Thea Dorn trifft Richard Wagner, schon kriegt "deutsche Seele" Kind

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Richard Wagner trifft Thea Dorn, schon ist ein Buch geboren
Autoren- Lesung im Hamburger Literaturhaus.

"Eine Frage an den Gründungsmythos einer Nation!".
Welche Frage denn, wenn ja, doch nicht in etwa in den heiligen Hallen abendländischer Hochkultur?
"Was ist deutsch, was nicht?"

Ist hier das Land der Dichter und Denker gemeint, wann, in welcher Zeit?
Tausendmal gehört, immer wieder, wie der ungläubige Thomas, zerrissen, hin und weg, vom Singsang verstört betört?
"Am deutschen Wesen soll die Welt genesen?
Das galt dem Lebensgefühl der Deutschen, als diese zertreut in Duedezfürstentümern, Kleinstaaten, den Franzosen, Schweizern, den Briten, dem russischen Zaren zum Plezier, gar nicht nationales Wesen, so gerade eben als Dichter, Wicht und Denker im "Nationalen Nirgendwo" unterwegs vegetierten.

Deutschsein, Deutschland, das war damals gar nicht Alltag, Streben, Feierabend, Heimat, Kindergarten, Schlagende Verbindung, Burschenschaft, Männerchor, Spargelzeit, Turnvater Jahn Verein, Wanderlust, Wurst, sondern romantisch verklärte Träumerei im europäisch geprägten deutschen Staaten Allerlei..

Deutschland war alles, nur nichts zwischen Abendbrot und Morgenlust Erwachen - sozusagen alles, was einem so sonst nicht einfällt.

Der Journalistin und Autorin Thea Dorn und dem Autoren Richard Wagner, Nein nicht der, den Sie jetzt meinen, sondern der nachgeborene Ururenkel und Namensbruder, sind gemeinsam deutsche Redeweisen, Wendungen eingefallen, die sie nicht um ihren Schlaf gebracht, sondern dem einen oder anderen gesundheitsfördernd die Schlaftablette ersparen.
In ihrem gemeinsam autorisierten Buch
"Die deutsche Seele"
unternimmt das Autorengespann als Duo das kühne Wagnis, für Deutschland ein Erklärwerk in 65 Begriffen zu schaffen.

Wenn die "deutsche Seele" hier und da auch als Rutschpartie, als Schlittenfahrt über Glatteis des abendländischen Gemüts, verkommen, instrumentaliert sein mag, ich sag einmal so:
"Die deutsche Seele lebt und nährt sich aus ihren Irrtümern".

Das geläufigste Wort "Irrtum" von deutschen Feldmarschällen, angesicht vom Leichenbergen millionenfacher Opfer von Völkerbernichtungskampagnen auf Schlachtfeldern, in Städten, Häuserkämpfen von Stalingrad, Dörfern, Aushungern der Millionenstadt Leningrad, Konzentrations- , Kriegsgefangenen- und Zwangsarbeiterlagern im deutschen Namen, war u. a. aus dem Munde Generalfeldmarschalls Wilhelm Keitel nach der bedingungslosen Kapitulation m 08. Mai 1945 vor dem Nürnberger Kriegverbecher Tribunal zu vernehmen:
"Im Sinne der Anklage plädiere ich auf "unschuldig.
Meine Schuld ist:
"Ich habe geirrt!"

Thea Dorn und Richard Wagner, was für ein Autorenpaar"Nomen es Omen", der eine ihr persönlicher Wagner, sie ihm die persönliche Dorn, das sich namentlich gesucht und deutsch gefunden?, beschreibt in jedem ihrer Essays, die ihnen, quasi justamente zum 70 Jahrestag der Wannseekonferenz vom 20. Januar 1942, Thema
"Endlösung der Judenfrage auf europäischem Boden" zum Buch geronnen, die "deutsche Seele" nicht schlagwortartig als besonders tiefsinnig oder grüblerisch.

Nein, die "deutsche Seele" taucht, expressis verbis, in ihren Essays nur hier und da gelegenltich auf, als sei diese nur ein konurenloser Schemen, wie der "Fliegende Holländer", ein Geist, der aus Versehen zur Unzeit als Professor Unrat aus der Flasche geraten.

