Auflaufen lassen: Algorithmen sind dumm

Die Konsumentin Sie folgen uns auf Schritt und Tritt und können ungeheuer nerven. Im Grunde sind Algorithmen wie Stalker – man sollte sie einfach ignorieren
Ausgabe 26/2014
Auflaufen lassen: Algorithmen sind dumm

Wie sie sich an einen heranwanzen, sobald man seinen Laptop aufklappt: „Ich weiß, was du gestern gesucht hast.“ Ja, so ein Algorithmus hat Stalker-Qualitäten. Er benimmt sich wie ein eifersüchtiger Lover, der manisch das Telefon der Liebsten ausspioniert und sich einen – meist völlig falschen – Reim macht auf das, was er da zu finden glaubt. Letztlich will er einem nur das Geld aus der Tasche ziehen. Dazu schickt so ein Schwein von Algorithmus einem die absurdesten Links auf den Bildschirm.

Nun ist das Facebook-Volk deswegen wieder einmal in Aufruhr. Es ging neulich eine Nachricht der blauweißen Krake herum: „Wir verbessern Werbeanzeigen, die auf von dir genutzten Apps und Seiten basieren, und geben dir die Kontrolle.“ Absender: ein Mann, der sich als Produktmanager Jack Brill ausgab. Statt mit „uninteressanter Werbung“ solle man künftig nur noch mit „interessanter Werbung“ belästigt werden. Tatsächlich geht es bloß darum, dass Facebook seine Überwachungstätigkeit nun auch offiziell ausweitet, auf das Surfverhalten jenseits des Portals. Wer via Google nach Gummistiefeln sucht, wird jetzt bei Facebook mit noch höherer Wahrscheinlichkeit entsprechend bespamt werden.

Prompt hagelte es aus Blogs und von Zeitungen Empfehlungen, „wie Sie sich vor Facebooks Werbewut schützen“. Aber diesmal mache ich da nicht mit. Dieses Katz- und Mausspiel habe ich gründlich satt. Ich habe absolut keine Lust, mich schon wieder durch das Kleingedruckte zu klicken, um meine witzigerweise noch immer so genannten „Privatsphäre“-Einstellungen anzupassen. Meine neue Strategie lautet: Lasst die Algorithmen doch auflaufen! Sollen sie sich doch ruhig verrechnen, diese Dummbratzen, diese digitalen!

Mit Befriedigung verfolge ich all die Algorithmen-Irrtümer, die mir serviert werden. Die schönsten sammle ich. Aktuell wird mir da etwa eine „Hellofresh-Box mit frischen Zutaten und Rezepten“ angedient – obwohl meine Küchenkunstfertigkeit sich in Grenzen hält, die sollten sich besser an den Kollegen von der Kochkolumne wenden.

Vergangene Woche brummte mich dann die Handelskette Kaufland an: „Teamleiter (w/m) für unser SB-Restaurant in Ahrensfelde-Eiche gesucht.“ Wie gesagt: Mein Kochtalent ist echt begrenzt. Allerdings kam ich dann schon ins Grübeln. Deutschland – Kaufland – Konsumkolumne: Lesen die hier etwa wirklich mit? Und: Woher wissen die, dass ich ein paar Kröten zusätzlich gut gebrauchen könnte? Nichts gegen eine solide 400-Euro-Basis nebenbei! Außerdem: Neulich hab ich im Kaufland Berlin-Wedding einen Sack Blumenerde gekauft – aber bar bezahlt, ohne Kundenkarte. Sind die Kaufland-Überwachungskameras direkt mit Palo Alto verbunden? Und wo genau liegt Ahrensfelde? Google Maps behauptet: im Nordosten Berlins, früheres Stasi-Land.

Richtig crazy wurde es, als ich mich jetzt online über das Bikini-Haus informierte. Das Bikini-Haus ist ein neues Einkaufszentrum in Westberlin. Superschick soll es dort zugehen, sagen manche im Kollegium. Lustlos suchte ich die Adresse mal heraus. Als ich mich Stunden später mal wieder ins blauweiße Wunderland einloggte, knallte mir folgende Zeile entgegen: „Spontanität wird belohnt!“ Und ich las: Die Privatklinik Schloßstraße eines Herrn Dr. med. Daniel Panzer in in 12165 Berlin habe noch „BV-Termine zu Sonderkonditionen“ frei. BV steht für Brustvergrößerung, verstand ich nach ein paar Sekunden verschärften Brainstormings.

Eine Frau sucht nach Bikinis – da braucht sie eine Busen-OP: So, genau SO denken Algorithmen. Und vor solchen superaufdringlichen Schwachmaten soll ich Angst haben? Ich doch nicht! Sie etwa?

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Geschrieben von

Katja Kullmann

Stellvertretende Chefredakteurin

Katja Kullmann

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