Im Nathan nichts Neues

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Religionskriege überall auf der Welt machen „Nathan der Weise“ von Gotthold Ephraim Lessing so aktuell, wie schon lange nicht mehr. Doch nicht jeder kann diesen Bezug herstellen.

In Nathan der Weise geht es um die drei großen Weltreligionen und um die Frage, ob diese friedlich nebeneinander existieren können. Lessing selbst liefert mit der Ringparabel die Antwort: Ja. Denn dort stellt er drei Ringe vor – symbolisch für die drei Weltreligionen- , die nicht zu unterscheiden sind.

Anders bei der Inszenierung von Claus Peymann, Intendant des Berliner Ensembles. Hier werden die drei Religionen durch drei Farben dargestellt: Rot für das Christentum, Blau für den Islam und Schwarz für das Judentum. Diese Farben finden sich in Peymans Nathan-Inszenierung auf der Bühne und den Kostümen wieder. So trägt der Muselmann Saladin blaue Schuhe und eine blaue Feder, der christliche Tempelherr ein großes rotes Kreuz auf seiner Brust und Nathan ist ganz in schwarz gekleidet. Darauf ist Claus Peymann besonders stolz: „Ich war der erste der Nathan nicht mehr weiß, sondern schwarz auf die Bühne gebracht hat.“ Ansonsten wird der Nathan aber ziemlich klassisch inszeniert.

Erst werden alle drei Religionen vorgestellt, ihre Konflikte und ihre Nähe zueinander. Nicht nur die Ringparabel, sondern auch die Klärung der Familienverhältnisse soll zeigen, wie verwandt sich die Religionen in Wirklichkeit sind. Denn es stellt sich heraus, dass Recha, die von dem jüdischen Nathan erzogen wurde, gar nicht seine leibliche Tochter ist, sondern ebenso wie ihr Bruder, der Tempelherr, das Kind einer Christin und eines Muslimen. Dieser war zudem der Bruder Saladins und somit sind Recha und der Tempelherr Saladins Nichte und Neffe.

Nach drei Stunden ist das strenge Durchexerzieren der Lessingschen Fabel dann vorbei. Nur ein paar wenige Lacher des Publikums und der regelmäßige Szenenapplaus hielten mich wach. Später erklärt Peymann, dass dieser Nathan als Antwort auf den 11. September 2001 inszeniert wurde und dass er zeigen wolle, wie wichtig es sei sich auf die Vernunft zu besinnen. „Mein Wunsch ist es die Welt zu verbessern auch wenn ich weiß, dass ich das nicht kann“, sagt er.

Dem kann ich nur zustimmen. Vor allem nicht durch einen Nathan, der eine Antwort auf ein aktuelles Ereignis sein soll, aber mit dem Hier und Jetzt absolut nichts zu tun hat. Aus der Angst heraus „Stücke nicht zerstören zu wollen“ ist hier eine Nathan-Inszenierung entstanden, auf die man gut verzichten kann. Von einem Nathan im Jahre 2010 oder auch 2001, erwarte ich eine direkte Auseinandersetzung mit den aktuellen Ereignissen und eine Reflektion darüber, wie man Nathan in tatsächlich in die Welt des 21. Jahrhunderts übersetzen kann. Das erledigt der Heiner Müller-Text, der als Epilog eingefügt wird, alleine nicht.



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Geschrieben von

Katharina Finke

global correspondent

Katharina Finke

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