Die Auswahl ihrer deutschen Redensarten, Wendugen ist durhcuas einleuchtend wie selektiv zielführend, auf des nächsten Deutschen hand liegend ("German Angst", "Doktor Faust", "Gemütlichkeit", "Reinheitsgebot" und der Laie staunt, der Fachmann denkt sich schweigend sein Teil, die "Dauerwelle", wobei mir hier ein Hinweis auf die Westerplatte vor Danzig, der Westwall und ganz besonders die Westerwelle im "Guido Klimatief" fehlt.

Das "Mutterkreuz" kommt bei ihnen kreuzweise ohne Kniefall, Damen- Knicks noch Eva Hermann vor.

Großes Bwgriff wie "Kulturnation", "Buchdruck", "Reformation" kommen bei ihnen nicht zu kurz, auch wenn der sinulär deutsche Begriff "Verfassungspatriotismus" "Grass drüber" einfach ausgespart wird.

Auch das Kleine, nicht das "kleine Schwarze" Nein!, das Alltägliche der "Schrebergarten", die Datscha schon wieder nicht, weil zu russisch angehaucht?, das "Fahrvergnügen" und das "Fachwerkhaus" finden auch geneigt gedehnte Erwähnung.
Das innovative Streben der Deutschen , das sich, weltweit anerkannt, übrnommen, in Wortschöpfungen, wie "Handy" manifestiert, wird von den beiden Autoren, schnöde unerwähnt, links liegen gelassen.

Und immer wieder sonntags, das, was Deutschland im Innersten zusammenhält?

Das wiederum ist eine kulturhistorische Vergewaltigung des deutschen Gemüts, das sich damals in den nationalen Befreiungskriegen gegen Napoleon Bonaparte gar nicht zusammenhalten konnte, weil es diese so noch gar nicht gab, sondern die sich erst zu ihrer Selbst aufzurichten gedachte und dichtete.

Damals gewannen die zertreuten Deutschen alleorten inden blühenden deutschen landen beim Sinnen & Trachen des Baus der Deutsche Nation wacker eher an eine Art Herstellung von Schrot & Korn, fest gebacken zu parlamentarisch monarchischem Schwarzbrot.

"Jeder, der nicht weiß, wo er herkommt, kann auch nicht wissen, wo er hinwill", so steht's im Vorwort des Buches.

Ja!, haben wir das das eigentliche Motiv der beiden Autoren für ihre Essays, in einem Buch zusammen gebunden?

"Ja!, wo solle es denn mit uns Deutschen nach ihren Vorstellungen hingehen?"

Darüber gibt dieses Buch kaum, nicht einmal zwischen den den zum Teil spöttisch verfaßten Zeilen Auskunft.

Auch wenn es gerne nach Poesiebuch klingen möcht, tur e aber nicht, es klingt, dröhnt eher nach kulturhistorisch ambitionierter Rasterfahnndung für höhere, für ganz neue Arten von abendländischen Weihen im deutschen Namen?.

Was sind die Autoren, die uns das Deutschsein so engagiert alphabetisierend vorbeten wollen?
Sind sie:
"Darin getrieben von der Sehnsucht, die Kultur, in der wir leben, in all ihren Tiefen und Untiefen, in ihrer Größe, Erhabenheit, Nahbarkeit, Unnahbarkeit, Licht, Schatten und Schönheit, in ihren Schrullen, Macken, Duden, Grimm und Fragwürdigkeiten brockenweise zu erkunden."

Der letzte Satz des Vorworts "Die Gedanken sind frei"
bedarf der Ergänzung durch das deutsche Wort, eingraviert in KZ- Toren: "Arbeit macht frei", wenn ja, wen und wann?".
Ein Schelm, ein Eulenspiegel gar, wer da zwischendurch bei der Lektüre deckblattweise leise an "Deutschtümelei" denkt, weil er vor allzu unbefangenem Auftritt mit der eigenen Nationalität, gepaart mit Sündenstolz, warnen möcht?

