Sind es wirklich erst gut drei Monate? Es fühlt sich an, als wäre diese Bundesregierung schon viel länger im Amt. Es scheint, als hätten Union und SPD die Phase der chaotischen Zurechtruckeleien so kurz wie möglich gehalten und es sich in ihren Ministerien anschließend schön behaglich gemacht. Der Aufbruchswille, den vor allem Sigmar Gabriel und seine Minister anfangs verströmten, ist schnell verflogen. Stattdessen machen sich die Partner trotz ihrer 80-Prozent-Mehrheit im Bundestag das Leben gegenseitig schwer. Anstatt einer Großen Koalition, die diesen Namen verdient, bekam das Land eine Regierung des kleinsten gemeinsamen Nenners.
Im Status quo eingerichtet
Man hätte es ahnen können. Am Ende der längsten und aufwendigsten Koalitionsverhandlungen der bundesdeutschen Geschichte stand nicht etwa ein großer Gesellschaftsentwurf, sondern 185 Seiten mit dem bürokratischen Titel „Deutschlands Zukunft gestalten“. Doch was die Koalition wirklich gestalten will, das hat sie bis heute nicht deutlich gemacht. Die SPD traut sich zwar gelegentlich mit gut gemeinten Reformvorhaben aus der Defensive, prallt jedoch immer wieder an der Union ab. So macht sich das Gefühl breit, als hätten sich die Koalitionsverhandlungen wie Kaugummi vom Herbst bis in den Frühling gezogen. Die Partner jedenfalls scheinen sich immer noch nicht darüber einig zu sein, in welche Richtung sie eigentlich gehen wollen. Mehr Gerechtigkeit? Weniger Staat? Ein anderes Europa?
Man darf bezweifeln, dass sich das noch ändern wird. Die Koalition hat sich im Status quo eingerichtet. Die Arbeitslosigkeit ist niedrig, die Steuereinnahmen sprudeln – warum sollte man in dieser Lage Unruhe riskieren? Das sieht wohl auch Angela Merkel so, die an ihrer Rolle als Deutschlands oberste Mikado-Spielerin offensichtlich nichts ändern will. Die deutsche Politik ist heute ein Raum ohne Ideen. Willkommen im Biedermeier.
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