Palästina in israelischen Schulbüchern

Zerrbild Palästina Dies zu belegen, ist Gegenstand des Buches von Nurit Peled. Die Professorin hat untersucht, welches Bild israelisches Unterrichtsmaterial von Palästina zeichnet.

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"Nichts als Geschichtsverleugnung, Zerrbilder, Klischees und Stereotype"

Buchbesprechung
Nurit Peled-Elhanan: Palestine in Israeli School Books: Ideology and Propaganda in Education.
Verlag: I.B.Tauris, 268 Seiten, 24,90 Euro
ISBN: 978-1-78076-505-1

Die Darstellung von Palästina (Westjordanland, Gaza) und den Palästinensern in israelischen Schulbüchern ist ein Ausbund von weit hergeholten Verleugnungen der Geschichte, Zerrbildern. Diese dunkle Ahnung und Mutmaßung zu belegen, ist Gegenstand des neuen Buches von Professorin Nurit Peled. Die Professorin von der Hebräischen Universität hat für ihre Studie untersucht, welches Bild das Unterrichtsmaterial in Israel vom mehr als ungeliebten Nachbarn Palästina zeichnet.

In diesen israelischen Schulbüchern heißt es ungefiltert:

"Araber sind traditionsverhaftet. Die Ablehnung von Neuerungen liegt in ihrer Natur." So steht es in dem Schul- Buch mit dem Titel: "Die Geographie des Landes Israel."

Das Klischee wird durch ein Bild komplettiert. Da ist ein adrett hübsch modernes Wohnhaus in einer israelischen Stadt zu sehen. Außerhalb des Gartens steht ein fremdartiger Mann, der aussieht wie das Abziehbild einer Karikatur Ali Babas. Die traditionelle arabische Kopfbedeckung Keffiyeh auf dem Kopf, rabenschwarze Augen, Pluderhosen und Schnabelschuhe. An der Hand führt der Mann, wie kann es anders sein, ein Kamel.

Araber wollen, wie hierzulande in Deutschland angeblich immer noch, hier und da, Sinti und Roma, nicht in hohen Häusern leben, heißt es unter dem Bild.

Wer sich die Wirklichkeit in Amman, Bengasi, Tunis, Dubai, Kairo oder Ramallah anschaut, kann über solche Stereotype nur, entgeistert, lachen. Nurit Peled aber ist das Lachen vergangen. Sie hat Bild und Text nämlich in einem israelischen Schulbuch für die weiterführenden Klassen 11 und 12 gefunden:

"Wenn man die Palästinenser als Ingenieure, Ärzte, Wissenschaftler oder Künstler zeigen würde, dann würden sich die israelischen Schüler ja die Frage stellen: Was soll an diesen Menschen so falsch sein? Die sind ja wie wir! Aber wenn man das Bild von grimmigen, unbarmherzigen, beängstigenden Feinden in die Köpfe der Kinder pflanzen will, von Menschen, die man als angeblich unverbesserlich drohende Plagegeister verjagen muss, weil deren Kinder nichts als potenziellen Terrorismus im Hirn, Herz und Hand haben, dann muss man sie so darstellen."

Nurit Peled hat Dutzende israelischer Schulbücher unter die Lupe genommen. Das Ergebnis hat die Professorin von der Hebräischen Universität in Jerusalem kürzlich als Buch veröffentlicht. Sie beschäftigt sich seit Langem mit dem israelisch-palästinensischen Verhältnis. Sie hat mit vielem gerechnet, aber das was ihr am Ende ihrer Recherchen als Dokumentation vorlag, hat sie doch mehr als ungläubig angetroffen.

Mit der Eindeutigkeit ihrer Untersuchungsergebnisse hatte Nurit Peled: so denn doch nicht gerechnet,

Nurit Peled:

"Mich hat die Perfektion und Raffinesse überrascht, mit der Text und Bilder zu einer rassistischen Darstellung der Palästinenser zusammengefügt werden.", äußerte Nurit Peled sich auf Nachfrage.

