Superläckää?

Der Koch Unser Kolumnist hat ein Problem mit dem Wort "lecker". Läckää. "Lecker" ist das Maggi der Küchensprache – eine Zutat, die man sich sparen kann. Nur, was sagt man dann?
Superläckää?

Illustration: Otto

Ich sehe normalerweise Frauen selten auf den Busen. Aber manchmal geht es nicht anders. Zum Beispiel, wenn auf dem weißen Schlabber-T-Shirt in Brusthöhe in krakeliger Schrift „Schmackofatz“ steht. Ich habe mich an dem Wort für ein paar Sekunden zu lange festgelesen. Dann bekam ich einen wütenden Blick. Dabei hätte ich die Frau umarmen können. „Schmackofatz“, schon seit Wochen habe ich nach dem Ausdruck gesucht.

Wenn man seit Jahren Texte über Essen und Kulinarik schreibt, (ich kann mich kaum erinnern, wann ich genau damit angefangen habe), dann steht man immer wieder vor der Frage, wie man eine gute Mahlzeit beschreiben soll. Wie soll man sagen, dass es schmeckt, und dem Leser auch noch ein konkretes Geschmackserlebnis vermitteln? Das erlebt jeder einmal, der sich viel mit Essen auseinandersetzt und seinem Gastgeber sagen will, dass sein Essen wirklich köstlich war.

Es gibt da ein Wort, vor dem hüte ich mich. Es wird ständig verwendet, so oft, dass ich immer daran denken muss, wie modern es in den Neunzigern war, zu allem und jedem „geil“ zu sagen. Heute sagt man zu allem und jedem „lecker“. Kaum ein Fernsehspot oder eine Radiowerbung für einen neuen Joghurt oder eine neue Tiefkühlpizza kommt ohne aus. Es ist ein Wort, das ich ziemlich unappetitlich finde. Aber man kann sich kaum dagegen wehren. Auch mir rutscht es immer in die Sprache, und dann schüttelt es mich leicht.

Es gibt einen, der spricht dieses Wort genau so aus, wie es gemeint ist: Der Koch Steffen Henssler sagt es in seiner Sendung Topfgeldjäger ständig und verzieht den Mund dabei so breit, dass man fürchtet, gleich springt die Zunge hervor und schleckt über die Kameralinse: „Läckäa“. Dieses „Läckäa“ habe ich immer im Ohr, und es wird nicht besser, wenn in der Werbung von „superläckäa“ oder „läckäa, läckäa, läckäa“ die Rede ist.

Das Wort selbst kann dafür natürlich gar nichts. Es ist uralt und bedeutet im ursprünglichen Wortsinn „gut zu lecken“. Schon Goethe ließ Wilhelm Meister von der „leckeren Wirkung“ allerlei Spezereien auf Leib und Seele berichten. Auch die Gebrüder Grimm sammelten es ein für ihr Deutsches Wörterbuch.

Sie fanden aber auch noch einen anderen Begriff: „leckerisch“ muss im 19. Jahrhundert eine Bezeichnung für einen ziemlich nichtsnutzigen Playboy gewesen sein. Ein Mensch, den wir heute liederlich nennen würden.

Es ist der Gebrauch, auf den es ankommt. Es gibt Menschen, die können keine Suppe essen ohne einen Schuss Maggi darin. So ist das auch mit dem Wort lecker. Es ist das Maggi der Küchensprache: eine Zutat, die man sich sparen kann. Und doch wird sie viel zu oft benutzt. Dabei ist „lecker“ ein magerer, geschmackloser und recht nichtssagender Begriff. Es ist, wie eine Frau hübsch zu nennen, die ein Schlabber-Shirt trägt, auf dem „Schmackofatz“ steht. Das war sie tatsächlich auch, in meinen Augen. Aber sagt Ihnen das irgendetwas?

Es würde wenigen Menschen in den Sinn kommen, ein gutes Glas Wein als lecker zu bezeichnen. Das „Lecker“ des Weintrinkers ist „trocken“. Wenn es um Spirituosen geht, existiert, um Geschmack und Genuss zu beschreiben, ein komplexer, oft auch exklusiver Wortschatz. Warum aber sollte man sich nicht bemühen, das, was vor einem auf dem Teller liegt, ähnlich und mit mehr Worten zu beschreiben als einem schnellen „lecker“? Denn ehrlich: So oft, wie wir „lecker“ sagen, passiert es nicht, dass man nach der letzten Gabel noch mit der Zunge in die Mundwinkel fahren und die Reste vom Teller schlecken will. Mir schmeckt es manchmal so gut, dass ich nicht anders kann. Das Geräusch das dabei entsteht, klingt wie – naja, eben genau wie „schmackofatz“.

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Geschrieben von

Jörn Kabisch

Stellvertretender Chefredakteur des Freitag von 2008 - 2012 und Kolumnist bis 2022, seitdem Wirt im Gasthaus zum Schwan in Castell

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