Klarsicht im "Freudenfeuer" und hoffen?

Autobiografie Friedrich Schorlemmers politische Autobiografie "Klar sehen und hoffen" ist im Aufbau Verlag erschienen, 354 Seiten, 22.99 €

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Wer das Große Wort in hoher Tonlage mit ergreifendem Impetus, Gestus und begeisterndem Habitus anzuführen vermag, wie Pfarrer Friedrich Schorlemmer (Jahrgang 1944), braucht sich in keinerlei Sorgen zu verzetteln, dass anderen nicht, wie von unsichtbarer Hand, Gedanken als Sättigungsmasse und Ballaststoffe zufliegen, die den Großen Schorlemmer Worten per Betriebsanleitung und Nutzungsrechten Bodenhaftung verleihen?

Oft gelang und gelingt es Friedrich Schorlemmer dabei, geahnt wie ungeahnt, im begeisternden Schwange Gutes an Gedanken, manchmal, ahnungsgeschwängert, entgeisternd, weniger Gutes, gar Unfrieden, Verstörendes zu stiften, wenn Friedrich Schorlemmer, wie im Jahre 1993 geschehen, von der Kraft der Symbolik davongetragen, öffentlich ungestüm herausposaunt:

" Am liebsten wünschte ich mir ein großes Freudenfeuer "

"Am liebsten würde ich gern die gesamten STASI-Akten einem "Freudenfeuer" "anvertrauen".

Was dann aus solchen Verstörungen mit Eigendynamik unerhört aus des Volkes Poeten Munde erwächst, können hörbar Kohlsche Blähungen sein, wie es Wolf Biermann in eben diesem Fall des Schorlemmer "Freudenfeuer" Gesanges über dessen Lied

"STASI- Akten zu Asche"

polemisch pointiert, unverblümt stinkig, in schwarze Lettern brennt

War damals im Jahre 1993 mit Wolf Biwrmann die Zeit noch nicht reif, diesen Griff Friedrich Schorlemmers in die Kiste der Symbolik "Großer Worte" , gedanklich mit anderen Balaststoffen zu versehen, die dem ganzen Großen Wort Bodenhaftung verliehen hätten?

Denn gewiss wollte Friedrich Schorlemmer, damals sowenig wie heute, deutsch- deutsche Erinnerungskultur vernichtet erleben, sondern wohl eher den Finger auf die Wunde der bisweilen unzulänglichen, unprofessionellen, gar unseligen Art und Weisen des Umgangs mit diesen Akten legen.

Friedrich Schorlemmers erhobener Finger

"Wahrheit durch Versöhnung statt Versöhnung durch Karheit"

sollte im Jahre 1993 mit anmahnender Fristsetzung des Jahres 1996 ein lichterloh wärmendes

"Freudenfeuer"

aus den STASI- Aktenbergen sein, soweit diese, aufgrund von grundgesetzlich garantierten Persönlichkeitsrechten, nicht abkömmlich wären?

Das war wahrlich ein, angedacht hochambitioniert fragil konstruiertes Friedrich Schorlemmer "Groß Wort" Projekt einsamer Güte, ohne Offenlegung verborgen gefühlter Lloyalitäten, dem, mangels gedanklichem Beiwerk und Balastoffen die Bodenhaftung fehlte.

Wolf Biermann weiss weiteres über Friedrich Schorlemmer zu berichten, das ebenfalls zu allerlei Missverständnissen einlädt, wie der Satz in seinem offenen Brief an Friedrich Schorlemmer von damals im Jahre 1993:

"......daß Du jungen Wehrdienstverweigerern in der DDR predigtest, sie müßten erst mal und grundsätzlich ein positives Verhältnis zum sozialistischen Staat beweisen. Hinter solchen devoten Verrenkungen konnte aber auch politische Klugheit stecken"

Das Große Wort Friedrich Schorlemmers, seelsorgerisch entschieden das Suchen von sozialistdischen Gewissheiten bei seinem Gegenüber, trotz höchster Not, anzumahnen, ist wohl mehr einem systemischen Zusammnehang von situativen Sprechakten als "Alter Ego" geschuldet, denn von sonstwas, gar boshaft Devotem getrieben, wie es Wolf Biermann mit spitzer Edelfeder bissig nahelegt.