Dazu gehört zum Beispiel, dass die besetzten Gebiete auf Landkarten in Schulbüchern nicht nachgezeichnet sind. Da reicht Israel grundsätzlich bis zum Jordan, manchmal, unter Bezug auf Bibelstellen, sogar darüber hinaus. Auf Karten, die die Bildungseinrichtungen der Region zeigen, fehlen die palästinensischen Universitäten ganz. Auf Karten mit Israels Bevölkerungszentren fehlen Hinweise auf Städte mit palästinensischer Mehrheit, zum Beispiel Nazareth. Die Existenz der Palästinenser wird den israelischen Kindern weitgehend als Wirklichkeit vorenthalten, sagt Nurit Peled. Auch auf Fotos sind sie nicht zu sehen. Bilder von Flüchtlingslagern zeigen leere Straßen, Bilder von Straßenkontrollpunkten im Westjordanland zeigen israelische Soldaten, aber keine Palästinenser, die an diesen Checkpoints anhalten müssen, um eingehend kontrolliert zu werden

Nurit Peled:

"Es gibt in Hunderten und Aberhunderten von Büchern kein Bild, auf dem ein Palästinenser als Individuum zu sehen wäre. Kein einziges Foto eines Palästinensers als normale Person, so wie wir sind, also in normaler Alltagskleidung. Oder ein Kind, das Fußball spielt. Oder ein Arzt oder ein Lehrer oder was auch immer. Nichts, kein einziges Foto."

Wenn Palästinenser dann doch einmal erwähnt werden, dann wird die Verantwortung für ihr Flüchtlingsschicksal eindeutig Richtung arabische Politik verortet, die, statt den Palästinensern zu helfen, angeblich politisches Kapital aus derem Flüchtlings- Elend gezogen haben. Kein Deut weniger ignorant bis verleugnend ist der Umgang in den Geschichtsbüchern mit den Massakern, die israelische Soldaten in palästinensischen Dörfern und Flüchltingslagern (Libanon 1982) angerichtet haben. Da ist dann nur von "Operationen" die Rede, die Schaden von Israel abgewendet haben

Nurit Peled::

"Die Kinder lernen, dass Mitleid etwas ist, was auf die eigene Volksgruppe oder Religion beschränkt ist. Palästinenser werden nie als Opfer, immer nur als "Leichnam" bezeichnet. Der ganze Ansatz lehrt die Schüler, dass diese Leute einfach kein Mitleid verdienen."

Nurit Peleds Buch über die Darstellung Palästinas in israelischen Schulbüchern ist inzwischen zum Bestseller außerhalb Israels geworden. In Israel selbst ist die Autorin eher unbekannt, wenn bekannt dann vor allem, wie alle Propheten/innen im eigenen Lande, unbeliebt. Im Jahre 1997 hat Nurit Peleds ihre Tochter bei einem Selbstmordattentat eines Palästinensers verloren. Seither engagiert sie sich in der Initiative "Trauernde Eltern für den Frieden" für einen Ausgleich mit den Palästinensern. 2001 hat Nurit Peleds den Sacharow-Preis des Europaparlaments erhalten.

Durch ihr jüngstes Buch wird Nurit Peleds in Israel selbst, wenn überhaupt, im Meanstreamaber endgültig als Persona non grata kommunizieert

Nurit Peled:

"Seit das Buch erschienen ist, bin ich hier von allen Konferenzen und Projekten verbannt, die sich mit Schulbüchern befassen. Das ist witzig, weil ich aus der ganzen Welt sehr positive Reaktionen erhalte.
Immerhin darf ich immer noch in Israel weiter arbeiten, sagt sie. Aber wer weiß, fügt sie hinzu, wie das unter der nächsten Regierung wird."
JP

http://www.dradio.de/dlf/sendungen/andruck/1970712/
07.01.2013 · 19:15 Uhr

Nichts als Klischees und Stereotype

Von Peter Capern

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Geschrieben von

Joachim Petrick

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Joachim Petrick

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