Neulich habe ich gelesen, für echte Pizza schwörten Italiener auf Mehl mit der Bezeichnung „Tipo 00“. Das war wie eine Offenbarung. Seit Kindertagen träume ich davon, einmal ein Stück Hefeteig durch die Luft zu wirbeln, bis er hauchdünn ist, und anschließend ein krosses Pizzarad aus dem Ofen zu holen, mit großen Luftblasen. Alle Versuche aber scheiterten. Klar, wenn schon das Mehl falsch war.
Man kann es nicht oft genug wiederholen: Die Zutatenfrage ist entscheidend beim Kochen. Da kann man viel falsch machen, mehr als beim Abmessen. Und später ist nicht mehr viel zu richten. Ich meine nicht verdorbene Lebensmittel. Es ist die kulinarische E10-Frage. Was ins Essen kommt, sollte uns schon von Geschmacks wegen so interessieren wie das, was in den Tank kommt.
Nehmen Sie mich. Ich kaufe ganz bewusst ein. Und meist alleine. Nicht weil man mit mir in peinliche Situationen käme. Das auch. Wenn ich etwa für die ganze Kassenschlange unüberhörbar das Kleingedruckte auf der Chipstüte übersetze, deren Inhalt sich „Naturelle“ nennt. Oder ich mich laut über die Niedrigpreise beim Hähnchenfleisch aufrege. Ich kann Mitmenschen zur Verzweiflung treiben, wenn ich vor einem Regal mit Olivengläsern stehen bleibe und mich minutenlang in die Frage versenke, was sich davon am besten in geschmortem Kaninchen macht.
Geheimnis Gluten
Pizzateig kann man natürlich auch mit deutschem Mehl vom Typ 405 anrühren. Es ist fast identisch mit Tipo 00. Mit einem Unterschied: Das italienische Mehl hat einen höheren Glutenanteil. Dadurch entsteht beim Kneten besonders viel Kleber- Eiweiß. Je mehr davon, umso elastischer und dichter wird der Teig. Die Pizza kann deswegen nicht nur besonders dünn ausgerollt werden. Weil das Kohlendioxid beim Backen auch nicht so leicht entweichen kann, entstehen größere Gasblasen, also Hohlräume. Genau die dünnen knackigen Pizzafladen also, wie sie eigentlich nur „Azzuro“-trällernde Bäcker aus dem Holzofen ziehen können. Oder ich, wenn ich an dieses „Tipo 00“ rankäme.
In Berlin, sollte man meinen, muss das ein Leichtes sein. Hier gibt es nichts, was es nicht gibt – wenn man nur sucht. In einer Drei-Millionen-Stadt kann eine solche Suche allerdings auch ewig dauern.
Meine Jagd auf Tipo 00 endete nach einigen Tagen im Großmarkt. Im Feinkostladen um die Ecke, meinem ersten Anlaufpunkt, hatte man von Tipo 00 noch nie gehört. Die Verkäuferin griff ratlos zum Nudelmehl. Bei der umliegenden Konkurrenz war ebenfalls Fehlanzeige. Ein paar Tage später führte mein Weg ganz zufällig am KaDeWe vorbei. Deren Feinkostabteilung hat alles. Ich verließ das Kaufhaus also mit einer großen Tüte, aus der sogar ein knuspriges, warmes Hefe-Baguette stach. Aber ohne Mehl, dafür mit dem festen Vorsatz, Tipo 00 jetzt erst recht aufzutreiben.
Nimm 10
Eines Samstags nahm ich mir Zeit, um zum Großmarkt zu fahren. Und hatte Glück. Der süßliche Duft des in ein paar Stunden aufgehenden Hefeteigs kitzelte schon meine Nase. Denn in einem Gang blitzte schon in der Ferne die Aufschrift Tipo 00 auf. Es gab aber nur Zehn-Kilo-Säcke, ausschließlich. Da gab ich schließlich auf.
Massenhaft Zeit hatte mich meine Suche nun gekostet, etliches an Benzin. Aber ich konnte kein Mehl kaufen, das ich großteils wegwerfen würde. Das war ein mal zu viel Verschwendung.
Was ist die Lösung des Dilemmas? Bewusste Beschränkung? Lokale Küche? Produkte aus der Region? So versuche ich es inzwischen zu halten.
Neulich habe ich vom „Märkischen Sattelschwein“ gelesen. Es wird im Norden von Berlin gezüchtet und soll ganz formidable Koteletts abgeben. Also machte ich mich auf die Suche ...
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