Verschleierung per Indiz

Gentechnik Schlechte Studie, große Aufregung: Ist genetisch veränderten Mais jetzt doch ungefährlich?
Die Studie der französischen Wissenschaftler um Gilles-Eric Séralini zu den Folgen des Verzehrs von gentechnisch verändertem Mais sorgt weiterhin für hitzige Debatten
Die Studie der französischen Wissenschaftler um Gilles-Eric Séralini zu den Folgen des Verzehrs von gentechnisch verändertem Mais sorgt weiterhin für hitzige Debatten

Foto: Charly Triballeau/AFP/Getty Images

Über eines dürfte sich der französische Genforscher Gilles-Eric Séralini in der vergangenen Woche kaum beklagt haben: einen Mangel an Aufmerksamkeit. Zum wiederholten Mal hat eine von ihm geleitete Untersuchung über die gesundheitlichen Auswirkungen von genetisch verändertem Mais (bisweilen „Genmais“ genannt) für großen medialen, ja, sogar für politischen Wirbel gesorgt – obwohl die Studie von Mängeln strotzt. Sie tut es in so unverschämter Weise, dass die Presse scheinbar überrumpelt war: Warum sonst hätte man in dieser Ausführlichkeit und Redundanz darüber lesen müssen, was genau die Forscher von der Université de Caen alles vermurkst hatten?

Ja, die Studie ist schlecht. Das offenbart allein die Zusammenfassung. Getestet wurde an einer Rattenlinie, die anfällig ist für Tumore. Jeweils zehn Tiere in einer Testgruppe sind viel zu wenige. 20 Kontrolltiere gegenüber 80 Versuchstieren sind ebenfalls zu wenige. Die Fütterungen mit dem manipulierten Mais hier und dem Pestizid, gegen das der Mais resistent gemacht wird, da, erscheint kaum plausibel. Die Berechnung des möglichen Fehlers bewegt sich jenseits aller wissenschaftlichen Standards. Und die Interpretation schließlich gerät selektiv und logikfrei: Wie sollte ein Gen die gleichen Effekte zeitigen wie die Chemikalie, gegen das sie schützt? Und warum sind in manchen Versuchsgruppen zwar mehr Tiere gestorben als in den Kontrollen, aber eine mit genetisch verändertem Mais gefütterte Gruppe war am Ende die fitteste von allen?

Zu einigen der Kritikpunkte hat der Forscher inzwischen Stellung bezogen – und zum Teil nicht mal unberechtigte Kritik – an den Hürden geübt, an denen angemessenere, weil größere Studien meist scheitern: Bürokratie und Geld. Was die Mängel des Corpus delicti allerdings nicht beseitigt. Und wenn sich die SZ am Mittwoch dann noch darüber ausbreitet, dass Séralini als Autor eines neuen Buchs und als Entwickler eines Medikaments gegen Pestizid-bedingten Leberschäden durchaus materielle Interessen neben den ideellen pflegt, muss man sich nahezu fragen, ob die umstrittene Arbeit nicht in Wahrheit von den Saatgutriesen selbst in Auftrag gegeben wurde. Um nicht nur die Gegner, sondern auch Kritiker der grünen Gentechnik zu diskreditieren. Zu der Studie befragt, gerät jeder noch so seriöse Forscher zum unfreiwilligen Fürsprecher von Monsanto (und Co.) .

Umfassende Studien fehlen

Zur Klärung der Frage, ob und wie genetisch veränderte Pflanzen Schäden an Mensch und Umwelt verursachen, trägt all das natürlich nichts bei: Schlechte Studien, die an einem Beweis des Risikos scheitern, beweisen nicht die Unbedenklichkeit. Sie werden trotz aller Mängel publiziert, weil sie Aufmerksamkeit erzeugen (bezeichnenderweise verlegt Elsevier das Journal, das Séralinis Arbeit publiziert hat). Große, umfassende Studien, die über längere Zeiträume gründlich nachforschen, fehlen weiter. Auch die Behörden, die in den GVO in vielen Fällen Unbedenklichkeit bescheinigen, beziehen sich auf kleine tierexperimentelle Untersuchungen, die in der Qualität zwar überzeugender sind, aber im Ergebnis doch nur Indizien liefern können.

Unterdessen tauchen immer neue gentechnisch veränderte Pflanzen auf dem Futtermittelsektor auf, von denen jede ein anderes Nutzen- und Gefahrenpotenzial birgt – die genetisch veränderte Kartoffel Amflora etwa, die ein Resistengen für bestimmte, in der Tiermast oft genutzte Antibiotika trägt, die sich auf Bakterien im Boden übertragen und sich so weiter verbreiten könnten - dabei dient die Kartoffel nicht einmal als Futter- oder Nahrung , sondern als Stärkelieferant für die Klebstoff und Papier-Industrie. Der zur Einfuhr nach Europa vorgesehene gv-Mais MIR162 trägt ein Gen aus Bakterien, das die Pflanzen vor bestimmten Insekten schützt. Sicherheitsbewertung noch nicht abgeschlossen. Und dann sind da Pflanzen wie der Golden Rice, ein Betacarotin produzierender Reis, der Kinder vor Blindheit schützen soll und dessen Nutzen daher mehr als augenfällig wäre – aber angebaut wird er noch immer nicht.

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Geschrieben von

Kathrin Zinkant

Dinosaurier auf der Venus

Kathrin Zinkant

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