Die Chefetagen-Rocker

Sprechgesang Wie weit würdest du für deinen Job gehen? Junge Leute rappen in Videoclips für das Image ihrer Firma und setzen sich damit Cybermobbing aus. Wie die Sparda Movie Stars
Das Video der Sparda Movie Stars wurde aus dem Netz entfernt, ist aber mit etwas gutem Google-Willen schnell wiederzufinden
Das Video der Sparda Movie Stars wurde aus dem Netz entfernt, ist aber mit etwas gutem Google-Willen schnell wiederzufinden

Screenshot: Youtube

Hat die Ausbeutung der „Generation Praktikum“ eine neue Dimension erreicht? Neuerdings halten Praktikanten und Azubis in hausgemachten Rap-Songs als Zeugen dafür her, wie spaßig, abwechslungsreich und verantwortungsvoll ihre Arbeit ist. So wie fünf Azubis der Sparda-Bank, den „Sparda Movie Stars“: „Also hör mir mal gut zu, dann lass ich dich in Ruh´, ich zeig dir die Vielfalt in der Welt der Banken“, rappen fünf junge Frauen und ein männlicher Protagonist. Sie haben mit ihrem Video an einer Preisausschreibung des Azubi Award 2012 der Frankfurt School of Finance & Management teilgenommen, um einen Imagefilm unter dem Motto: „Backnstage, Gib deinem Job eine Bühne“ zu produzieren. Der Gewinn für den ersten Platz ist ein Wochenende in München mit Eintritt in die Bavaria Filmstudios.

Selbst wenn die Sparda Movie Stars diesen Preis einheimsen, dürfte ihnen der Spaß daran inzwischen vergangen sein. Nach einer friedlichen Online-Existenz in den vergangenen zwei Wochen, zeichnet sich seit etwa Mitte der Woche ein Shitstorm in Kommentaren und Blogs ab. Seit dem 14. September ist der eigens erstellte Youtube-Kanal mit den verschiedenen Bewerbervideos gesperrt. Die Konkurrenzvideos mit Namen wie: "Germanys next Top Banker, Made in BANKladesh, Bang Boom Bank, How I met my Banker, Spachianer" sind nicht mehr erreichbar. Genauso wenig wie die Kommentare, die zum Rückzug zwangen. Das Sparda-Video ist hingegen längst in Umlauf und taucht auf verschiedenen Blogs und Plattformen immer wieder auf. Evi Zielinski, Leiterin des Azubimanagements von der Frankfurt School of Finance & Management spricht am Telefon von „massivem Cybermobbing“ – der Fall sei inzwischen in der juristischen Abteilung.

Komm mit ins Bankenwunderland

Warum es dazu kam, liegt genuin in dem Video begründet. Über die Mängel der musikalischen Ausführung könnte man eventuell noch hinwegsehen, aber spätestens als eine Fee mit Zauberstab und Tüllrock im Bild erscheint und in angestrengtem Sprechgesang singt: „Ich nehm dich an die Hand, ich zeig die das Bankenwunderland“, ist der Fall verloren. Deutliche Worte spricht auch der Refrain: „Schau uns an, hör uns zu, wir sind genau wie du (so wie du, so wie du, heey). Schließ dich uns an (hey), und trau dich ran (hey), entdecke das Schöne an Bankkauffrau und Bankkaufmann.“ Ein junger Mann mit bloßem Oberkörper, Hawaikette und Sombrero macht es leider nicht besser. Genauso wenig wie die kollektive Umgarnung des Sparda-Fuchs-Maskottchens der jungen Frauen in seriösen Hosenanzügen. „Alternativ, abwechslungsreich und locker, sind wir schon bald die Chefetagen-Rocker.“

Besser machten es zum Beispiel Praktikanten der BMW Group. Flüssige Handgestikulation und professionelle Kamerafahrten, lauschiges Gitarrenspiel zum Schluss, das kommt MTV schon recht nahe. Eher die Gangsta-Rap-Schiene fahren hingegen Azubis von Edeka in der Nähe von Fürth: „Ohren auf, check it, yeah attention. Eins kann ich sagen in der Einzelhandelsbranche, ja hier hat man jede Menge Chancen, nach der Ausbildung weiterzumachen, ja genau hier lassen´s jede Menge Leute krachen.“ Heißer Beat, tighter flow. Und auch hier wieder ein Frauenchor-Refrain, der zum klassischen Muster zu gehören scheint.

Quelle: Youtube

In allen Fällen geht es darum zu zeigen, wie wichtig und spannend eine Ausbildung oder ein Praktikum sind und mit wie viel Spaß und Kreativität die jungen Leute bei der Sache sind. Unterstützt werden sie dabei etwa von der Edeka Regionalgesellschaft Nordbayern-Sachsen-Thüringen. Es ist letzten Endes natürlich eine Form des viralen Marketings, für das die Praktikanten und Azubis herhalten sollen; getarnt als Wettbewerb oder „spannendes Projekt“. Fast ist man versucht, den Sparda-Azubis in ihrem eigenen Interesse den Gefallen zu tun und das Video zu ignorieren. Aber wer sorgt dann für ein abschreckendes Beispiel, sich nicht für seinen Betrieb bis zum Feenkostüm auszuziehen?

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Geschrieben von

Juliane Löffler

Onlinerin beim Freitag. Quelle: Papier

Juliane Löffler

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