Friedrich Schorlemmer ist in Großen Gedanken, die wenig Worte beanspruchen,frischwärts behaust, wie andere in einem Biwag.

Nur läßt sich dieser kühne Satz fatalerweise auch in sein Gegenteil ummünzen

"Große Worte wollen ihrem inneren Wesen nach, weitergehende Gedanken und Debatten abwürgen"

So das Große "entgeisternde" Wort Friedrich Schorlemmers im Jahre 1996 in seinem Buch "Eisige Zeiten", unter eloquentem Hinweis auf die Begrifflichkeit des "Wärmestroms" bei Ernst Bloch, über Scheiterhaufen des Mittelalters, von denen, sinngemäß, angeblich mehr Wärme ausging als von unserer heutigen Coolness- Epochen Kultur.
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-9140968.html
AM RAND
Dezember 1996

In Friedrich Schorlemmers Großen Gedanken ist in solchen Momenten kein Platz für dialektische Zusammenhänge, in denen sich die Scheiterhaufen des Mittelalters und die vermeintliche und wirkliche Coolness Kultur unser Heutzeit gegenseitig bedingen.


Ein anderer verstörender Fall, der ohne Friedrich Schorlemmers Wirken nicht vorstellbar scheint, ist der Fall des freischaffenden Kunstschmiedes, Stefan Nau, der im Jahre 1983 nach den Vorstellungen des Friedenskreises Wittenberg, unter begeisternder Anleitung von Friedrich Schorlemmer, in Anwesenheit westlicher Medien, fachmännisch gekonnt, Schwerter zu Pflugscharen umschmiedete.

Danach wurde Stefan Nau seines Lebens nicht mehr froh. Aufträge für seine Kunstschmiede verebbten bis sie ganz ausblieben.

Stefan Nau geriet aus ihm rätselhaften Gründen zwischen die Lager Fronten von STASI und Friedenskreis in Wittenberg bis der ihn definitv ausschloss, weil er und seine Familie in ihrer gefühlt ausweglosen Existenznot einen formalen Ausreisantrag in die Bundesrepublik Deutschland gestellt hatten.

Auch Pfarrer Friedrich Schorlemmer habe sich voller Vorhaltungen hinsichtlich seines Ausreiseantrages von ihm und seiner Familie als angebliche "Verrräter" in der Sache abgewandt, meint Stefan Nau.

1985 ist die Familie Nau dann nach Hessen in die Bundesrepublik ausgereist.

Nach der Wende habe er noch einmal alte Weggefährten des Friedenskreises in Wittenberg besucht. Selbst bei Pfarrer Friedrich Schorlemmer sei nicht mehr dabei herausgekommen als ein höflich kühles "Guten Tag" "Auf Wiedersehen".

Da hat es sogar für den Pfarrer Friedrich Schorlemmer an

"Klar sehen und hoffen"

wie seine gerade neu erschienene politische Biografie im Aufbau Verlag heißt, an zugewandtem Begegnungs- und Versöhnungswillen im kleinen Kreis per "Du und Du" gefehlt.

Da ist das Stiften von Hoffnung auf Begegnung im Frieden und Versöhnung wohl bis heute noch nicht so recht gelungen.

Was nicht ist, kann ja noch werden.
JP

https://www.freitag.de/autoren/michael-jaeger/staatsfeind-nr-1
Michael Jäger
13.12.2012 | 12:32 6
Staatsfeind Nr. 1
http://www.mdr.de/damals/archiv/zeitstrahl/artikel85576_dosArt-artikel85632_zc-37f6727c_zs-1ce1932a.html
Schwerter zu Pflugscharen Stefan Nau - Der Schmied von Wittenberg

http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-14781783.html
06.12.1993
Einem Freudenfeuer

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Geschrieben von

Joachim Petrick

Aktuelles: Meine sichere Route- Refugee-Airlift - Petition "Luftbrücke für Flüchtlinge in Not" an die MdBs des Bundestages erhofft Debatte

Joachim Petrick

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