Syrien und der Rest der Welt (7)

Netzschau Im folgenden eine grobe, nicht repräsentative Collage einiger chinesischer Pressemeldungen und -artikel zu Syrien. Links in Zitaten während Übersetzung eingefügt

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Syrien und der Rest der Welt (7)

Foto: AFP/ Getty Images

Von JR

Enorth (Tianjin, Nordchina) / Xinhua ---

Der syrische Außenminister Mouallem, der zur Zeit Russland besucht, teilte am 9. September den Medien mit, dass Syrien den russischen Vorschlag begrüßt, Chemiewaffenvorrichtungen unter internationale Kontrolle zu stellen.

Mouallem sagte, er habe sich den Vorschlag des russischen Außenministers Lavrov hinsichtlich der Chemiewaffen aufmerksam angehört. Er sagte: „Die syrischen Führer nehmen Leben und Sicherheit Syriens und des syrischen Volkes ernst, und von da ausgehend begrüßt Syrien den russischen Vorschlag. Ferner vertrauen wir der Weisheit der russischen Führer. Russland arbeitet daran, eine amerikanische Aggression gegen uns zu verhindern.“

Lavrov sagte am 9. September, Russland hoffe, die syrischen Führer würden es ernsthaft in Erwägung ziehen, die Chemiewaffen unter internationale Aufsicht zu stellen und sie schrittweise zu vernichten, um amerikanische Militäraktionen [oder eine amerikanische Militäraktion] gegen Syrien zu verhindern. Er rufe die syrische Regierung außerdem dazu auf, der internationalen Chemiewaffenkonvention beizutreten.

Auf einer Pressekonferenz in London am selben Tag nannte der amerikanische Außenminister Kerry auf eine Reporterfrage eine Bedingung dafür, dass Amerika Schläge [oder den Schlag] gegen Syrien fallenlasse. Er sagte, der syrische Präsident Assad müsse in der kommenden Woche alle Chemiewaffen an die internationale Gemeinschaft übergeben, und eine umfassende Inventur dieser Waffen erlauben.

Russische Politologen glauben allerdings, dass Amerika auch dann die Militäraktion gegen Syrien nicht fallenlassen, wenn Syrien die Chemiewaffen übergibt. Polica Ivanov, stellvertretende/r Direktor/in des Russischen Politischen Forschungszentrums [aus dem Chinesischen "übersetzt"; Personenname und Institutsname können auch ganz anders lauten - JR] sagte in einem Interview mit der russischen Nachrichtenagentur RIA Novosti, zwar könne die Herausgabe der Chemiewaffen durch Damaskus eine amerikanische Militäraktion verzögern, weil sich darin eine Geste des guten Willens der syrischen Seite ausdrücke und eine direkte Antwort auf Kerrys Statement sei. Das werde Amerika aber nicht daran hindern, sich andere Gründe für eine Gewaltanwendung auszudenken.

Bericht: He Yingjun.

Während Enorth, ein regionales Portal nicht nur für politische Themen, das Thema nicht sonderlich prominent behandelt, macht die Online-Ausgabe der Huanqiu Shibao ("Global Times"), ein weltpolitisch ausgerichtetes Blatt, mit dem Thema auf und titelt: „Obama verspricht, Aktionen gegen Syrien auszusetzen, wenn Assad auf den Gebrauch von Chemiewaffen verzichtet“.

Laut Itar-Tass am 10.09. sagte U.S.-Präsident Obama in einem Interview mit der ABC, wen Bashar al-Assad die Verwendung von Chemiewaffen einstelle, werde Amerika die Pläne zur Militäraktion [zu Militäraktionen] gegen Syrien aussetzen.

Im Interview wurde Obama gefragt, ob Amerika seine Planungen zu einem Angriff auf Syrien beenden [oder aussetzen] werde, wenn Damaskus unter die Aufsicht der internationalen Gemeinschaft stelle. Obama antwortete, dies sei „völlig“ korrekt. Falls Damaskus eine internationale Aufsicht aktzeptiere und keine Chemiewaffen mehr verwende, werde Amerika Syrien einstweilen nicht angreifen. Dazu, wie lange die Aussetzung konkret andauern werde, machte Obama allerdings keine eindeutige Aussage.

Berichten zufolge hatte Obama zuvor gesagt, es bestehe für einen Angriff auf Syrien kein Grund zur Eile. Er äußerte Unterstützung für den Vorschlag einer Forderung [oder Bitte] des russischen Außenministers, Syrien möge seine Chemiewaffen der Aufsicht der internationalen Gemeinschaft unterstellen. Er glaube, zur Zeit sei es am wichtigsten, die Anwendung von Chemiewaffen zu verhindern, und nannte Chemiewaffen eine „echte Bedrohung“.

Praktikanten-Redakteur: Ren Xinyue / Gegengelesen von Zhai Luman.