Der Mythos vom "Land der Dichter und Denker" wurde übrigens von der Französin Madame de Staël erfunden, die in ihrem Buch "De l'Allemagne" ("Über Deutschland", 1813). Damals schwärmte sie von Goethe und Schiller. Und wohl kaum vom "Abendbrot", das "karg" ist, "pedantisch" und "liebevoll". So beschreibt es jedenfalls Thea Dorn in ihrem kleinen Essay, mit dem der Reigen der deutschen Miniaturen beginnt. Was könnte seelenvoller sein als ein nahrhaftes Mahl, mit Vollkornbrot, Käse und Wurst im Stillen daheim? Die bewusste Schlichtheit des teutonischen Abendbrots ist, küchenhistorisch gesehen, die Antithese zur opulenten Tafelei des französischen Nachbarn mit der Pflicht der Monarchen, samt Hofstaat ihren "Fraß vom Aas"komfortable höfisch, zur öffentlichen Show des gemeinen Volkes protokollarisch ausgelassen zu sich zu nehmen:
"Wenn das Volk kein Brot zum Stillen seines Hungers hat, solle es doch Kuchen essen!" .

Wie heißt es doch aus berufen deutschem Munde zur späten Kabarettisten Stunde:
"Heut mach ich mir kein Abendbrot, heut mach mir Gedanken",
sagte einst der Kabarettist Wolfgang Neuss, der Mann mit der Trommel in der Westberliner "Distel".

Die nihilistische Schwere des düsterromantischen deutschen Sturm & Drangs zum Abgrund (Friedrich Nietzsche! Martin Heidegger!), die Corporate Identity der Hanse, Hildegard von Bingens "lebenskundliche" Erweckung der Mystik, der Gegenbewegung der institutionellen Religion, bei gleichzeitiger selten standhafter Loyalität gegenüber dem Papst, oder die Ära der Gründerzeit, vielleicht die zuversichtlichste und zugleich geschichtet verlogenste Untertanen Zeit der Deutschen"Der Untertan", Heinrich Mann "Unsere Leutnants macht uns keener nach" ) Die Betrachtungen des Auotrengespanns zeugen stets vom Willen, Kenntnis und Sinn für das Eigentliche, zu bezeugen.
Für wen eigentlich?, wenn ja, weshalb?

Warum findet Heinrich von Kleist (1777- 1811) in diesem Buch keine Erwähnung?

Denn das für "Wen?, Weshalb?" findet sich nicht nur in der Heldengeschichte der deutschen Pioniere (Gutenberg, Benz, Bosch, Siemens, Gropius, Nixdorf), sondern vor allem in den emotionalen Zuständen, sozialen Wirklichkeiten, wie sie sich über Jahrhunderte in einer langen Geschichte unverkennbar entwickelt haben.

Manche Begriffe, wie die berühmte "Gemütlichkeit" und die "Schadenfreude" haben es als Lehnwörter in andere Sprachräume geschafft, wie auch der einst von deutschen Pädagogen angelegte "Kindergarten".
Wörtern wie "Arbeitswut", "Sehnsucht", "Hader", "Zwist" , "Lobhudelei" und "Bierdunst", " Bierdurst" könnte doch eigentlich weltwiet dasselbe schmeichlerisch schulterklopfende Schicksal bevorstehen!, oder?

"Warum guckst Du so stier Bube, kommst Du aus der Bierstube?"

Ein Blick ins Inhaltsverzeichnis reicht bei der Lektüre, um das "Weite Feld" des Deutschen in Umrissen auszuloten.
"Die deutsche Seele"
ist in Wirklichkeit flüchtig, nicht leicht zu erfassen, gar in Fesseln zu schlagen, als Buchtitel taugt diese im günstigsten Fall für einen enzyklopädischen Überblick deutscher Befindlichkeiten.
Der Strandkorb, dieses Synonym der Sommerfrische, ist seit mehr als 100 Jahren ein deutscher Alltagsmythos, er war es, die deutsche, die europäische Teilung von 1945- 1989 überlebend, in Ost und in West.
"Der Strandkorb",
schreibt Richard Wagner, "erweist sich, jenseits aller Ideologien, als Kronzeuge des Volkscharakters."

Die deutsche Seele läßt nicht nur am Wannsee alle "Fünfe" gerade sein, sie sonnt sich auch:
"Pack die Badehose ein, nimm dein kleines Schwesterlein.....!".

"Beim Baden gehen, kannst du Waden sehen..., das ist schön...!"

JP

Thea Dorn/Richard Wagner:
"Die deutsche Seele". Knaus, 560 Seiten, 26,99 Euro.
Lesung am 19. Januar 2012 im Hamburger Literaturhaus (ausverkauft)

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Joachim Petrick

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Joachim Petrick

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