Nordkorea: Test, Test, Test...

Ein Spiel auf Zeit Nordkorea hat einen dritten Atomtest "erfolgreich" durchgeführt. Aber niemand freut sich darüber. Auch nicht die alten Verbündeten

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Nordkorea: Test, Test, Test...

Screenshot: "North Korea's Military parade in Slow Motion" von Dan Chung

Pyongyang begründet den Test mit der fortgesetzten Feindseligkeit der USA. Der Nukleartest sei eine Selbstverteidigungsmaßnahme. Wenn es zutrifft, dass der heutige Test mit einem kleineren Sprengsatz durchgeführt wurde als die vorigen, könne das bedeuten, dass Nordkorea dem Ziel, einen für seine Raketen tragfähigen Sprengkopf zu bauen, nähergekommen sei, zitiert die BBC Beobachter.

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Kim Jong-il wollte nur spielen...

Weltpolitisch isoliert, informationstechnologisch zunehmend verbunden

Lange wurde das nordkoreanische Nuklearprogramm vor allem als ein amerikanisch-nordkoreanischer Konflikt wahrgenommen. Das ergab sich daraus, dass die Nachbarstaaten Japan und Südkorea als US-Verbündete gelten, und Nordkorea während des kalten Krieges in ein chinesisch-sowjetisches Lager gerechnet wurde. Trotz des chinesisch-sowjetischen Zerwürfnisses seit Chruschtschows und Maos Zeiten unterhielt Pyongyang weiterhin enge Beziehungen sowohl mit Moskau als auch mit Peking. Ähnlich wie Kuba verlor auch Nordkorea mit der Auflösung der Sowjetunion einen wichtigen Bündnispartner. Abgefedert wurde dies allerdings durch den Fortbestand des chinesischen Bündnispartners. Die mangelhafte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Nordkoreas führte Anfang der 1990er Jahre, kurz nach dem Tod des Staatsgründers Kim Il-sung und dem Nachfolgeantritt seines Sohnes Kim Jong-il gleichwohl zu einer schweren Hungersnot, an deren direkten oder indirekten Folgen- unzuverlässigen Schätzungen zufolge - zwischen 2,8 und 3,5 Millionen Menschen gestorben sein sollen.

Die nordkoreanische Führung hat nicht nur Grund, sich von außen bedroht zu fühlen. Zumindest der Economist vermutet ein "Grollen von Unten": der Zugang zu Informationen aus dem Ausland habe sich für die nordkoreanische Bevölkerung verbessert.

Und auch aus Peking, von Pyongyangs engsten Verbündeten, lässt sich Groll vernehmen, wenn auch nicht direkt aus der politischen Führung. Dass Peking die UN-Sicherheitsratsresolution 2087 im Januar gegen einen von Nordkorea als solchen deklarierten "Satellitentest" unterstützte, war dabei nur das auffallendste Indiz. Die nordkoreanische Nachrichtenagentur KCNA schäumte: die Resolution zeige,

dass jene großen Länder, die verpflichtet sind, die Führung im Bau einer gerechteren Weltordnung zu übernehmen, unter dem Einfluss der willkürlichen und selbstherrlichen Praxis der USA, ihren Verstand nicht (wieder)finden.

Weder China noch Russland wurden von KCNA beim Namen genannt, aber sie waren gemeint.

Zwischenmenschlich wurde die nordkoreanische Enttäuschung - ebenfalls Ende Januar - auf dem mandarinsprachigen Hong Konger Sender Fenghuang verhandelt.

Zhu Feng, Direktor des Centers for Strategic and International Studies an der Peking-Universität, hielt der nordkoreanischen Geschäftsfrau Li Yuzhen (nordkoreanischer Name unbekannt) in einer Polit-Talkshow des Senders vor, China habe doch Hervorragendes geleistet, indem es den ursprünglichen amerikanischen Resolutionsentwurf dahingehend abgeschwächt, das lediglich weitere Sanktionspunkte aufgenommen worden seien. Diese Bemühungen und diese Freundlichkeit müsse Nordkorea schätzen.

Li Yuzhen, die laut Fenghuang seit dreißig Jahren (überwiegend) außerhalb Nordkoreas lebt und häufiger als Talk-Gast bei Fenghuang auftritt, betonte hingegen die souveränen Rechte Nordkoreas. Mit der Prognose, sie glaube gleichwohl nicht an einen bevorstehenden dritten Atomtest Nordkoreas, stellte sie allerdings gleichzeitig unter Beweis, dass dreißig Jahre Abwesenheit von zu Hause auch für nordkoreanische Verhältnisse eine lange Zeit sind.

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Kim Jong-un macht Ernst!

