So mancher Morgen nach einer Party ist bitter: Es plagt ein dumpfer Kopf und die unschöne Gewissheit, dass man sich noch um Kopf und Kragen geredet hat. Zum Beispiel ist die Provokation eine Kulturtechnik, die man angeheitert leider selten unter Kontrolle hat. Nüchtern aber, mit ein wenig seismografischem Gespür, können sich selbst Anfänger austoben. So verliert man nicht gleich den besten Freund, wenn man etwa den Spiegel-Online-Kolumnisten Jan Fleischhauer gut findet. Wer sich nicht sicher ist, kann seine Sympathie unverfänglich bei Facebook kundtun. Das habe ich bei Fleischhauers Kolumne über die Steuerpläne der Grünen getan, natürlich nicht ohne ironischen Kommentar zum Verblendungszusammenhang, in dem wir alle stecken.
Zur eigenen Haltung auf Distanz zu gehen, ist ein Trick, den Meike Lobo fatal nicht beherzigte. Sie leidet deshalb vermutlich unter einer Post-Partydepression. In der Aufregung um die Losvergabe beim NSU-Prozess hatte sie das Magazin Brigitte ein „antifeministisches Drecksblatt“ genannt. Warum denn auch nicht, schließlich hatten sich viele über die Vergabe und den Presseplatz für Brigitte aufgeregt? Einerseits verstand man den Wutausbruch von Tagesspiegel-Chefredakteur Lorenz Maroldt, der im Radio in Bezug auf Brigitte irgendwas von „Plätzchen-Rezepten à la Beate Zschäpe“ zeterte. Andererseits: Beim Blick in die aktuelle Ausgabe mit einer Reportage über Frauen in Ägypten, einem Porträt der Feministin Naomi Wolf und einem Interview mit Sarah Wagenknecht war man doch erstaunt und wunderte sich nicht, dass Lobos Facebook-Eintrag einen mittleren Shitstorm auslöste.
NSU und Emanzipation?
Ein Mädchen schrieb: „Bei uns lesen alle die Brigitte, sogar mein Vater, ich glaube wir gehen jetzt sterben.“ Brigitte-Kolumnistin Julia Karnick spielte auf Lobos Lidstrich an, eine so gut geschminkte Feministin müsse schon was mit Beauty am Hut haben. Und man selbst rieb sich die Augen, wird mit dem NSU-Prozess nun auch noch Emanzipation verhandelt? Lobo jedenfalls dürfte geläutert sein. Man findet den Eintrag bei Facebook nicht mehr.
Brigitte scheint aber weiter, als ihre Gegner vermuten. Es gibt auch eine von Brigitte organisierte Gesprächsreihe mit Politikerinnen. Neulich war die Bundeskanzlerin höchstpersönlich zu Gast und sagte auch einfach Privates wie: An einem Mann interessierten sie zuerst die „schönen Augen“.
Ich persönlich lese die Brigitte natürlich immer noch primär wegen der Spargelrezepte. In Zukunft wird dann wohl noch der Brigitte-Politikteil dazukommen.
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