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Mit eigenen Bewertungen der neueren Entwicklungen zwischen Washington und Moskau hielt sich Huanqiu am Dienstagvormittag offenbar (noch) zurück. Am Montag brachte die Online-Ausgabe einen Bericht über die Arbeit der chinesischen Botschaft in Damaskus. Man arbeite für das chinesische nationale Interesse und für die Sicherheit der sich in Syrien aufhaltenden chinesischen Staatsbürger. Verschiedene Botschaftsmitarbeiter kommen zu Wort, z. B. Yuan Quan, zuständig für Logistik, Verwaltung und Finanzen:

„Wir haben relativ viel Glück – in den vergangenen zwei Jahren ist noch nichts Schlimmes passiert.“ Außerdem ist Damaskus, da es bisher eine Ruhezone im Sturm geblieben ist, auch relativ sicher. Potenzielle Gefahren gibt es in Syrien immer, aber Yuan Quan möchte darüber nicht reden, um seine Angehörigen nicht in Sorge zu versetzen. Er sagt, er sei per Internet in häufigem Kontakt mit ihnen, und wenn es friedlich zugehe, gelte für ihn und für sie eine „unausgesprochene Vereinbarung“ die darin bestehe, nicht zuviel über solche Gefahren und Sorgen zu reden, und vielmehr nur gute Nachrichten zu übermitteln“.

Yuan Quan hoffe, dass Syrien bald Frieden finde. Er habe ein Gefühl entwickelt, das es ihm schwermachen würde, das Land zu verlassen. Die Zahl der Chinesen in Syrien sei kleiner geworden, und im Gegensatz zur Vergangenheit sei es inzwischen schwierig geworden, genug für ein Basketballspiel zusammenzubekommen. Allerdings wird ein weiterer Botschaftsmitarbeiter damit zitiert, man bemühe sich, chinesische Studenten, die ebenfalls das Land nicht verlassen wollten, zur Rückkehr nach China zu überreden. Angesichts der Nachrichten über einen bevorstehenden westlichen Militärschlag stehe die Botschaft vor enormen Herausforderungen, die Sicherheit jedes chinesischen Staatsbürgers zu gewährleisten. Als beste Reiseroute zur Ausreise wird der Weg über Beirut genannt.

Die zweieinhalb Jahre der Gewalt haben zu über hunderttausend Toten, zwei Millionen Flüchtlingen im Ausland und zu fünf Millionen Notleidenden und Obdachlosen geführt, aber den knapp zweitausend chinesischen Staatsbürgern sei nichts zugestoßen, und sie und ihre Geschäfte hätten keine allzu großen Verluste gehabt. All das ist nicht zu trennen von den Anstrengungen der in Syrien stationierten chinesischen Diplomaten.

Gegen Ende wird ein Botschaftsarbeiter genannt, die sich durch besondere Leistungen verdient gemacht hätten: der Koch, der trotz hohen Blutdrucks auf seinem Posten bleibt, obwohl er zur Rückkehr nach China berechtigt sei.

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Chinesische Botschaften in Konfliktzonen sind (spätestens) seit der Bombardierung der chinesischen Botschaft in Belgrad ein häufig wiederkehrendes Thema.

Am Abend chinesische Ortszeit bringt Huanqiu eine Meldung, der zufolge sich seit Dienstag (heute) eine sechsköpfige Delegation einer inländischen syrischen Oppositionspartei, des „Nationalen Bündnisses zum Dialog“ (Englisch, Xinhua: the National Dialogue Forum in Damascus), in China aufhalte. Etwas Information zur Geschichte des Forums hier (Human Rights Watch).

Es ist nicht der erste Besuch syrischer Oppositioneller in Beijing. Auch mit Exil-Oppositionsvertreter hat das chinesische Außenministerium in der Vergangenheit bereits Gespräche geführt - vergleiche Zwischenüberschrift "Ausländische Einflussnehmer" hier.

Generell ist die chinesische Presseberichterstattung vergleichsweise "Assad-freundlich", sieht aber von einer engen Identifikation mit dem syrischen Regime ab.

Es ist Brauch, dass Akademiker Aussagen treffen, die sie möglicherweise auf eigene Rechnung, möglicherweise aber auch auf Wunsch der chinesischen Führung tun. Am 4. September zitierte Huanqiu Shibao Li Shaoxian, einen stellvertretenden Direktor des China Institute of Contemporary International Relations:

Li Shaoxian glaubt außerdem, dass Bashar al-Assad gesagt habe, China und Russland seien Syriens Verbündete, sei ein "als Tigerfell gespanntes Banner" [ein Mittel zum Beeindrucken von Feinden]. China sei kein Verbündeter Assads.

"Wenngleich China und Russland auf eine friedliche Lösung bestehen und in ihrer Ablehnung ausländischer militärischer Interventionen übereinstimmen, stimmen Chinas und Russlands Überlegungen doch nicht völlig überein. Russland hat in Syrien wirkliche Interessen, die es schützen will, wohingegen China in Syrien recht wenige Interessen hat."

Fortsetzung hier »

Mit dieser Reihe über Syrien und den Rest der Welt versuchen JR und Tai De, sich einen besseren Überblick über den Konflikt und seine Einflussnehmer zu verschaffen.

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» Jüngere Geschichte, 07.09.13

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