Man kann das offensichtlich Schlimme des diesjährigen Echo-Awards an vielen Momenten festmachen und an einer Menge Personal auf der Bühne. Aber eigentlich braucht es dafür nur David Garrett, den Superstar der Musik-Hirnwäsche, der so etwas wie eine Wildcard für alle Echo-Verleihungen inne zu haben scheint. Er ist die vollendete Antithese für all jene, die immer noch glauben, dass Musik nicht vor allem eine Frage der Fingerfertigkeit, sondern von Herz, Seele und Geschmack sein sollte. Die meinen, dass „gut“ und „erfolgreich“ nicht in einem automatischen Verhältnis zueinander stehen. Die vielleicht sogar glauben, es wäre möglich, die an sich natürlich lächerlich gestrige urdeutsche Grenzziehung zwischen „E-&
E-“ und „U-Musik“ nicht unbedingt mit dem Arsch voran einzureißen. Auf eine Art, die weder Klassik noch Pop künstlerisch verelenden ließe. David Garrett jedoch passt wunderbar ins Bild, das die deutsche Musikindustrie von sich zeichnen möchte. Genau dafür ist der Echo ja da, dessen absolute Peinlichkeit man sich in allen drei Ausführungen im Fernsehen anschauen kann.Ob „Jazz“, „Klassik“ oder eben „Pop“ – und diese Anführungszeichen sind wohlweislich gewählt –, eigentlich ist es völlig wurst, Hauptsache, man darf sich öffentlich-rechtlich mitfinanziert mal so richtig schön gegenseitig auf die Schulter klopfen unter den drei Major-Labels – mehr sind nicht verblieben –, die letztendlich hier Veranstalter sind. Alles an diesem Echo zielt auf Resonanz in der Gala statt im – sagen wir mal – Rolling Stone. Der Musiker ist bei der umfassenden Selbstbeweihräucherung nur Staffage. Um das zu begreifen, braucht man sich nur im Nachhinein anzuschauen, wie der Echo seine Gewinner präsentiert. „Mehr Informationen finden Sie im Netz“, heißt es. Nur, dass es ansonsten überhaupt keine Informationen gibt. Keine Vita, keine Laudatio, nur zwei lieblos hingeschluderte Links zu den Homepages, selbst die nicht eben sorgfältig herausgesucht.Überhaupt, wie ernst kann man so einen Preis nehmen? Die einzig künstlerisch wirklich relevante Kategorie des „Echo Pop“, der Kritikerpreis, findet praktisch unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Seinen eigenen Regularien spricht der Preis Hohn; zumindest jenem Teil, den man nachlesen kann oder von dem man hört, weil irgendwie die Posse um die – vorsichtig ausgedrückt – unglaublich instinktlose Nominierung von Frei.Wild verteidigt werden muss. Deren „Jury“ (eigentlich müssten es mehrere sein, aber wer weiß das schon genau?) so geheim ist, dass sie auch auf Nachfrage nicht benannt wird, angeblich, um Manipulationen vorzubeugen. Sehr witzig! Denn ganz augenscheinlich ist die Vergabe ein Gemauschel hinter den Kulissen, unter anderem davon bestimmt, wer bereit ist, sich auch zur Verleihung blicken zu lassen. International interessiert sich kein Schwein für diesen Preis in einem der immerhin umsatzträchtigsten Musikmärkte der Welt, außer, man hat als Musiker gerade eine neue Veröffentlichung zu bewerben oder wird von seiner Plattenfirma mehr oder weniger zwangsangekarrt. „Wichtigster deutscher Musikpreis“ nennt sich der Echo trotzdem und hat damit leider sogar Recht.Oder hat jemand schon mal vom „Preis der deutschen Schallplattenkritik“ gehört? Der feiert in diesem Jahr seinen 50. Geburtstag und ist zweifellos der weitaus vertrauenswürdigere und überdies einigermaßen transparente Musikpreis quer durch alle Spielarten. Es ist der Preis, in dem zum Pop-Album des Jahres nicht ein tumbes „Ballast der Republik“ gekürt wird, sondern eines der tatsächlich bemerkenswertesten Alben von 2012: Frank Oceans „Channel Orange“. Man erfährt das indes nur, wenn man weiß, wo man suchen muss. Die mediale Lufthoheit gehört Veranstaltungen wie dem Echo, auch im so genannten überregionalen Feuilleton, das es doch eigentlich besser wissen müsste und in dessen Fall man gezwungen ist, sogar mal Campino zustimmen zu müssen. Der hat sich erst kürzlich über die weitgehend unreflektierte und intellektuell verblüffend unterbelichtete Übernahme der Bildzeitungs-Kampagne des Schlager-Zombies Heino aufgeregt. Es ist so etwas wie eine popkulturelle Bankrotterklärung, dass sogar noch eine „1Live Krone“ mehr Resonanz erfährt. Die wird von der „Jugendwelle“ des WDR veranstaltet und wer wagt, sich mal durch die „Jugendwellen“ der ARD zu hören, kann an deren Musikredaktionen schier verzweifeln. Dafür jedenfalls hat Robert Johnson seine Seele sicher nicht verkauft. Die „1Live Krone“ will also ein kleiner Echo sein, mit großem Brimborium aufgeblasen, nur halt ohne den Schlager-Anteil und mit mehr Publikumsbeteiligung – was es angesichts des üblicherweise schon nach kurzer Zeit nervtötenden 1Live-Tagesprogramms durchaus nicht besser macht.Es gibt darüber hinaus noch den „Deutschen Musikautorenpreis“, verliehen wird er wieder am 25. April. Der allerdings ist alles andere als „innovativ und einzigartig“, wie es so schön bescheiden in der Selbstbeschreibung heißt, sondern wird von der GEMA veranstaltet, mit der nun wirklich niemand gern in Verbindung gebracht wird. Außer die GEMA selbst, versteht sich, und Kulturstaatsminister Bernd Neumann. Einen gewissen Bekanntheitsgrad in Insiderkreisen hat sich auch „Hans – der Hamburger Musikpreis“ erworben, der es in gerade mal vier Jahren immerhin schon geschafft hat, sich als reine Werbeplattform für die in Hamburg so gern kommunizierten und trotzdem dauergentrifizierten „Kreativen“ zu qualifizieren, lokale Inzucht-Vorwürfe inklusive. Das war’s dann auch schon fast an Awards für Popmusik im weiteren Sinne. Auch die wenigstens ehrenwerte „Goldene Axt“ der Independent-Szene ist nicht mal ein Tropfen auf den heißen Stein. Und bis vielleicht doch mal die seit Ewigkeiten diskutierten, vielleicht konkurrenzfähigen „Deutschen Independent Awards“ um die Ecke kommen – gerade wird wieder mächtig gemunkelt, dass es bald soweit sein könnte – bleibt es halt bei Echo und Co.So ist es nun mal in der Pop-Provinz Deutschland.