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Verhütung Die Pille danach muss endlich von der Rezeptpflicht befreit werden. Dafür wurde jetzt im Bundesrat ein kleiner Etappensieg errungen

Wo steckt eigentlich die Arzneimittellobby, wenn man sie mal braucht? Der Fall ist doch wie für sie gemacht: am Freitag hat die Mehrheit im Bundesrat einem Antrag für die Aufhebung der Rezeptpflicht für die Pille danach zugestimmt – eingereicht hatten ihn die Bundesländer Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Hamburg. Anfang Juni waren entsprechende Anträge von SPD und Grünen im Bundestag bereits gescheitert, die schwarz-gelbe Regierung war dagegen. Nun sieht es endlich nach einem kleinen Etappensieg aus, auf dem wohl noch langen Weg zur Abschaffung der Verschreibungspflicht.

Warum sich die Bundesregierung dagegen wehrt, kann nur mit einem regressiven Konservatismus erklärt werden. Leider wird die PiDaNa oft noch immer als gefährliches Abtreibungsmittel verstanden und nicht als wichtiger Teil einer selbstbestimmten Verhütungsvor- und Nachsorge. Ist das Teil der christlich-konservativen Sexualmoral? Vielleicht. Der unsägliche Fall einer mutmaßlich vergewaltigten Frau, welche in zwei katholischen Krankenhäusern aus ethischen Gründen keine Pille danach verschrieben bekam, zeigt, worauf die diffuse Angst vor der Tablette fußt. Man könnte ungeborenes Leben zerstören. Um es aber ganz deutlich zu sagen: Die Pille danach verhindert zunächst nur die Befruchtung einer Eizelle. Sie als Abtreibung zu verstehen, ist schlichtweg hysterisch.

Es sei doch aber gesundheitsschädlich, eine Horror-Hormonbombe, lautet außerdem eine gängige Argumentation, die sich aber leicht entkräften lässt. Wenn in 28 europäischen Ländern die Pille danach bereits rezeptfrei erhältlich ist – wie schädlich kann sie sein? Ja und die lange Liste der Nebenwirkungen: Übelkeit, Erbrechen, Unterbauchschmerzen? Nun, wer gewillt ist, sich über die Nebenwirkungen hormoneller Verhütungsmethoden für Frauen zu informieren, möge den Beipackzettel einer gewöhnlichen Antibabypille studieren. Hier werden gesundheitliche Konsequenzen von teils tragischer Tragweite ohne großen Aufschrei hingenommen.

Das wohl wichtigste Argument für die Abschaffung der Rezeptpflicht sind aber die unzähligen Alltagserfahrungen von Frauen, die sich nach Verhütungsunfällen – oder im schlimmsten Fall Vergewaltigungs- oder Missbrauchsfällen – innerhalb von 72 Stunden um ärztliche Hilfe kümmern müssen.

Erklärungsnöte

Jede Frau, die schon einmal Samstagsnacht zwischen schreienden Kindern, ächzenden Alten und besoffenen Alkoholleichen in der Notaufnahme eines Krankenhauses saß, weiß, wie viel Nerven und Zeit die Beschaffung der kleinen Tablette kostet. Wie unangenehm es ist, als neunzehnjähriges Mädchen vor einem ergrauten Doktor zu sitzen, der über seinen Brillenrand einen strengen Blick wirft, um zu fragen, „was denn genau“ passiert sei. Schluck.

Glücklich sind diejenigen, die einen verantwortungsvollen Freund zur Begleitung an ihrer Seite haben, oder die beste Freundin zur Unterstützung, die murmelt es werde schon alles gut gehen. Hundertprozentigen Schutz bietet nämlich auch die Pille danach nicht. Übel ist die Situation für diejenigen, welche allein unangenehme Fragen über sich ergehen lassen müssen, weil sie an den falschen Arzt geraten sind, an die falsche Apotheke oder an das falsche Krankenhaus. Das kostet zudem wertvolle Zeit, denn je schneller die Pille danach eingenommen wird, umso höher ist die Wirksamkeit. Entsprechend sinkt damit die Notwendigkeit für den Abbruch einer ungewollten Schwangerschaft.

Jede Frau weiß, dass die Pille danach keine alternative Verhütungsmethode ist – sie ist ein Notfallkontrazeptiva und so wird sie auch verwendet. Niemand wird aufhören, über Spirale, Pflaster, Hormonspritzen oder Kondome nachzudenken, weil es ja eine unkomplizierte Lösung für den Fall der Fälle gibt. Es werden wohl auch kaum Teenager losziehen, um sich Vorratspackungen für wilde Sex-Orgien zuzulegen, sollte die Bundesregierung sich endlich zu einer Gesetzesänderung entschließen. Schlimm genug, dass Verhütung in den allermeisten Fällen noch immer Frauensache ist. Wenn Gesellschaft und Pharmaunternehmen ihnen schon die Verantwortung dafür zuschieben, sollte man ihnen wenigstens den Zugang dazu freimachen.

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Geschrieben von

Juliane Löffler

Onlinerin beim Freitag. Quelle: Papier

Juliane Löffler

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