig. Lasagne zuzubereiten dauert. Ich lasse die Soße Bolognese über zwei Stunden schmoren und die Bechamelsoße mindestens eine halbe Stunde eindicken, dann verliert sich der muffige Geschmack in der Milch-Mehlschwitze. Die Zeit, die es braucht, um Nudeln, Soßen und Käse zu schichten, schätze ich immer falsch, also zu kurz ein. Und dann muss der Nudelauflauf noch eine dreiviertel Stunde in den Ofen. Für so einen Marathon hat sich jeder Koch eine Belohnung verdient. Man sollte sich viele Esser einladen und schlechte Esser erst gar nicht an Tisch bitten. Oder vielleicht auch erst recht. Dem Zauber der Lasagne erliegen alle.

Noch besser ist eigentlich, wenn sich die vielen Esser gleich selbst um den Auflauf kümmern. Ich denke bei Lasagne auch immer romantisch an italienische Mamas, die sich zum Kochen treffen, gemeinsam in der Küche sitzen, schwatzen, streiten und dabei Nudeln formen, Gemüse schneiden und in den Pfannen rühren. Die Lasagne ist ein Gericht, wie für solche Get-togethers gemacht. Es verzeiht viele Köche: Ganz egal, ob Claudia schon Muskat in die Bechamel in gegeben hat, und Maria auch, die dritte Prise von Silvia verschmerzt sie auch noch. Das Gleiche mit der Bolognese: Oregano, Rosmarin oder Thymian - nur immer rein damit. Wenn sie am Ende in den in den Ofen kommt, wird die Lasagne zu ihrer eigenen Köchin - und verbindet und verschmilzt die vielen unterschiedlichen Zutaten zu einem großen harmonischen Ganzen. Am Ende wird Silvia noch Schulterklopfen bekomemn, weil aus ihrer Extra-Prise diese feine Muskatnote geworden ist.

Sie glauben mir nicht? Dann nehmen Sie sich einen Tag frei und stellen sich an den Herd. Und wenn Sie zu viel gemacht haben: Lasagne schmeckt am nächsten Tag noch köstlicher. Einfrieren lässt sie sich bekanntermaßen auch.

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Geschrieben von

Jörn Kabisch

Stellvertretender Chefredakteur des Freitag von 2008 - 2012 und Kolumnist bis 2022, seitdem Wirt im Gasthaus zum Schwan in Castell

Jörn Kabisch

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