Warum der Kürbis mehr als Suppe kann

Der Koch Kann man aus Kürbis nur Suppe machen? Nein. Erst recht nicht an Halloween. Der Kürbis macht uns erfinderisch, auch wenn es noch bei der Rechtschreibung hakt
Ausgabe 44/2013
Warum der Kürbis mehr als Suppe kann

Illustration: Otto

Ja, dabei könnte es sich auch um Kürbisse handeln: „Hokkdinida“ steht auf dem Schild an dem Stand kurz vor der Kurve. Man sieht zurzeit viel davon, fährt man über Land. Denn es ist Halloween. Die Stände, die sonst Spargel, Erdbeeren oder Pilze anbieten, haben große Haufen von Kürbissen aufgetürmt. Manchmal liegen sie auch einfach am Straßenrand, ohne eine Menschenseele, die sich um den Verkauf kümmern würde. Man darf selbst entscheiden, ob man die gewünschte Summe in die Sparbüchse steckt. Auch bei den „Hokkdinida“, einer Sorte, die mir in Bayern begegnet ist, war das so. Es handelte sich um orangerote Exemplare, fast so groß wie Medizinbälle und geeignet, mich darauf „niederzuhocken“, aber eigentlich sahen sie doch eher nach Hokkaidos aus.

Der Kürbis: Es ist die schiere Größe und die harte Schale dieser Frucht, die uns erfinderisch gemacht hat, daraus mehr zu machen als nur eine Zutat. Nicht nur als Sitzgelegenheiten (wofür sich andere Kürbisse übrigens weit besser eignen als der Hokkaido), als Laterne, Instrument, Maske, Zierrat oder auch als Schüssel oder Becher. Es mag sein, dass außerdem nur wenigen beim Gedanken daran das Wasser im Mund zusammenlief. So wie dem populären französischen Kochbuchautor, der unter dem Pseudonym Menon publizierte: „Sie taugen zu nichts anderem als zu Suppe mit Milch“, schrieb der schon Ende des 18. Jahrhunderts.

Doch es hat eine Renaissance eingesetzt. Zu verdanken ist das vor allem dem – genau „Hokkdinida“. Der Hokkaido schmeckt nussig, ein wenig wie Kastanie, in Frankreich wird er darum auch Potimarron genannt, Maronenkürbis. Ein weiterer Vorteil: Seine Schale ist essbar, im gekochten Zustand. Doch am wichtigsten: Es gibt ihn eigentlich nie so ausladend wie ein Sitzpuff, sondern eher handballgroß, was auch in kleineren Haushalten den Respekt vor der Bevorratung abgebaut haben dürfte. Denn einen Kürbis zu kaufen und ihn dann wochenlang zu Suppe pürieren zu müssen, ist keine schöne Vorstellung.

Diesen Kürbis nur zu Brei zu machen, finde ich aber langweilig. Es gibt viel mehr Möglichkeiten: Für Faule bietet sich an, den Hokkaido in Stücke zu schneiden, zu salzen, in etwas Olivenöl zu wenden und dann im Ofen zu backen. Unter der karamellisierten Kruste beißt man dann in butterweiches Kürbisfleisch, sehr köstlich. Wegen der Süße, die sich beim Kochen entwickelt, kann man auch starke Aromen dagegensetzen, zum Beispiel Salbei. Es gibt ein Risotto-Rezept aus Norditalien, bei der ich diese Kombination entdeckt habe, sie inzwischen aber nicht nur mit Reis, sondern auch mit Pasta versucht habe. Einer meiner Favoriten ist aber Matjes. Salzsaurer Hering mit süßlichem Kürbisstampf, da kommen die besten Bratkartoffeln nicht gegen an. Und dann Kürbis-Crumble. Das Dessert sollte man unbe-dingt mal versucht haben. Ich mische noch Birnen darunter und gebe in die Mehl-Zucker-Butter-Mischung für die Streusel noch zerstoßene Amarettini.

Der Kürbis ist übrigens ein Weltenbummler. Obwohl heutige Speisekürbisse meist lateinamerikanische Vorfahren haben, kannten schon die Römer das Gewächs. Während viele Lebensmittel von Händlern und Botanikern rund um den Globus verteilt wurden, scheint es, der Kürbis habe das selbst angestellt. So hohl und wegen der harten Schale kann sich die Frucht weit übers Meer treiben lassen. Auch der Hokkaido hat eine ziemlich weitgereiste Geschichte. Es handelt sich um eine japanische Weiterzüchtung einer brasilianischen Sorte, die ursprünglich von den Portugiesen nach Europa eingeführt wurde. Er kann es also verschmerzen, wenn sich die Bezeichnung „Hokkdinida“ in Süddeutschland einbürgern sollte.

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Geschrieben von

Jörn Kabisch

Stellvertretender Chefredakteur des Freitag von 2008 - 2012 und Kolumnist bis 2022, seitdem Wirt im Gasthaus zum Schwan in Castell

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