Eine gewisse Skepsis war geblieben, nachdem die Südwest-CDU im Sommer vor drei Jahren ihren neuen Vorsitzenden gewählt hatte. Auf dem Papier brachte Thomas Strobl nicht unbedingt die Voraussetzungen mit, um die verunsicherte Partei nach ihrer Wahlniederlage wieder auf die Gewinnerstraße zu bringen. Er war Generalsekretär unter den Parteichefs Günther Oettinger und Stefan Mappus, saß der Landesgruppe der Bundestagsabgeordneten aus Baden-Württemberg vor und ist mit Wolfgang Schäubles Tochter verheiratet – ein Mann des CDU-Establishments. Könnte man die Schwaben und Badener ausgerechnet mit ihm davon überzeugen, ihr Kreuz künftig wieder bei der Union zu machen? Drei Jahre später ist diese Frage immer noch nicht abschließen
;end beantwortet. Strobl drängt die Partei auf einen Modernisierungskurs. Sie soll neue Wählerschichten ansprechen und sich für neue Bündnisse öffnen. Doch unumstritten ist das alles nicht.58 Jahre hatte die CDU durchgängig den Ministerpräsidenten in Stuttgart gestellt – länger als die CSU in Bayern – bevor sie 2011 die Wahl verlor. Keiner anderen Landespartei ist das Verständnis als Staatspartei tiefer ins Bewusstsein eingeimpft. Die Ländle-CDU ist zwar nur der zweitgrößte Landesverband, doch anders als die NRW-Christdemokraten musste sie sich nie mit Niederlagen oder schwachen Wahlergebnissen herumschlagen.Dieser selbstbewussten Truppe forderte Strobl geradezu eine Kulturrevolution ab. Er kritisierte das Betreuungsgeld und signalisierte Zustimmung für eine weitergehende Gleichstellung von Homosexuellen. Es waren neue Töne von einem Mann, der aus seiner Zeit in der Studentenverbindung Afrania einen Schmiss im Gesicht trägt und der noch 2009 das „Panzerlied“ in die Gesangsfibel der Partei aufgenommen hatte. Heute fällt seine Bestandsaufnahme insgesamt positiv aus: „Wir haben eine schonungslose und teilweise selbstquälerische Fehleranalyse hinter uns“, so Strobl, „aber es ist uns gelungen, uns inhaltlich, stilistisch und kulturell neu aufzustellen“. Der neue Kurs werde von der Partei angenommen. Dieser Prozess sei allerdings noch nicht abgeschlossen, „aber wir haben eine erhebliche Strecke zurückgelegt“.Schwarz-Grün spielt in Strobls Kalkül eine große Rolle. Nach der Bundestagswahl war er einer der führenden Unionsvertreter, die intern darauf drängten, die Sondierungsgespräche mit den Grünen ernst zu nehmen. Warum also nicht 2016 im Land umsetzen, was 2013 im Bund scheiterte? „Die Grünen können für uns auf allen Ebenen ein Gesprächspartner sein“, so Strobl. Damit knüpft er im Land an eine gewisse Tradition an. Schwarz-grüne Kontakte gab es in Baden-Württemberg schon lange. Nach der Landtagswahl 2006 sondierten die Parteien ernsthaft miteinander. Damals scheiterte ein Bündnis am Widerstand des späteren Ministerpräsidenten Mappus.Kann Strobl mit den Grünen?In zwei Jahren stehen die Chancen für eine Koalition besser. Aktuellen Umfragen zufolge hat Grün-Rot in Baden-Württemberg keine Mehrheit. Die CDU hingegen strotzt wieder vor Kraft. Gleichzeitig droht die FDP den Einzug in den Landtag zu verpassen. Gut möglich, dass die CDU wieder den nächsten Ministerpräsidenten stellt. In der Landespartei geht man davon aus, dass Strobl antritt. Seine Ausgangsposition ist gut. Er ist mittlerweile auch stellvertretender Bundesvorsitzender der CDU und Vize-Chef der Bundestagsfraktion. Er selbst mag sich dazu nicht äußern, Gedanken wird er sich zum Thema allerdings gemacht haben. Strobl ist in seiner Freizeit schon einen Marathon gelaufen – er weiß, wie er sich auf weit entfernte Ziele vorbereiten muss.Die Grünen wird er allerdings noch überzeugen müssen: „Die CDU blockiert, wenn es um die moderne Welt geht“, so Thekla Walker, die Grünen-Landeschefin von Baden-Württemberg „Man spürt sehr deutlich, dass sich die CDU in ihrer Oppositionsrolle sehr schwer tut. Die Kontakte sind deutlich schwieriger geworden.“ Hinzu kommt, dass Grüne und CDU oft über Kreuz liegen. Von Stuttgart 21 bis zum geplanten Nationalpark Schwarzwald ist bei vielen Themen keine Einigung im Sicht.Auch was Strobl angeht, ist Walker skeptisch: „Strobl richtet sich an den realpolitischen Gegebenheiten aus. Er sieht ja, wie es um die FDP bestellt ist. Die CDU wird sich Gedanken machen, mit welchen Partnern sie in Zukunft noch regieren kann. Inhaltlich nehme ich ihm die Öffnung zu uns jedenfalls nicht ab. Das ist nur ein neuer Anstrich. Darunter ist alles noch wie vorher. Die Partei wird ja immer noch von denselben Personen wie in der Mappus-Ära geprägt.“ Schwarz-Grün ist in Baden-Württemberg also noch alles andere als ein Selbstläufer – zumal nicht klar ist, ob Strobl überhaupt die Chance für einen Versuch bekommen wird. Auch andere machen sich Hoffnung auf die Spitzenkandidatur. Da ist Peter Hauk, der die Landtagsfraktion führt, das traditionelle Machtzentrum der Südwest-CDU. Hauk galt als Mitglied des liberalen Flügels der Partei, doch in jüngster Zeit machte er mit stramm konservativen Parolen von sich reden. Er gibt den Gegenentwurf zu Strobl.Gleiches gilt für Guido Wolf, den Landtagspräsidenten. Er gehört zum konservativen CDU-Flügel, der die Grünen skeptischer sieht. Eine Vorentscheidung steht am 8. April an. Dann wählt die Fraktion einen neuen Vorsitzenden. Wolf hat noch nicht erklärt, ob er gegen Hauk antritt. Sollte er gewinnen, wäre er eine starke Konkurrenz für Strobl. Der Spitzenkandidat soll 2015 durch die Mitglieder bestimmt werden. Wolf ist an der Basis beliebt. Nicht nur seine Anhänger trauen ihm das Amt des Regierungschefs zu. Nur darum werde es gehen, wenn die Partei ihr Zugpferd bestimme, heißt es in der Landespartei. Mit Strobls Modernisierungskurs könnte es dann schnell wieder vorbei sein.