Ja, finden wir BLÖD

Geistiges Eigentum "Yes we scan" wurde während der NSA-Affäre zu einem beliebten Slogan. Entstanden ist er im Netz, jetzt wird die "Bild" dafür ausgezeichnet. Fair ist das nicht

Besonders die etablierten Printmedien beklagen sich ja in ihren Feuilletons besonders gerne und laut über die "Kostenloskultur" im Netz. Aber mal ehrlich: könnten Redakteure noch ihren Job machen, wenn nicht der Großteil journalistischer Erzeugnisse kostenlos im Netz verfügbar wären? Wahrscheinlich nicht. Oder: schlechter. Dass Journalisten selbst die größten Profiteure der tendenziell unvergüteten Schreiberei sind, zeigt sich aktuell bei der Wahl zu "Schlagzeile des Jahres".

Die Bild wurde vom Verein Deutsche Sprache für ihre Schlagzeile "Yes we scan" vom 10. Juni ausgezeichnet."Besser als jeder Leitartikel fassen diese drei Worte die Enttäuschung vieler Europäer über die Überwachungsmanie der Obama-Regierung zusammen", wird die Wahl begründet. Es ist wirklich ein knackiger Slogan. Problem: Aus den Köpfen der Bild-Redaktion stammt er nicht. Das Blog Nerdcore wirft der Zeitung vor, den Slogan geklaut zu haben. Dort sei sie bereits zwei Tage zuvor verwendet worden. Tatsächlich dürften viele netzaffine LeserInnen "Yes we scan" aus den sozialen Netzwerken kennen. Dort hatte sich das von Blogbetreiber René Waltergestaltete Plakat mit dem zugehörigen Slogan besonders auf Facebook explosionsartig verbreitet. So kam der Spruch dann auch in die Bild, hat Kai Diekmann ehrenwerterweise bereits zugegeben und will nun den Preis nicht annehmen.

Die Abkupferungsgeschichte geht aber noch weiter, denn bereits davor war nach Angaben Walters der Slogan in den Foren von SPON und netzpolitik.org aufgetaucht. Es mag ein wenig kleinkariert wirken, sich nun darum zu streiten, wer genau der Vater des geistigen Eigentums ist (es gibt jedenfalls mehrere Anwärter). Im Netz würde es aufgrund der großen Informationsmasse und hohen Geschwindigkeit auch einen erheblichen Rechercheaufwand bedeueten. Aber was halt auch nicht geht: Dass das erstbeste Printmedium, was auf eine Schlagzeile (ein Bild, eine Recherche, was auch immer) aufmerksam wird, das einfach abdruckt, als ihre eigene verkauft und dann die Lorbeeren einheimst.

Erst wenn etwas auf Papier gedruckt ist, erreicht es einen auszeichnungswürdigen Standard, so die Logik dahinter. Das ist empörend. Und regressiv gedacht. Und stimmt ja – offensichtlich – auch nicht. Umso ärgerlicher, findet auch Walter, dass es dann auch noch das Papier der Bild ist, was für diesen fiktiven Qualitätsstandard herhält.

Und der Verein Deutsche Sprache? Lässt über den Sprecher der Jury Walter Krämer verkünden, man sähe keinen Anlass die Auszeichnung zurückzunehmen. "Wir schauen uns nur die Zeitung an", sagte er gegenüber horizont.net. Ähm, räusper. Vorschlag: Wie wärs, das mal zu ändern? Sprache findet ja, kleine Anmerkung, auch im Netz statt.

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Geschrieben von

Juliane Löffler

Onlinerin beim Freitag. Quelle: Papier

Juliane Löffler

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