Ideal und Realpolitik

Und Zhu Fengs um nordkoreanisches Vertrauen werbenden Äußerungen in der Fenghuang-Talkshow waren für ostasiatische Verhältnisse alles andere als harmonisch: immerhin stellte er klar, dass die Resolution aus seiner Sicht gerechtfertigt sei. Für Li ein Affront, und für Anhänger der seit 1950 zu einem Teil der chinesischen Anti-Imperialismus-Folklore seit dem Koreakrieg ebenfalls ein Affront. Tang Ge, ein an hervorgehobener Stelle bei der nationalistischen Huanqiu Shibao angesiedelter Blogger, argumentiert zwar vor allem geostrategisch, aber auch Fragen der Loyalität dürften seine pro-Pyongyang-Position mitbestimmen. Wie eng die beiden Länder einander verbunden seien, drückt sich zum Beispiel im Lebenslauf des Komponisten Zheng Lücheng aus. Dieser schrieb sowohl die Hymnen der chinesischen "Volksbefreiungarmee" als auch den "Marsch der Koreanischen Volksarmee". Zheng wurde 1914 als Koreaner geboren, studierte und arbeitete ab 1933 in China, und kehrte 1945, nach dem Ende des 2. Weltkriegs in Asien, nach Nordkorea zurück - verheiratet mit einer Chinesin. 1950 nahm er die chinesische Staatsbürgerschaft an, und das Ehepaar übersiedelte endgültig nach China.

Aber neben dem Ideal gibt es eben auch Machtansprüche. Nordkoreas Nichtbeachtung chinesischer Einwände gegen Pyongyangs Nuklearprogramm gelten gesichtsbewussten Chinesen als Beleidigung - und sie spielen aus der Sicht vieler Chinesen einem japanischen Militarismus in die Hände, dessen Forderungen nach einem Ausbau der japanischen Selbstverteidigungskräfte von nordkoreanischen Drohungen begünstigt würden.

Und grundsätzlich trägt es natürlich eher zu einer Akzeptanz Chinas als Regional- oder angehende Supermacht bei seinen Nachbarn bei, wenn es die Besorgnis dieser Nachbarn ernst nimmt, anstatt in Treue fest zu einer - auch in Asien - vielfach als Zombie-Regime wahrgenommenen nordkoreanischen Führung zu stehen, die nicht einmal den ethischen Standard erfüllt, das eigene Volk zu ernähren.

Solche soft-power-Überlegungen (also internationale Image-Fragen) schienen dem bis Ende 2012 amtierenden Politbüro weniger wichtig zu sein als die "harten" Faktoren chinesischer Macht. Aber nicht immer lässt sich das eine vom anderen trennen.

Die von Hu Jintao geführte ständige Kommission des Politbüros von 2007 bis 2012 habe über keine über keine besonderen Nordkoreakenntnisse verfügt, schrieben Adam Cathcart (Belfast), Nathan Beauchamp-Mustafaga (Peking) und Roger Cavazos (USA) am 29. Dezember in einem Beitrag für die South China Morning Post (Hong Kong). Insbesondere das neue ständige Mitglied Zhang Dejiang sei Nordkorea-Experte - er studierte in Pyongyang und habe als nordostchinesischer Regionalpolitiker ständige Kontakte nach Nordkorea gehabt. Auch Li Keqiang - demnächst voraussichtlich Wen Jiabaos Nachfolger als Regierungschef - gelte als nordkoreaerfahren. Beiden sei mehr Entschiedenheit im Umgang mit Pyongyang zuzutrauen als ihren Vorgängern.

Gleichzeitig aber gelte auch: die militärischen Elemente der chinesisch-nordkoreanischen Zusammenarbeit würden stark bleiben, wenn auch nicht grenzenlos. Öffentliche Äußerungen Xi Jinpings, des neuen Generalsekretärs der KP Chinas, ließen vermuten, dass Peking das militärische Entwicklungsprogramms Nordkoreas - in Grenzen - tolerieren wollten.

Chinas wirtschaftliches Interesse an Nordkorea dürfte sich hingegen in Grenzen halten. Die letzten Zusammentreffen chinesischer und nordkoreanischer Spitzenfunktionäre ergaben in dieser Hinsicht nicht viel Substanzielles, und chinesische Unternehmen machen vor Ort in Nordkorea die gleichen Erfahrungen mit ihren nordkoreanischen "Waffenbrüdern" wie die politische Führung mit denen auf der nationalen Ebene. Nur kriegsähnlicher - gegeneinander, und nicht gegen Amerika.

Die Kim-Dynastie hat noch nicht verloren. Aber die Luft wird für sie dünner.

Anmerkungen zum dritten nordkoreanischen Atomtest.

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